Название | Ich und der Fisch, der Fisch und ich |
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Автор произведения | Dorothea Doris Tangel |
Жанр | Зарубежная психология |
Серия | |
Издательство | Зарубежная психология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738004403 |
Wir hörten von einem Bekannten, der auf Koks losgerannt war und nicht mehr aufhören konnte zu laufen, weil man sich nicht mehr spürt und nach ein paar Stunden war er dann einfach tot umgefallen. Was ein sinnloses Leben, was ein sinnloser Tod!
Das gefiel mir auch nicht und nach ein paar Monaten, Tag und Nacht auf Koks musste ich einen Entzug machen weil unser Dealer in Urlaub gefahren war und ich keine Kohle für den teuren Stoff hatte.
Das war hart, aber je härter ein Entzug ist desto weniger vergisst man ihn. Ich habe immer einen kalten Entzug gemacht, wie es so schön heißt, ohne zu wissen was ich da tat und von einem auf den anderen Tag mit den Sachen aufgehört, alleine und ohne Hilfsmittel.
Diesesmal war ich zwar von den Umständen gezwungen, aber als ich die ersten 5 Tage hinter mich gebracht hatte sah ich auch die Welt wieder in Farbe und nach 5 Wochen hatte ich das Schlimmste überstanden. Vorher war alles nur noch schwarz/weiß gewesen. Ganz eigenartig. Innen wie außen. Alles war nur noch in grau, auch „Gefühlsmäßig“.
Richtig unheimlich! Die Hölle, jetzt auch in meinem Inneren. Tragbar sozusagen, ich hatte es nicht zu Hause bei meinen Eltern lassen können, ich musste es auch noch mitnehmen auf Reisen, wie einen Koffer. Ich habe mal gelesen, dass die Hölle nicht heiß sondern eiskalt sein soll. Stimmt. Die Hölle ist unsere Gleichgültigkeit, unsere Ignoranz und unsere Gefühlskälte.
*
Es gab eine lange Liste von Mitteln, chemische wie natürliche Substanzen die wir alle regelmäßig einpfiffen, um high zu sein und die so schöne Namen hatten wie blue velvet, echter Nepal, schwarzer Afghane, Rainbow, Angle dust oder Speed. Ich kannte gar keine nüchternen Leute und wenn ich alle Schaltjahre Mal auf so jemanden traf, verunsicherte mich das so sehr dass ich den Rest der Party kein Wort mehr herausbekam. Ich schämte mich entsetzlich, immer bedröhnt oder besoffen durch die Gegend zu tapsen.
Ich wollte nicht auffallen, um keinen Preis. Ein allzeit beliebtes Verhalten von Süchtigen, die immer denken, man rieche ihre Fahne nicht wenn sie nur schnell zu allem ja sagen, damit ihnen keiner zu Nahe kommt. Man wird irgendwie keine eigene Persönlichkeit wenn man immer breit ist, weil man ja die ganze Zeit versucht unsichtbar zu sein, nur damit man nicht erwischt wird, was nichts mit legal oder illegal zu tun hat.
Man fühlt irgendwie, ganz weit entfernt, dass es nicht richtig ist den ganzen Tag nur damit zuzubringen, zu zu sein. Das schlechte Gewissen ist ein ständiger Begleiter. Man ist ja auch immer abgelenkt und hat anderes zu tun als selbstbewusst zu werden und herauszukriegen, was man eigentlich denkt, fühlt, will und mag. Der Nebel im Kopf ist so dicht, dass man sich nicht sehen kann.
Man haut vor sich selbst und dem eigenen Leben ab. Aber all das wusste ich damals noch nicht. Ich kam aus einem Milieu, in dem keiner etwas von Pädagogik und Entfaltung der Persönlichkeit gehört hatte, um ein ausgeglichenes und erfülltes Leben herausfinden zu können. Warum bin ich hier und was kann ich in die Welt einbringen, um einen Beitrag zu leisten? Man will doch dazugehören. So ewig auf dem Abstellgleis herumzudümpeln, wo so gar nichts los ist, ist so langweilig. Es passierte da einfach nichts Aufregendes oder Faszinierendes. Ich wollte doch noch ein paar Abenteuer erleben und Rockstar werden und erleuchtet sein und fremde Welten entdecken…
Ich war aber ständig nur damit beschäftigt Ersatzhandlungen zu begehen und wusste nichts von dem Sinn der eigenen Talente, die ich immer nur zu betäuben suchte. Weil das was ich war, war nicht normal. Da könnt´ ja jeder kommen und glücklich sein wollen! Erwachsene vermittelten mir: auch wir hassen unsere Arbeit, warum soll es dir besser gehen?
Meine wahre Kraft war mir unbekannt und ich hatte eher Angst davor, weil ich Kraft mit Macht verwechselte und Macht und Stärke immer nur in schmerzhafter Form erlebt hatte. Sich immer schön ducken, dann saust der Boxhieb vielleicht am Kopf vorbei und wenn man sich nicht bemerkbar macht vergreift sich auch kein erwachsener Mann an dir.
