Название | Theo Retisch |
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Автор произведения | Martin Cordemann |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738004489 |
Ich nahm eine durchsichtige Tüte aus der Tasche und stülpte sie über die Hand.
„Was machen Sie da?“
„Beweise sichern“, murmelte ich.
Im Hausflur wurde es laut. Die Spurensicherung kam.
„N’abend, Retisch.“
„Abend, Meier.“
„Schon so früh hier?“
„War in der Gegend.“
„Was ham wir hier?“
„Möglicherweise Selbstmord.“
„Aha. Haste mal ne Kippe?“
„Klar.“
Ich reichte ihm eine.
„Danke.“
„Ist übrigens n Bekannter. Dieter Werkel.“
„Ah, dann hat’s also diesmal keinen falschen getroffen!“
„Mein Reden.“
Ich gab ihm Feuer.
„Wenn ihr was findet, sagt mir Bescheid.“
„Ist okay.“
Meier öffnete seinen großen Koffer und machte sich an die Arbeit.
Ich sah mir die Wohnung an.
Durchsuchte sie professionell.
Das was ich suchte fand ich nicht.
Alles war recht aufgeräumt.
Ordentlich.
Das Bett gemacht.
Die Wäsche gewaschen.
Sauber im Schrank gefaltet.
Die Handtücher hingen glatt über den Stangen.
Der Zahnputzbecher war trocken.
Die Badewanne geputzt.
Der Aschenbecher kaum benutzt.
Am Anrufbeantworter blinkte ein Lämpchen.
Der Fußboden war makellos.
Außer in der Küche.
Wo seine Leiche lag.
Und blutete.
Ein ordentlicher Mensch.
Ein Arschloch zwar, ein Verbrecher, aber ordentlich.
Und tot.
Ich drückte auf die Taste des Anrufbeantworters.
„Werkel, du miese Ratte! Dafür krieg ich dich am Arsch, du Schwein!“
Dann nichts mehr.
Ich holte die Kassette aus dem Gerät und verstaute sie in einer Klarsichthülle.
Dann ging ich zurück in die Küche.
Meyer war gerade beschäftigt.
„Zwei Kugeln“, murmelte er. „Die eine hat ihm das Gehirn zerrissen. Die andere steckt in der Küchenwand.“
„Schön“, meinte ich. „Sonst noch was?“
„Muss noch den Paraffintest machen. Dann kann ich dir sagen, ob er selbst geschossen hat.“
„Okay.“
„Retisch.“
„Hmm?“
Ich sah ihn fragend an.
„Was meinst du?“
„Ob das Selbstmord war?“
Er nickte.
„Wie groß sind die Chancen? Ich meine, er liegt in der Küche. Gut, vielleicht wollte er seinen teuren Wohnzimmerteppich nicht voll bluten, aber ansonsten?“
Ein elektrisches Geräusch ertönte.
Aus dem Wohnzimmer.
Meier sah mich fragend an.
Ich wusste es auch nicht.
Wir sahen nach.
Der Videorekorder war angesprungen.
Ziemlich veraltet, so was hatte heute kaum noch jemand.
Werkel zeichnete etwas auf.
Vielleicht wollte er sich das nach seinem Tod ansehen?!
Ich schaltete den Fernseher ein und suchte den Videokanal.
Es lief die neue Samstagabendshow der ARD: „Veronas Kaffeekranz“.
Aus irgendeinem Grund wurde sie jetzt montags ausgestrahlt.
Ich seufzte.
„Er war nicht nur ein mieser Arsch, er hatte auch einen scheiß Geschmack!“
Ich deutete auf den Rekorder.
„Der kommt auch ins Labor. Findet heraus, ob er noch was anderes aufnehmen wollte. Etwas anderes, das er sich dann im Jenseits ansehen wollte.“
Meier nickte.
„Sag mal, hast du hier Zigaretten gesehen?“
„Wieso?“ fragte Meier. „Hast du welche verloren?“
„Nein.“ Ich ließ meinen Blick durchs Wohnzimmer gleiten. Kein Aschenbecher. Keine Zigaretten. „Aber der Aschenbecher in der Küche macht einen kaum benutzten Eindruck, oder?“
Wir gingen zurück in die Küche.
Der Aschenbecher war benutzt worden.
Es fand sich ein wenig Asche darin.
Aber keine Kippe.
Wir stellten die ganze Wohnung auf den Kopf.
Zigaretten fanden sich keine.
„Gut.“ Ich steckte mir eine an. „Damit gehört dieser Laden ganz dir.“
Ich trat hinaus auf die Straße. Eisige Luft umfing mich. Ich schlug den Kragen meiner Jacke hoch. Jetzt noch ins Präsidium, den Papierkram erledigen und dann war Schluss für heute. Ich machte mich auf den Weg.
Einen langen Weg.
Auf die andere Rheinseite.
Nach Kalk.
Wer kam auf die Idee, ein Polizeipräsidium so weit vom Schuss aufzubauen?
Scheiß Bürokraten!
Als ich endlich im Präsidium angekommen war, lief mir die Fleisch gewordene Antipathie über den Weg. Volker Klaus Weber, Leiter des Drogendezernats. Er hatte einen schnäuzerlosen Bart rund ums Gesicht und die dazu passende Kapitänsmütze auf dem Kopf. Sah aus wie ein Troll mit Segelschein. In seinem Fahrwasser schlingerte der Spacken vom Dienst, Ilja Raap, ebenfalls Drogendezernat.
„Na, Jungs! Laufen die Drogengeschäfte gut?“
Weber blieb stehen und sah mich kalt an.
„Was geht Sie das an, Retisch? Sie arbeiten nicht mehr für uns!“
Was zu einem Großteil an ihm lag.
Wer arbeitet schon gerne mit einem absoluten Arschloch zusammen?
Ich nickte und lächelte.
„Und Sie haben mich auch gerade wieder daran erinnert, warum das so ist!“
„Kommen Sie, Raap“, fauchte Weber seinen Lakaien an. „Wir haben noch was zu tun? Und wo haben Sie eigentlich die ganze Zeit gesteckt? Hab n paar Mal versucht, Sie zu erreichen!“
„Ermittlungen.“
„Das können Sie Ihrem Arsch erzählen, Raap!“
Es gab Menschen, die musste man einfach lieb haben.