SILBER UND STAHL. Nicole Seidel

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Название SILBER UND STAHL
Автор произведения Nicole Seidel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738096156



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der Soldat gereizt.

      "Laut Loredo darf niemand mich aufhalten!" sagte Geralt und unterstütze seine Worte mit dem beeinflussenden Axii-Zeichen.

      "Oh, ich hab überhaupt nichts gesagt", gab ihnen der Wachposten kleinlaut den Weg zum Hafen frei. Als sie durch waren, verschloss dieser den Durchgang mit einem Karren.

      "Dieser miese kleine Dh'oineling hier. Solche töte ich am liebsten. Das ist wie Unkraut jäten." Für einen Elfen legte Iorweth ungewöhnlich viel Hass in seine Stimme.

      "Ein schlichtes Danke hätt's auch getan", erwiderte Geralt trocken.

      "Du bist doch mein Held."

      Am Anlegesteg begegneten ihnen weitere Wachsoldaten von Loredo. Der Tag hatte sich durch den Regen so verdunkelt, dass das Unwetter eine willkommene Deckung abgab.

      Auch hier wurde Geralt nach dem "Wohin?" gefragt und der Hexer antwortete mit der Lüge "Befehl von Loredo" und man ließ die beiden Männer problemlos passieren.

      Kaum auf der Barke angekommen, flüsterte Geralt Iorweth ins Ohr: "Ich die linke Seite, du die rechte."

      Ein dicker Soldat griff sich den gebundenen Elfen und wollte ihn unter Deck in die Verliese bringen, als ihn sich Iorweth auf die Schultern stemmte und über die Reling wuchtete.

      Zeitgleich hatte Geralt ein Schwert gezogen und durchbohrte damit einen nächstnäheren Wach-soldaten. Mit einem Kopfstoß befreite er die Waffe aus dem Toten und warf es einem anderen Angreifer in die Brust.

      Derweil hatte sich Iorweth von seinen Fesseln befreit und zog das geworfene Schwert aus dem Sterbenden.

      Die beiden Kämpfer standen alsbald Rücken an Rücken und stellten sich den verbliebenen sechs Wachsoldaten auf dem Schiff. Der Kampf dauerte nicht lange, die geübten Krieger hatten Loredos Soldaten schnell überwältigt.

      Iorweth gab ein Zeichen und aus den Verstecken am Ufer liefen seine Scoia'taelkrieger herbei und töteten die restlichen Soldaten, die am Anlieger patroulierten. Der Regen gab ihnen zudem genügend Deckung, um nicht von der Siedlung gesehen zu werden. Er ließ allmählich nach, als die Elfenkrieger die Barke geentert hatten.

      Vom sicheren Hafen aus, hatten einige Bewohner Flotsams den Kampf beobachtet und schwangen wütend die Fäuste - wagten es aber nicht einzugreifen.

      Da bemerkten sie das Licht im Zollturm am Hafen.

      Loredo stand mit einer Elfin ganz oben und schrie hinunter: "Ich wusste, dass du mit denen paktierst, Mutant. Fühlst dich wohl als Held, nicht wahr. Legt ihr ab, verbrenne ich diese Huren bei lebendigem Leibe."

      Iorweth trat neben Geralt an die Reling. "Wir segeln. Unsere Frauen sind bereit zu sterben."

      Die Elfen zogen bereits den Anker ein. Loredo stieß die Elfin in den Turm zurück und warf die Fackel, die er bis dahin noch in der Hand gehalten hatte, aufs Dach. Trotz des vorausgegangenen Regens, entzündete sich das feuchte Holz, Schuld war das hartnäckig-brennende Pech, das die spuckende Fackel dort verteilte. Loredo hingegen brachte sich eilig in Sicherheit.

      Geralt zögerte, schätzte wohl seine Erfolgschancen ab. "Ich werde das nicht zulassen!" Der Hexer sprang über die Reling auf den Anlegesteg, von dem sich die Barke bereits entfernte.

      "Bloéder Dh'oine", murmelte Iorweth und sah Geralt nach, der zum Turm eilte. Wer ihn unterwegs aufhalten wollte, bekam seinen scharfen Stahl zu spüren.

      Iorweth befahl das Schiff zu stoppen. Er wartete und hoffte. Doch vorerst weitete sich das Feuer im Gebälk des Zollturms weiter aus und die ersten Schreie der darin gefangenen Elfenfrauen drangen an ihre spitzen Ohren. Iorweths Griff um das Holz der Reling wurde fester. Minuten des bangen Hoffens vergingen gnadenlos.

      Endlich machte er auf der Plattform eine Bewegung aus. Drei Elfinnen stolperten hustend hervor und stürzten sich ins rettende Nass.

      Der Turm brannte inzwischen lichterloh, als eine vierte Gestalt durch das Feuer brach und sich ins Hafenbecken stürzte.

