Название | Und Gott schaut zu |
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Автор произведения | Erich Szelersky |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783737522106 |
Anton rannte zur Tür. Der Pfarrer hinter ihm her, blind auf ihn einprügelnd. Anton riss die Tür auf. Der Seelenhirte stellte einen Fuß davor, doch er konnte nicht verhindern, dass Anton die Tür einen Spalt gerade so weit öffnete, dass er hindurch schlüpfen konnte. Mit einem lauten Krachen schlug die Tür zu. Der Pfarrer wandte sich den in der Klasse verbliebenen zu.
»Wer sagt jetzt das Glaubensbekenntnis auf?« Keiner meldete sich. Allen steckte der Schreck des Erlebten noch in den Gliedern.
»Fritz! Sag Du uns das Glaubensbekenntnis auf!«
Fritz stand auf. Er war schon zehn und etwas größer als die anderen. Mit vor Angst bleichem Gesicht begann er, das Glaubensbekenntnis aufzusagen.
»Ich glaube an Gott den Allmächtigen, Schöpfer des.«
»Was?« brüllte Broszka. »Den Allmächtigen!« Er schlug sofort mit dem Stock zu.
»Den allmächtigen Vater, verstehst Du, den allmächtigen Vater!« Dabei schlug er auf Fritz ein. Fritz drehte sich um und rannte ein paar Schritte weg. Der Pfarrer blieb stehen, mit hochrotem Kopf nach Luft ringend.
»Wer von Euch kann das Glaubensbekenntnis richtig aufsagen?« Gottfried hob die Hand.
»Gottfried! Willst Du das Glaubensbekenntnis aufsagen? Du kennst das doch, da bin ich mir sicher.« Gottfried von Severin war der Sohn einer angesehenen Industriellenfamilie und besaß so etwas wie Artenschutz. Der cholerische Priester verschonte ihn immer, wenn er in seinem Jähzorn auf die seine übrigen Schüler eindrosch. Die anderen Jungen in der Klasse wussten, dass Gottfried einen besonderen Schutz genoss. Seine Familie war wohlwollender Spender für die Kirche und Gemeinde des Pfarrers; das war das eine. Sie war aber auch einflussreich und Pfarrer Broszka wollte sich nicht mit den von Severins anlegen.
»Herr Pfarrer, der Vespergottesdienst beginnt gleich.« Pfarrer Broszka zog seine Taschenuhr aus der Westentasche seines schwarzen Anzugs, sah darauf und nickte.
»Ja, es ist Zeit. Morgen zum Kommunionunterricht könnt Ihr alle das Glaubensbekenntnis! Und wehe nicht!«
Damit war der Kommunionunterricht an diesem Tag beendet. Als Pfarrer Broszka gegangen war ging Gustav zu Anton.
»Tut‘s weh?« Anton nickte wortlos. Gustav hätte ihm gerne geholfen, doch er wusste nicht, was er sagen sollte. Die anderen Kinder saßen ebenso schweigend auf ihren Stühlen. Sie kannten die Wutausbrüche des Pfarrers und fürchteten sich vor ihnen.
»Muss ein Pfarrer eigentlich auch beichten?«
Die anderen schauten auf, als Gustav diese Frage stellte. Keiner wusste die Antwort. Bis zur ersten Kommunion waren es nur noch ein paar Wochen und Pfarrer Broszka hatte ihnen die Bedeutung der Beichte in den vergangenen Wochen eindringlich erklärt. Gustav gab sich die Antwort selbst.
»Sicher nicht, denn Prügeln ist ja keine Sünde.«
Die ewige Verdammnis
Die Hölle muss etwas ganz Schlimmes sein. Dies jedenfalls hörten die achtjährigen Jungen und Mädchen an jedem Tag im Kommunionunterricht. Und sie hörten auch, wie sie verhindern konnten, dort einmal zu enden. Für Gustav war es eine furchterregende Vorstellung, in der Hölle sein zu müssen und es kam immer wieder vor, dass er nachts, von Albträumen geplagt, aufwachte und schweißgebadet im Bett lag. Pfarrer Broszka hatte ihnen erklärt, dass sie bald an der Eucharistiefeier teilnehmen würden und sich durch die vorangehende Beichte von aller Sündenlast befreien könnten. Gustav wollte dies ja gerne tun, nur wusste er nicht so recht, was er beichten sollte. Wirkliche Sünden hatte er nicht begangen. Er hatte auch nicht das geringste Empfinden von Schuld.
