Der verborgene Erbe. Billy Remie

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Название Der verborgene Erbe
Автор произведения Billy Remie
Жанр Языкознание
Серия Legenden aus Nohva 5
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742739742



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Epilog

       Danksagung

       Impressum neobooks

      Prolog

      Seine Stiefel pochten bei jedem Schritt auf dem kahlen, feuchten Gestein. Blut tropfte aus seinen tiefen Wunden auf den Boden und hinterließ eine genaue Spur des Weges, den er voran stolperte. Das Schwert mit der geschwungenen Klinge noch fest in der Hand, die blutbeschmierte Schneide bereit zum Einsatz, doch sein verletzter Arm, in den das Monster seine Zähne geschlagen hatte, schmerzte so stark, dass er schwach an seinem Körper hinabhing, und die Spitze seines Schwertes über den Gesteinsboden zog, sodass sie Funken erzeugte.

       »Du weißt doch sicher, dass uns die Kreatur in eine Falle lockt.«

      Sei still, bat er sanft die andere Stimme, bitte, lass mich denken.

      Es war dunkel. So dunkel, wie es in einer Höhle sein konnte. Ein Licht, hell und mystisch, am Ende des langen Gangs, wies ihm den Weg zum Herz des natürlichen Gewölbes.

      Vor Jahrhunderten war dieser Ort in Vergessenheit geraten. Und vermutlich war er der erste Sterbliche seit einer Vielzahl von Jahrzehnten, der mit seinen unwürdigen Stiefeln diesen heiligen Boden betrat.

      Er ging den Tunnel entlang. Schlurfte, schnaubte, am Ende seiner Kräfte. Es war kühl dort drinnen. Feuchtigkeit glänzte auf dem von Wasser glattgeschliffenen, dunkelgrauen Gestein. Das mystische Licht leuchtete darin. Wasser perlte an den Wänden hinab. Das Erklingen der Tropfen in feuchte Pfützen hallte laut in der Höhle wider.

      Als er aus dem Tunnel trat, fand er sich in einer Art Grotte wieder. Der mystische Lichtschimmer wurde von einem See verursacht, der aus so klarem Wasser bestand, dass es nicht möglich war, eine Spiegelung auf der Oberfläche wahrzunehmen. So war der Tunnel unter Wasser, der aus der Höhle direkt ins Meer mündete, seinen Augen nicht verborgen.

      Es gab also zwei mögliche Fluchtwege, sollte er hier nicht siegen können. Der trockene Weg, den er gekommen war, oder der nasse Weg durchs Wasser.

      Wobei er nicht sicher sein konnte, wie weit der Tunnel sich erstreckte, und ob er überhaupt lange genug die Luft anhalten konnte, um ihn zu durchtauchen.

      Doch es bedeutete auch, dass das Monster, das er verfolgte, wohlmöglich gar nicht mehr hier war. Und ihm stand mit seinen offenen Wunden nicht der Sinn danach, in salziges Meerwasser zu springen und ihm nachzuschwimmen, zumal es für ihn als Sterblichen unmöglich war, jenes Monster ausgerechnet im Wasser zu besiegen.

      Es roch angenehm in der Höhle. Frisch. Salzig. Nach dem tobenden Meer – und Freiheit.

      Vor dem See, und unmittelbar vor ihm, tat sich ein Hain auf. Eine Statue aus weißem Marmor zeigte eine schlanke Gestalt – menschlicher Natur – die elegant einen Arm in die Höhe streckte. Auf der nach oben gerichteten Handfläche befand sich eine hohe Welle, als läge die unbändige See der Welt in der Hand dieser Statue. Die andere Hand hielt eine Schlange an die flache Brust gedrückt. Der Kopf des Tieres steckte zwischen den Fingern, die das Tier zu erwürgen schienen, die Zunge züngelte heraus, die Augen waren zu giftigen Schlitzen verengt, der lange Körper um einen schmalen Unterarm geschlungen.

      Die Statue trug eine Tunika, die an der rechten Schulter mit einer Spange oben gehalten wurde. Um die schmale Taille war ein Band geschlungen. Auf der einen Seite war die Statue eine zarte, junge Frau, mit weichem Gesicht, langem Haar und einer Brust, die sich perfekt in die Hand eines Mannes schmiegen würde. Auf der anderen Seite war sie ein junger anmutiger Mann, mit kurzem Haar und kindlichen Zügen, dessen Brustmuskel aus der Tunika hervorlugte.

      Ein uralter, vergessener Gott, der längst von neuen, gutmütigen Göttern ersetzt wurde. Das Monster mit den vielen Gesichtern, dass die See beherrschte, und abwechselnd Seefahrer ins Unglück verführte oder die Wellen über die Küsten schwappen ließ, um alles Leben dort zu vernichten.