Ich konnte meine Gefühle überhaupt nicht artikulieren, ich kannte sie nicht und etwas Entscheidendes, in meiner Entwicklung war völlig auf der Strecke geblieben. Immer schnell anpassen und nie widersprechen! Nur nicht auffallen und nie Streiten, damit man keine Reibung erzeugt oder jemand womöglich wütend wird, denn ich war ja immer schuld am Gemütszustand der anderen und dafür verantwortlich. Ich wollte doch nur dass man mich mag, das war mir das Wichtigste.
Ich definierte mich nur noch über die Gefühle anderer und war abhängig von ihrer Bestätigung und ihren Launen. Alles bezog ich auf mich und ständig hatte ich das Gefühl, wenn einer mal keine Lust hatte, ich hätte wieder alles falsch gemacht.
Ich war irgendwie kein eigener Mensch. Alleine war ich wie ausgeschaltet und ertrug mich nicht eine Minute. Ich wurde immer depressiver wenn gar keiner da war, um mich von meinen inneren, dunklen Zuständen abzulenken. Immer nett sein müssen war ein Zwang, der einen wahnsinnigen Druck in mir erzeugte. Aber ich glaubte damals tatsächlich dass man mich nur liebt wenn ich lieb bin.
Obwohl ich in einen Umfeld der Gewalt und des täglichen Streits aufgewachsen war, war es mir nie gestattet wütend zu werden, so dass ich eine völlig verkrüppelte Beziehung zu meinen eigenen Gefühlen entwickelte. Ich dachte, Ich wäre schlecht wenn ich sauer bin, aber ich kam nicht auf die Idee dass mit den anderes etwas nicht stimmte, weil sie ständig aggressiv auf harmloseste Kleinigkeiten reagierten. Die Verhältnismäßigkeit hatte keinen Bezug zur Situation.
Ich gewöhnte mir an jede unharmonische Stimmung in mir sofort wegzudrücken, denn das bedeutete möglichen Verlust und Einsamkeit, weil mich dann die Leute Ablehnen werden und ich wurde ein Meister des Pokerface.
Wenn ich verblutete, glaubte mir keiner dass ich einen Arzt brauchte, sogar Ärzte in der Notaufnahme behandelten mich wie eine Schwindlerin, weil es mir so in Fleisch und Blut übergegangen war keinen Dreck zu machen, nicht aufzufallen und immer erst Mal den Drachen zu besänftigen bevor ich mich um mich selbst kümmerte. Man störte ja nur.
Bei den größten Schmerzen hatte ich eine enorme Selbstbeherrschung und bei den kleinsten alltäglichen Dingen ratstete ich aus. Natürlich nur hinter verschlossenen Türen. Soll ja keiner sehen was ich wirklich denke. Bis ich mal offen zeigte, was mich (schon seit Monaten) störte, war dann alles so aufgetürmt, bis zum Horizont dass ich nur noch explodieren konnte, ohne mich beruhigen zu können. Dann brach jedesmal die Hölle über alle herein.
Ich hatte auch noch so eine laute, trainierte Stimme! Wer hatte damals schon eine gute Gesangsanlage? Ich musste mir immer die Seele aus dem Leib brüllen, um lauter als die Gitarren mit ihren 1000 Watt Verstärker und das Schlagzeug zu sein, nur um nach dem Auftritt zu hören dass keiner gemerkt hatte dass ich deutsch gesungen hatte.
Noch heute zucken die Leute zusammen wenn ich vor Begeisterung etwas lauter rede. Ich scheine lauter zu sein als die Sirene der Feuerwehr, so erschrocken wie mich alle dann immer anschauen. Nach diesen Wutausbrüchen (die nur alle 4 Jahre Mal vorkamen, wie ich immer betonte), redeten die Musiker nie mehr ein Wort mit mir und ich flog am nächsten Tag, wenn sie sich alle vor mir, dem Monster in Sicherheit gebracht hatten, in hohen Bogen aus der Band. Ich hatte verschissen bis in die Steinzeit, wie meine Mutter immer zu sagen pflegte. Sie waren völlig unvorbereitet erschüttert wie „unsanft“ ich sein konnte, wo ich doch vorher immer so ein sanftmütiges Gemüt an den Tag gelegt hatte. Ununterbrochen. Ich widersprach ja nie! Nein sagen war doch in meiner Welt verboten.
Ich denke, sie waren auch darüber geschockt dass auch ich eine andere Seite hatte, die vorher nie einer zu Gesicht bekommen hatte. Erst passierte wochenlang gar nichts und dann kam eine Überdosis Doris aus mir herausgebrochen! Eine wild gewordenen Fratze kam zum Vorschein, die die Leute zu Tode erschreckte, wo ich doch vorher immer und zu allem ja und Amen gesagt hatte und den Anschein erweckt hatte auf ihrer Seite und einverstanden gewesen zu sein. Wenn ich neu war und am Anfang aus Unsicherheit nix sagte, weil ich erst einmal damit beschäftigt war zu schauen was abging, dachten alle immer ich wäre so nett! (Haha!)
Dadurch geriet ich aber regelmäßig ins Abseits, auch weil ich mir selber Vorwürfe machte und es mir peinlich war. Ich wusste nicht wie man sich wieder verträgt und ausspricht. Gesund Streiten ist eine Kultur, von der