BÖSE im Bett. Andrea Lieder-Hein

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Название BÖSE im Bett
Автор произведения Andrea Lieder-Hein
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847642756



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      Mia schaute ein letztes Mal auf FEEs Grab. Genau an ihrem Geburtstag geboren. Schade, sie hätte FEE gerne kennen gelernt. Nur neun Jahre durfte sie leben. Furchtbar. Aber alle hatten sie lieb, und sie hatte ein Pony bekommen. Ihr Traum war in Erfüllung gegangen, wenn auch auf makabre Art.

      Noch lange wanderten Mias Gedanken um FEE und ihren tragischen Tod, bis sie endlich über den Karkpad zurück zum Pfarrhaus eilte. Durch die Scheiben des Gemeindehauses konnte sie ihre Mutter sehen, wie sie sich auf den Chorabend vorbereitete. Donnerstags war immer Frauenchor. Im Vorbeigehen winkte Mia ihrer Mutter zu. Insgeheim wünschte sie sich, dass sie am Freitag niemand ab 23:45 Uhr vermissen würde, wenn sie mit ihren Mitschülern in der Leichenhalle hinter der Kirche ihren 14. Geburtstag feiern würde. Vollmond, das war Voraussetzung, denn sie wollten einen Okkulten Abend feiern.

      005 Polizeiinspektion Aurich/Wittmund

      Eike Sonneboek wachte gegen sechs Uhr auf und dachte nur „Gott sei Dank FREITAG“. Dann duschte er, trank einen lauwarmen Pulverkaffee und fuhr zur Schule. Seit Februar unterrichtete er am Hans-Berger-Gymnasium in Wittmund Biologie und Sport. Er erinnerte sich mit Grausen an die erste Frage seines Schulleiters, als er seinen Dienst antrat. „Sie wissen sicher, wer Hans Berger war?“ Eike spürte ein mulmiges Gefühl, als er mit einem fragenden „Nein?“ antwortete. „Morgen wissen Sie es“, sagte der Direktor und schritt davon.

      Danach hatte Eike sich sofort mit seinem Smartphone im Netz informiert. <Hans Berger lebte von 1873 – 1941 und war der Entwickler der Elektroenzephalographie (EEG). Er war als Neurologe und Psychiater tätig und forschte daran, Hirnströme messen zu können. Seine Entdeckung wurde erst viele Jahre später gewürdigt. >

      Am folgenden Tag kam in der großen Pause der Direktor zu ihm und grinste. „Ich frage Sie jetzt natürlich nicht wie einen Schulbub ab. Ich weiß, dass Sie sich informiert haben. Wenn nicht, werden Sie es bei uns nicht weit bringen.“ Mit diesen Worten entschwand er wieder.

      ***

      Nils Lindström versuchte verzweifelt, mit der maroden Kaffeemaschine noch etwas Brauchbares zu kochen. Aber es funktionierte nicht.

       Wenn nachher die Neue kommt, dann kann die sich erst einmal um die Maschine hier kümmern. Frauen können doch gut mit Kaffeeautomaten umgehen.

       Ich glaub’ kaum, Nils, dass die Kommissarin zum Kaffee kochen hier eingestellt wurde.

       Ach, Egon, du nimmst mir allen Mut auf einen ordentlichen Kaffee. Wo kommt die her? Aus dem Ruhrpott?

       Gelsenkirchen.

       Ach du Schreck. Auf Schalke-Fan? Das fehlt noch gerade. Keinen Kaffee kochen können und Auf Schalke. Ist die strafversetzt? Von Gelsenkirchen nach Wittmund?

       Willst du behaupten, Wittmund sei eine Strafe? Nee, ich weiß nichts von strafversetzt. Die hat in Essen gearbeitet und in Gelsenkirchen gewohnt. Vielleicht mal ein Tapetenwechsel?

       Naja, warten wir’s ab. Wann kommt die?

       Ja, müsste bald eintrudeln.

       Und? Haste was gebacken, Reisig?

       Nee, Nils, nichts gebacken und keine Blumen. Aber Schreibtisch und Laptop besorgt.

       Und was ist nun mit meinem Kaffee?

       Jaul nicht rum. Geh’ eben zur Pizzeria am Markt und hol’ uns zwei Cappuccino auf meine Kosten.

       Nicht drei?

       Nein zwei. Erst mal sehen, wie sie ist.

       ***

      „Kollegen, es fällt mir schwer, aber Kommissarin Jana Drexeler hat die ausgeschriebene Stelle bei der Polizeiinspektion Wittmund angenommen und wird ihren Dienst dort ab Mitte Mai antreten. Bis dahin verbringt sie noch auf Norderney ihren wohlverdienten Resturlaub und studiert schon mal die niedersächsische Bevölkerung.