      Der Hexer hatte es geschafft.

      Iorweth fischte den Hexer und die drei geretteten Elfenfrauen aus dem Wasser.

      "Loredo ist entwischt", brummte Geralt.

      "Der kommt nicht weit. Wenn ihn nicht ein Einheimischer erledigt, dann jemand anders. Es spielt keine Rolle. Du hast unsere Frauen gerettet. Wir stehen in deiner Schuld."

      "Hilf mir den Königsmörder und Triss zu finden, dann sind wir quitt."

      Iorweth blickte zu seinem neuen mächtigen Freund und nickte. "Auf nach Vergen. Wir legen ab!"

      Da fiel Geralt noch etwas anderes ein. "Konnte Vernon Roche ungehindert ablegen?"

      "Ihm fehlt nichts. Wir haben ein bisschen geplaudert, stell dir vor. Aber es sollte dir klar sein, er konnte nur ziehen, weil ich es zugelassen habe."

      Iorweth erinnerte sich, er war dem Kommandanten der "Blauen Streifen" nach dem Vorfall in den Elfenruinen ein weiteres Mal begegnet.

      Auf einer kleinen Waldlichtung hatte Roche ihn bereits mit gezogener Waffe erwartet.

      Iorweth trat aus dem Dickicht und zog seine eigene Elfenklinge. Kurz belauerten sich die Kontrahenten, dann stürmte der Scoia'tael-Anführer los.

      Heftig und unerwartet kurz war der Kampf, als Iorweth Roches Deckung durchbrach und ihn niederstach. Der Mann stürzte zu Boden.

      "Temerische Spezialverbände", begann Iorweth seine Triumpfrede und kniete sich neben den Verletzten. "Nach dem ersten Nilfgaardkrieg von Foltest zur Bekämpfung der Scoia'tael aufgestellt. Veteranen. Fachleute. Die Besten der Besten. Es ist aus, Roche. Siehst du diese Schilde?" Der Elf tippte an die gesammelten Embleme an seiner Brust. Trophäen. "Mir fehlen nur noch die Temerischen Lilien. Ich habe die Anführer aller Spezialverbände im Norden besiegt. Jetzt kann ich die Scoia'tael einen."

      "Bringen wir's hinter uns."

      "Ich werde dich nicht umbringen, Roche. Aen Seidhe töten nicht die letzten Vertreter einer aussterbenden Gattung." Der Elf erhob sich. Das ist nicht der einzige Grund warum ich dich Dreckskerl am Leben lasse, dachte Iorweth, vielleicht kannst du mir irgendwann einmal von Nutzen sein? "Leb weiter und vergiss nie, wer dich besiegt hat. Denn ich kann es ein zweites Mal tun." Der Elf steckte sein Schwert zurück in die Scheide und verließ den Verwundeten. "Va'fail, Vernon Roche."

      "Du machst einen Fehler, Iorweth. Ich werde dich finden", rief ihm Roche hinterher.

      Iorweth hoffte, dass der Kommandant sich irren mochte und er diesen Gnadenzug nie bereuen musste.

      Unterwegs nach Vergen erfuhr Geralt von Iorweth, warum er dem Pontartal zur Hilfe eilen wollte.

      Nach Demawends Tod hatte Henselt, König von Kaedwen eine Armee an die Grenzen Aedirn marschieren lassen, um sich das rebellische Pontartal unter den Nagel zu reißen. Ihm stellte sich eine tapfere Jungfrau in den Weg. Ihr Name war Saskia, die Drachentöterin. Und ihr zur Seite stand die mächtige Zauberin Philippa Eilhart. Die Zwergenstadt Vergen war ihr Machtzentrum.

      Ciaran aep Easnillien hatte mit ihr Kontakt aufgenommen und war von der Tapferkeit und dem Idealismus der Jungfrau von Aedirn tief beeindruckt gewesen. Das war kurz bevor der Scoia'tael auf die Königsmörder gestoßen war.

      Nun träumte Iorweth von einer freien Elfennation im Pontartal. Sah die Drachentöterin und ihre Rebellen als nützliche Verbündete. Und sicher konnten die Verteidiger seine Hilfe gut brauchen. Schließlich konnte der Elf eine Armee von einigen Hundert Bogenschützen aufweisen - und Elfen waren bekannt für ihren meisterlichen Umgang mit Pfeil und Bogen.

      Doch vorerst segelte Iorweth mit einhundert Scoia'tael aus den östlichsten Wäldern Temeriens auf dem Grenzfluss, dem Pontar, gen Osten. Nach nur einem Tag würden sie ihr Ziel erreicht haben.

      Die Zwergenstadt Vergen lag jedoch in einem schluchtenreichen Gebiet Ober-Aedirns und an den Ufern direkt unterhalb, lagerte der Feind aus Kaedwen. Sie mussten die Barke in einem sicheren Versteck zurücklassen.

      Eine