      Das Ungeheuer, das es zu besiegen galt.

      Vor der Statue stand ein uralter aus groben Stein gehauener Altar. Die Opfergaben von längst vergangenen Zeiten hätten durch die Feuchtigkeit längst verfault sein müssen, doch irgendwas hatte sie erhalten. Blumen und frische Felle bildeten eine Art Bettstatt auf dem Altar. Auf den Stufen seines Podestes lagen dem Altar Obst, Fleisch, ungeschliffene Edelsteine und sogar Gold und Silber in Form von primitiven Münzen zu Füßen. Die Gaben waren das letzte Zeugnis von den einstmalig Lebenden, die hergekommen waren, um etwas zu erbitten. Oder um die rauen Wellen der See zu besänftigen, ehe sie die bewohnten Küsten verschlangen.

      Laut den Überlieferungen alter Legenden, war es lange vor seiner Zeit – lange vor der Zeit der Welt, wie die Sterblichen sie kannten – Gang und Gebe gewesen, einen dieser Haine aufzusuchen und durch mitgebrachte Opfergaben die Gunst der Götter zu erlangen.

      Sein Gang war träge, er wirkte fast gelangweilt, doch es war Furcht, die seinen Schritt erlahmte. Die Einsamkeit und die Trauer dieses Ortes übertrugen sich auf ihn, sodass sich ihm die Haare im Nacken sträubten.

       »Eines Tages werden auch wir vergessen sein. Egal, was du für die Welt opferst. Genau wie die Kreatur, die du jagst. Wir sind alle gleich.«

      Ich weiß, seufzte er in Gedanken, aber das ist jetzt nicht wichtig.

      Für einen Moment fragte er sich tatsächlich, weshalb er das Wesen jagte, und ob er die Kreatur nicht einfach ziehen lassen sollte.

      Aber er konnte nicht, er hatte eine Pflicht zu erfüllen, vor der er nicht davonrennen konnte.

      Vor dem Altar blieb er stehen und blickte noch einmal hinauf zu der Statue, die trotz all der Zeit wie frisch erbaut wirkte. Die Witterung konnte diesem Ort nichts anhaben, hier stand die Zeit still.

      Schließlich wurde seine Erschöpfung zu groß, seine Knie knickten ein. Mit einem geradezu erleichterten Seufzen ergab er sich den Mächten der Natur und sank vor dem Hain schwer auf die Knie.

      »Sie ist noch hier«, züngelte der Drache in ihm. »Ich kann sie spüren.«

      »Ich weiß, dass du noch hier bist!« Seine Stimme klang kratzig, aber trotz der Erschöpfung noch erstaunlich laut. »Stell dich deinem letzten Kampf, Herrin der Gewässer!«

      »Was lässt Euch annehmen, es könnte mein letzter Kampf sein?« Das Wasser blubberte leise, als die samtweiche Stimme der Gottheit erklang. Zunächst war nichts zu sehen, außer Luftblasen, die über die klare, unbewegte Oberfläche des Wassers immer weiter zum Ufer gelangten. Dann erschien ganz langsam ein Scheitel mit dunklem Haar aus dem Wasser. Die junge Frau, die langsam dem See entstieg, war das genaue Ebenbild der weiblichen Seite der Statue. Groß, graziös, schlank. Anmutig und weich. Wunderschön. Zu schön um sterblicher Natur zu sein. Dunkles, langes Haar, das trocken aus dem Wasser hervorkam, ganz anders als ihre vor Nässe triefende, blasse Haut, und die feuchte Tunika, die sich durchsichtig um ihren eleganten Körperbau schmiegte.

      Ein verwegenes Lächeln lag auf ihren Lippen, als sie aus dem Wasser trat und voller Triumph ihren vollständig geheilten Körper präsentierte.

      Er blinzelte ärgerlich. »Das ist kein gerechter Kampf.«

      »Ihr seid sterblich. Ich bin es nicht.« Sie lachte kehlig und ließ die Arme fallen. »Habt Ihr denn wirklich geglaubt, es wäre so einfach, König Lugrain?«

      Noch immer auf den Knien sitzend, streckte er den verletzten Schwertarm aus und zeigte mit der Spitze der Drachenflügelklinge auf ihre Gestalt. »Ich hätte dich schon beinahe besiegt!«

      »Beinahe«, stimmte die Gottheit zu, sie schlenderte um den Hain herum, raffte dabei ihre nasse Tunika, und hinterließ feuchte Fußabdrücke auf dem Gestein. »Aber jetzt stehen die Verhältnisse anders, richtig? Jede Wunde, die Ihr mir zufügtet, König, ist geheilt, aber Eure Wunden …«, sie hielt die Nase in die Luft