Verfluchtes Erbe. T.D. Amrein

Читать онлайн.
Название Verfluchtes Erbe
Автор произведения T.D. Amrein
Жанр Языкознание
Серия Krügers Fälle
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738009125



Скачать книгу

einem Glas Wein.

      Müde vom Tag schlief er die ganze Nacht, ohne auch nur ein einziges Mal aufzuwachen.

      Leider stand sein Zimmer nicht länger zur Verfügung. Auch die übrigen Pensionen und Hotels in Lindau waren völlig ausgebucht, teilte man ihm an der Rezeption schulterzuckend mit. Ein Folkloretreffen, das mehrere Tage dauern sollte. Krüger blieb nichts anderes übrig, als abzureisen.

      Irgendwie fühlte er sich heimatlos. Er wäre gerne noch ein paar Tage geblieben. Das schlechte Wetter hielt noch an. Was tun? Bei Regen konnte man auch angeln? Dazu hatte er jedoch keine Lust.

      Also entschied er sich zu einem Ausflug. Irgendwohin. Ohne es eigentlich gewollt zu haben, stand er sich plötzlich an der österreichischen Grenze.

      Sollte er jetzt umkehren? Seinen Pass hatte er mitgenommen. Also warum nicht nach Österreich? Ist doch egal, wohin mich das Schicksal treibt, dachte er grinsend.

      Kurz flackerte Nadja auf. Die bevorstehende Kontrolle brachte ihn wieder auf andere Gedanken.

      Kaum hatte der Grenzer seinen Pass gesehen, winkte er ihn durch.

      Am Horizont schien es heller, die Wolken lichteten sich, also behielt Krüger die Richtung bei. Ab und zu hielt er an, um sich ein wenig die Beine zu vertreten. Auf einem Postamt wechselte er Geld. Dann fuhr er wieder ein Stück. Durchquerte den Arlberg, bis er gegen Abend in Innsbruck ein Zimmer suchte.

      Eine einfache Pension. Sehr einfach, wenn er es mit Lindau verglich. Dusche und Klo auf dem Gang.

      Im Klo, oben auf einem kleinen Schrank, lag eine ganze Menge Altpapier. Mehr zum Spaß zog er eine alte Zeitung aus dem Stapel. Einfach mal schauen, was die Österreicher so vorgesetzt bekamen. Eine Story über einen Unbekannten, der ohne Bewusstsein im Zug aufgefunden wurde. Ohne Ausweis und ohne irgendwelchen persönlichen Sachen. Nur eine Fahrkarte für den Zug und etwas Geld fand man in seinen Taschen. Soweit die Vorgeschichte. Jetzt, nach Jahren, konnte er endlich identifiziert werden. Kein Einheimischer, wie angenommen. Sondern ein Ausländer. Ein gewisser Erich Merz aus Zürich.

      Zufälle gibt’s, dachte Krüger. Dass der auch so heißt. Die Zeitung wanderte zurück auf den Stapel. Zeit zum Abendessen.

      Erst beim Dessert dachte er wieder an die Geschichte. Der Name Merz konnte in der Schweiz sehr häufig sein. Etwa wie Müller oder Meier bei uns. Erich fand sich wahrscheinlich auch ziemlich oft. Sonst, könnte ... Aber nein. So ein Blödsinn.

      Eigentlich gar nicht so schlecht, dieser Urlaub, überlegte er weiter. So viel Natur wie heute, hatte er schon lange nicht mehr genossen. Was heißt schon lange, fiel ihm ein. Eher noch nie. Zumindest nicht als Erwachsener.

      Jetzt konnte er noch einen kleinen Schnaps vertragen. Was trinkt man hier? Ein Blick in die Getränkekarte. „Obstler, Wachauer Marille, Feinbrand, Zwetschgenschnaps, Himbeerlikör, las er. Er bestellte einen Obstler. Dann noch Einen. Danach ließ die Lust deutlich nach, wie er befriedigt feststellte. Bevor er sein Zimmer aufsuchte, führte in sein Weg noch einmal auf dieses Klo.

      Die Zeitung lag immer noch oben auf dem Stapel, so wie er sie zurückgelassen hatte. Es ließ sich nicht vermeiden, sie die ganze Zeit anzusehen. Also griff er wieder danach. Das Datum interessierte ihn plötzlich. Schon fast ein Jahr alt, stellte er belustigt fest. Alte Geschichten, dachte er. Davon kenne ich auch noch ein paar.

      ***

      Trotz des guten Schlafes, den er schnell fand, träumte er von Erich Merz.

      Die Beichte in der Waldhütte. Wie geschlagen er gewirkt hatte. Wie er im Zug auf dem Boden lag. Krüger schreckte hoch, was hatte er da ganz klar gesehen. Durst plagte ihn. Kein Wasser im Zimmer. Also wieder aufs Klo.

      Dieses Mal nahm er die Zeitung mit. Das ließ sich doch herausfinden. Aber nicht heute Nacht.

