Название | Der tote Hund in der Dachrinne |
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Автор произведения | Axel Birkmann |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847607939 |
Melanie Schütz drehte sich um und blickte Alois Kreithmeier streng von der Seite an. Dieser fuhr ruhig weiter und schaute nach vorne auf die Straße. Er spürte ihren Blick. Er hatte gerade den Finger in eine offene Wunde seiner Kollegin gebohrt, eine der wenigen schwachen Stellen der Kommissarin. Sie drehte sich sofort wieder um. Er war froh, dass sie nicht auf seine dumme Bemerkung einging. Die letzte Nacht war für sie wohl auch nicht so gut gelaufen. Sie hatte sicher noch die Ausgehfummel vom gestrigen Abend an: Minirock, enge Bluse, hochhakige Pumps. Sie hatte noch keine Zeit gehabt, sich zu Hause umzuziehen, wahrscheinlich war sie noch nicht einmal zu Hause gewesen, kam vielleicht sogar direkt von ihrem Date.
»Soll ich Sie kurz nach Hause fahren, dann könnten Sie sich noch umziehen?«
»Nein. Nein. Passt schon. Aber noch einmal, wie kommt ein Dackel auf ein so hohes Dach?«, schweifte sie sofort vom Thema ab.
»Das weiß ich nicht. Wir sollten auf die Spurensicherung warten, was die alles herausgefunden haben.«
»Auf jeden Fall. Aber dieser versuchte Einbruch. Wenn es denn überhaupt einer war? Da macht sich einer die Mühe und schneidet ganz vorsichtig ein Loch in die Fensterscheibe. Ich wüsste nicht einmal, wo ich das entsprechende Werkzeug herbekomme. Dann öffnet er leise die Tür, ohne dass die schlafenden Hausbewohner etwas mitbekommen, und dann nimmt er nichts weg, rein gar nichts. Entweder sie haben nichts bemerkt oder sie lügen.«
»Die Einbrecher sind gestört worden. Wahrscheinlich von dem Hund. Dann sind sie schnell abgehauen, haben den Hund aber vorher noch zum Schweigen gebracht.«
»Getötet? Aber ja, das könnte sein. Es klärt aber immer noch nicht den Tatbestand wie der tote Dackel in die Dachrinne kommt. Oder? Und wenn diese Töle die Einbrecher entdeckt hätte, müsste er doch gebellt haben, dass bekommt jeder im Haus mit und vielleicht sogar die Nachbarn. Wer hat die Nachbarn eigentlich befragt, Kreiti?«
Er hasste es, wenn sie Kreiti zu ihm sagte, er biss sich auf die Lippen und antwortete: »Damit habe ich Polizeiwachtmeister Dallinger beauftragt. Er wird uns heute Nachmittag alles erzählen.«
»Aber wie kommt dieser Hund, wie hieß der noch mal, aufs Dach?«
»Joschi!«
»Was für ein komischer Namen für einen Hund. Heißen die Dackel bei euch in Bayern nicht alle Waldi, Wastl oder Max. Aber Joschi. Was für einen Namen? Joschi?«
»Der Name kommt von Joshua. Ein davon abgewandelter Spitzname.«
»Wer nennt denn seinen Hund Joshua?«
»Keine Ahnung.«
»Wer kam denn bei deinem Hund auf den Namen Gizmo. Und was bedeutet das?«
»Den Namen hat der Vorbesitzer ausgesucht. Ich habe den Hund aus dem Tierheim. Gizmo ist der Name für einen Mogwai.«
»Ein Mogwai? Was soll das denn sein?«, lachte sie.
»Ein kuscheliges Wesen mit Fledermausohren. Aus einem Kinofilm in den 80 er Jahren. Gremlins hieß er. Kleine Monster. Ist bei euch wohl nicht im Kino oder Fernsehen gelaufen?«
Melanie Schütz blickte ihn wieder streng an.
»Ein Mogwai ist ein Fabelwesen«, fuhr er fort, »das sich leicht in ein Monster, in ein Gremlin verwandeln kann.«
»Hä?«
»Ja, wenn man ihm nach Mitternacht etwas zu essen gibt oder ihn mit Wasser bespritzt.«
»Aha! Und dann?«
»Dann werden die kuscheligen Mogwai zu Monstern. Sie vermehren sich und zeigen große Vorliebe für Zerstörung, Panik, Vandalismus und Chaos.«
»Also ganz so wie dein Hund, Alois. Jetzt verstehe ich es. Das macht Sinn.«
»Blödsinn! Mich wundert nur, dass Sie nicht schon früher mal danach gefragt haben.«
»Nach was?«
»Na, nach den Namen.«
»Ich habe mir bei dem Namen nichts gedacht. Und Gizmo und ich verstehen uns gut. Gell Gizmo.«
Melanie drehte sich nach hinten und kraulte Gizmo das Fell im Nacken. Es gefiel dem Hund, er wedelte mit seinem Stummelschwanz und gab Geräusche des Wohlfühlens von sich.