       Jana, wir bedauern das wirklich sehr. Du wirst uns fehlen, und wir hoffen natürlich, dass du als Fan nicht zu Hannover 96 wechselst. Naja, gewöhn’ dich erst einmal an die Mentalität der Niedersachsen. Sollen echte Sturköpfe sein. Nicht so, wie wir aus dem Pott.“

      Jana lächelte in sich hinein, als sie an die Abschiedsworte ihres Chefs im Polizeipräsidium Essen dachte. Sie hatte gerne dort gearbeitet und gerne in Gelsenkirchen-Buer gelebt, aber dann hatte sie sich doch für diese Stelle als Kommissarin in Wittmund beworben. Aus familiären Gründen. Nun war sie auf dem Weg dorthin.

      Das letzte Stück auf der B210 zeigte ihr eine völlig ebene, für sie fremde Landschaft. Neugierig streifte ihr Blick die ausgedehnten Weiden und kleinen Backstein-Häuschen am Straßenrand. Ein Wald tauchte auf und nur Minuten später erreichte sie Wittmund. Jana parkte ihren gelben Dacia Logan „Am Markt“ und lief die paar Meter bis zur Isumer Straße, ihrer neuen Dienststelle. Etwas aufgeregt betrachtete sie das schmucklose Gebäude. Dann drückte sie auf die Klingel an der Tür und der Summer gewährte ihr Einlass.

      006 Okkultismus-Party in der Leichenhalle

      Nachdem Mia den ganzen Freitagabend mit der Familie samt Oma Imme alte Fotoalben geguckt hatte und viele Baby-Fotos von ihr bestaunt worden waren, verabschiedete sie sich gegen 21 Uhr von allen und hoffte, dass auch der Rest der Familie bald ins Bett finden würde.

      Gegen 23:45 Uhr stieg Mia leise aus dem Bett, zog sich ihre alte Jeans und einen dicken Pulli an und nahm zwei Taschenlampen mit, für den Notfall. Zwar war die Leichenhalle vor fünf Jahren komplett renoviert worden, samt Klimaanlage, aber nachts war es doch erschreckend kalt in dem kleinen sechseckigen Gebäude aus Stein. Unten am Hauseingang nahm sie den Schlüssel zur Leichenhalle vom Schlüsselbrett und steckte ihn ein.

      Nachdem sie sich vom Vollmond geleitet über den Friedhof geschlichen hatte, schloss sie die stabile Holztür der Leichenhalle auf und tastete sich langsam weiter voran. Elektrisches Licht traute sie sich nicht einzuschalten. Das würde man eventuell vom Pfarrhaus aus sehen.

      In dem sechseckigen Raum war damals bei der Renovierung auf der gesamten Längsseite ein Betonsockel für bis zu fünf Särge angelegt worden. Er war rund 80 cm hoch und ideal für einen Geburtstagstisch. Mia hatte insgeheim befürchtet, es könne dort eine Leiche im Sarg stehen, aber Gott sei Dank war niemand in der Gemeinde gestorben. Mias Mitschüler hatten für diesen Abend den Auftrag, Essen und Trinken selbst mitbringen, und ein Kissen zum Sitzen.

      Auf den Sargsockel positionierte sie drei große Kerzen. Da die Fenster sehr hoch angelegt waren, bestand bei Kerzen nicht die Gefahr, dass deren Lichtschein im Haupthaus gesehen werden konnte.

      Um vier Minuten nach Mitternacht waren alle 28 Schüler eingetrudelt. Mia stellte sich auf den Sockel und erläuterte zunächst die Räumlichkeiten.

       Suppi, dass ihr alle gekommen seid. Ich erklär’ euch jetzt mal, wie wir uns gleich hinsetzten und was noch wichtig ist.

       Hier, der Sockel, auf dem ich stehe, der ist für die Särge gedacht. Da haben wohl zwei Gruppen Platz bei unserem Okkultismus-Geburtstag. Gegenüber könnten zwei Tische mit je sechs bis acht Stühlen stehen. Mehr gibt es hier auch nicht. Die sind dafür gedacht, wenn ältere gebrechliche Angehörige ihre Toten noch einmal besuchen, hier in der Leichenhalle.

       Es gibt zwei Tische, einen für die Bibel und einen für das Kondolenzbuch. Der zweite Tisch steht im Waschraum, für Handschuhe, Seife und son Kram. Den können wir leer räumen und