Am Freitag vor dem weißen Sonntag, an dem er mit den anderen seiner Klasse zum ersten Mal zur Kommunion gehen würde, ging er mit gemischten Gefühlen in die Kirche, um zu beichten. In der Kirche herrschte reger Betrieb. Vier Beichtstühle waren besetzt, und vor jedem knieten die Gläubigen und warteten darauf, die Beichte ablegen zu dürfen. In den Bänken vor dem Beichtstuhl von Pfarrer Broszka knieten die Kommunionkinder. Vorsichtig zog Gustav einen Zettel aus seiner Hosentasche. Er hatte sich aufgeschrieben, was er sagen wollte, doch es war nicht viel dabei herausgekommen, so sehr er sich auch mühte. Schließlich hatte er die zehn Gebote aufgeschrieben und neben ein jedes Nein geschrieben. Als er den Zettel ansah kamen ihm Zweifel. Hast Du wirklich nicht gesündigt? Irgendeine Sünde musste er doch gemacht haben. Und wie sah das denn aus, wenn er ohne Sünde in den Beichtstuhl ging. Er hatte auch ein wenig Angst, Pfarrer Broszka könne ihn der Lüge bezichtigen und vielleicht aus dem Beichtstuhl prügeln.
Gustav konnte an nichts anderes mehr denken. Er zermarterte sich das Hirn, und schließlich schrieb er hinter ‚Du sollst den Feiertag heiligen‘ eine eins und ebenso hinter ‚Du sollst nicht falsch Zeugnis ablegen‘. Einmal nicht in den sonntäglichen Gottesdienst gegangen zu sein und einmal gelogen zu haben wollte er als Sünde angeben.
Nach und nach verschwand ein Kinder im Beichtstuhl, um nach ein paar Minuten mit gefalteten Händen wieder herauszukommen und in einer Bank zur Buße zu verschwinden. Endlich war Gustav dran. Er ging in den Beichtstuhl und kniete nieder. Vor Aufregung vergaß er, sich zu bekreuzigen. Erst als er ein ungeduldiges »Und« hörte machte er das Kreuzzeichen.
»Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen«.
Mit den Wortes »Gott, der unser Herz erleuchtet, schenke Dir wahre Erkenntnis Deiner Sünden und seiner Barmherzigkeit«, forderte Pfarrer Broszka Gustav auf, ihm seine Sünden zu nennen. Das Rascheln des Zettels in Gustavs Hand war nicht zu überhören. Gustav musste genau hinschauen, denn im Beichtstuhl war es ziemlich dunkel. Die schwarzen Vorhänge verhinderten nicht nur, dass jemand von draußen den Beichtenden sehen konnte; sie ließen auch kein Licht durch.
Gustav spulte Gebot für Gebot herunter, um jeweils, bis auf die beiden, die er ausgewählt hatte, Nein zu sagen. Pfarrer Broszka hörte sich das an, bis Gustav mit einem »Dies sind meine Sünden. Ich bereue sie von Herzen«, geendet hatte.
»Sonst hast Du keine Sünden begangen, mein Sohn?«
»Nein, keine«, war Gustavs Antwort.
»Nichts gestohlen?« Es kam häufiger vor, dass die Kinder schon mal einen Apfel von einem Marktstand mitgehen ließen.
»Nein.« Gustav hatte nichts mehr hinzuzufügen, doch der Pfarrer ließ nicht nach.
»Keine unkeuschen Gedanken gehabt. Nicht mal an Dir herumgespielt?«
Gustav verstand nicht sofort. Doch dann verneinte er auch diese Frage, und er hatte ein gutes Gewissen dabei. Der Pfarrer entließ ihn mit der Auflage, zur Buße zwei
‚Vater unser‘ und ein ‚Gegrüßet seist Du Maria‘ zu beten. Erleichtert verließ Gustav den Beichtstuhl. Am Morgen der ersten heiligen Kommunion war er schon früh von seiner Mutter geweckt worden.
»Heute sollst Du Gott gefallen, Gustav. Es ist der größte Tag in Deinem bisherigen Leben. Du darfst zum ersten Mal Jesus Leib empfangen.« Seine Mutter lächelte ihn an, als sie ihm diese Worte sagte. Der dunkle Anzug, den er trug, war ihm noch zu groß. Er hatte ein weißes Hemd an und eine schwarze Schleife. In seiner rechten Hand hielt er eine große Kerze. Vor der Kirche hatten sich die Kommunionkinder in einer Zweierreihe aufgestellt. Es war kalt und sie froren in ihren kurzen Hosen und den weißen Kleidchen, die die Mädchen trugen. Auf ein Kommando setzte sich der Zug in Bewegung. Die Kirche war bis auf den letzten Platz gefüllt. Durch das Mittelschiff zogen sie gemächlichen Schrittes in die Kirche ein. Maria