»So wir sind da. Polizeiinspektion Freising. Alles aussteigen.«
Gizmo hatte sofort bemerkt, dass sein Herrchen auf den Parkplatz des Polizeireviers gefahren war. Er stand auf seinen Beinen, bellte und wollte aus dem Auto.«
»Ja, ja, ich komme ja gleich«, rief Kreithmeier und öffnete die Fondtür. Gizmo nutzte die Gelegenheit und sprang mit einem Satz aus dem Wagen. Sofort rannte er zu Melanie und holte sich ein paar zusätzliche Streicheleinheiten ab. Kreithmeier murmelte nur »Verräter« und schritt voran.
Der wachhabende Polizist öffnete ihnen die Tür, dabei lächelte er die drei schelmisch an. Obwohl Gizmo den Wachhabenden freudig anbellte, konnte Kreithmeier einige verächtliche »Wau, Wau, Wauwau« aus dem Mund des Polizisten nicht überhören. Aha, dachte er, ohne darauf zu reagieren, es war also auch schon in die Haydstrasse vorgedrungen, dass der Leichenfund am frühen Morgen nicht menschlich gewesen war. In so einer kleinen Stadt wie Freising blieb nichts verborgen. Und die Leute von der Feuerwehr waren dafür berühmt, dass nicht nur ihr Wasserschlauch recht locker saß, sondern auch ihre Gosch.
Kreithmeier zwängte sich durch die schwere Eingangstür und hielt sie galant für seine Kollegin und seinen Hund offen, dann drehte er sich Richtung Treppenhaus, nicht ohne dem Polizisten noch kurz den Mittelfinger gezeigt zu haben. Der lachte nur laut auf und sprach sofort zu einem der Kollegen hinter der Panzerscheibe. Er hatte mit seiner Bemerkung Erfolg gehabt, das hatte die Reaktion des Kriminalhauptkommissars gezeigt.
Das Büro der Kriminalabteilung lag im ersten Stock des Verwaltungsgebäudes. Die beiden Kommissare unterhielten zusammen ein großes Büro mit zwei Schreibtischen, einen Vernehmungsraum und eine kleine Teeküche mit Kaffeemaschine und Mikrowelle. Der Kaffee war genießbar und besser als der Automatenkaffee der Bereitschaft. Die Mikrowelle benutzte hauptsächlich Melanie Schütz für ihre diversen Convenience Produkte aus dem Supermarkt.
Gizmo lief zum Schreibtisch seines Herrchens und legte sich auf seine Decke. Er leckte sich die Pfoten und den Schritt, dann gab er Ruhe und beobachtete, was die beiden Menschen taten.
Kreithmeiers erste Tat im Büro war es die Kaffeemaschine einzuschalten. Hatte die Feuerwehr ihn doch heute aus seinem alltäglichen Morgenritual herausgerissen. Aufstehen, Zähne putzen, Waschen und Rasieren, Anziehen, dann mit Gizmo Gassi gehen, dann wieder zu Hause einen heißen Kaffee und zwei Scheiben Toast mit Marmelade genießen, das Freisinger Tagblatt lesen und eine Zigarette auf dem Balkon rauchen. Bis zum Gassi gehen und einer Zigarette an der frischen Luft war er gerade noch gekommen. Frühstück und Zeitung waren untergegangen. Und nicht wieder aufzuholen. Und wie er den blinden Aktivismus seiner Kollegin einschätzte, wurde jetzt die Planungstafel ins Büro geschoben, Zettel und Bilder darauf befestigt und mit abwaschbaren Filzstiften Linien und Pfeile dazwischen auf das White Board gezogen. Den ganzen Mist kannte sie entweder von der Thüringer Polizeischule oder aus dem Fernsehen: Aus ihren Lieblingssendungen Navy CIS oder CSI Miami oder aus dem Tatort. Seine bevorzugten Fernsehermittler, die Rosenheim Cops oder der Bulle von Tölz, brauchten diesen modischen Schnickschnack nicht. Die kamen immer nach 45 Minuten durch Fragen, Observieren oder Analysieren zum Erfolg. Die klassische Arbeitsweise der Kriminalpolizei.
Selbst auf die beiden von der Spurensicherung wollte er sich im Notfall nicht verlassen. Rainer Zeidler sah aus wie der ewige Student, nur nicht mehr so jung. Seine langen Haare trug er in einem Zopf, wahrscheinlich schon 30 Jahre lang. Niemand der Dienststelle konnte sich ihn ohne lange Haare vorstellen. Sie waren immer mit einem Gummiring sauber nach hinten zu einem Zopf gebunden. Zeidler war seit vielen Jahren bei der Spurensicherung. Er hatte vor der Polizei in der Qualitätssicherung von Weihenstephan gearbeitet. Damals hatte er noch dafür gesorgt, dass die gute Weihenstephaner Milch