      Bald schlief er wieder ein. Die Sonne, die ihm direkt ins Gesicht schien, weckte ihn. Frühstück, danach packte er seine Sachen zusammen. Die Zeitung lag ganz oben im Koffer. Salzburg wollte er auf jeden Fall besuchen.

      Für heute sein Tagesziel. Gemütlich wie am Vortag, reiste er im wahrsten Sinne des Wortes. Nur auf kleinen Straßen. Da und dort hielt er, um sich eine Burg oder auch nur eine kleine Schlucht, genauer anzusehen.

      Am Nachmittag hatte er erst etwa ein Drittel der Strecke geschafft. Jetzt musste er sich beeilen, wenn er heute noch ankommen und eine Bleibe finden wollte.

      Krüger hatte keine Ahnung, wie es in Salzburg aussah. Hoffentlich fanden nicht gerade diese Festspiele statt, von denen er gehört hatte. Dann würde es kaum freie Zimmer geben. Wie in Lindau. Kurz vor der Stadt fiel ihm eine Reklame auf: Camping Bungalows zu vermieten.

      Kurz entschlossen, hielt er an. Einmal etwas Anderes, als die immer gleichen Hotelzimmer. Außerdem entfiel die mühsame Parkplatzsuche in der Stadt. In Frankfurt hatte er sich daran gewöhnt, sich auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewegen.

      Der Bungalow, eigentlich für eine Familie ausgelegt, erwies sich als geräumig. Krüger fühlte sich sofort wohl. Kein Gedanke an primitives Wohnen, wie er erwartet hatte.

      Erst hatte er noch kurz gezögert, weil er für mindestens eine Woche mieten musste. Seit er jedoch sein kleines Reich bezogen hatte, freute er sich auf diese paar Tage. Inzwischen saß er schon mehr als eine Stunde im Vorgarten. Gerade hatte es noch gereicht, um einige Dinge einzukaufen, bevor der kleine Laden für diesen Tag schloss.

      Im Einkauf befand sich auch ein Flasche Wein. Die leistete ihm jetzt Gesellschaft, während er den anderen Campern zusah. Er stellte fest, dass die bei jeder Beschäftigung eine gewisse Ruhe ausstrahlten. Niemand bewegte sich hektisch. Auch nicht die Jüngeren.

      Krüger musste sich eingestehen, dass er eine völlig falsche Vorstellung vom Leben auf Campingplätzen gehabt hatte. Nicht primitiv, fand er. Sondern gemütlich.

      Die Flasche war leer. Ein guter Zeitpunkt, um sich schlafen zu legen.

      In seinem Bungalow besaß er sogar eine eigene Toilette. Nicht so wie das gewöhnliche Volk, dachte er belustigt. Der Wein hatte seine Beine etwas unsicher gemacht. Dafür war seine Laune umso besser geworden.

      Zum Glück konnte er sich überall irgendwo festhalten. Keine freie Fläche schien groß genug zum Hinfallen.

      Angezogen legte er sich auf sein Bett. Kurz drehte sich die Welt nur um ihn. Dann war er auch schon eingeschlafen.

      ***

      Lautes Vogelgezwitscher weckte ihn auf. Keine Kopfschmerzen. Krüger fühlte sich ausgezeichnet.

      Draußen fand offenbar längst reger Betrieb statt, fiel ihm bei einem Blick durchs Fenster auf.

      Als Krüger seine Residenz verließ, stand die Sonne allerdings schon fast senkrecht am Himmel. Er hatte ziemlich lange geschlafen, ohne es zu bemerken.

      Einfach schön, dachte er. Bloß sollte man hier nicht allein sein. Und der Bungalow bot schließlich Platz für mehrere Personen.

      Erfreut hatte er gestern festgestellt, dass auch attraktive Frauen über die Gehwege schlenderten. Da musste doch einfach eine dabei sein, die auch allein unterwegs war.

      Sein erster Weg führte ihn zum Restaurant. Zwar verfügte er auch über eine eigene Küche. Aber ihm stand der Sinn jetzt nach Gesellschaft. Gutgelaunt bestellte er einen Kaffee bei der Kellnerin. Die etwa in seinem Alter, jedoch nicht besonders interessiert an einem Flirt schien.

      Offenbar hatte er sie eher gestört, beim Putzen der Glasflächen, auf den die Flaschen normalerweise aufgereiht standen. Jetzt bildeten sie, die ganze Theke einnehmend, praktisch eine Mauer aus Alkohol.

      Krüger sah darin eine gewisse Symbolik. Und außerdem verstellten sie ihm die Sicht auf wesentliche Teile der Kellnerin, wie er registrierte. Trotzdem behielt er sie die ganze Zeit im Auge. Es war schon einige Zeit her, seit er Nadja beim Putzen zugesehen hatte. Dass man sogar so etwas irgendwie vermissen konnte, ging ihm durch den Kopf.

      Er saß als einziger Gast im Lokal. Die Camper zogen es offenbar vor, den eigenen Kaffee zu trinken.

      Erst