Ich und der Fisch, der Fisch und ich. Dorothea Doris Tangel

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Название Ich und der Fisch, der Fisch und ich
Автор произведения Dorothea Doris Tangel
Жанр Зарубежная психология
Серия
Издательство Зарубежная психология
Год выпуска 0
isbn 9783738004403



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hätte ich ein Loch in der Mitte meines Körpers, durch das alles hindurch fiel und ich konnte nichts festhalten, es nie stopfen, nie satt kriegen oder ausfüllen. Ich brauchte meine Töne und Farben. Das war meine Welt, das war eben mein zu Hause! Durch die Verleugnung der Kunst begriff ich aber eines Tages den wahren Sinn davon. Farbe und Töne können heilen und können auch ein inneres Ungleichgewicht wieder in Ordnung bringen.

      Jesus hatte einmal, als er gefragt wurde wie er die Leute heilt, gesagt dass er die anderen wie ein Instrument sieht das verstimmt ist. Er bringt es mit seiner Geisteskraft wieder in eine harmonische Schwingung und die Leute sind gesund.

      Ich schaute mich um und entdeckte dass sogar unser Alltag ohne Kunst nicht denkbar ist. Alles wäre völlig farblos, hässlich, gefühllos und auch sehr unspirituell. Kleidung, Schuhe, Stühle, Autos und Verkehrsschilder sind alle von Künstlerseelen erdacht und hergestellt. Menschen, die wie ich gerne mit Hammer, Nägel, Stoff, Schere, Leim, Papier und Stiften herumhantieren. Jede Hose die man sich selber näht ist Kunst! Man erschafft aus dem Nichts etwas, das Form und Farbe annimmt. Man manifestiert, ist schöpferisch. Kreativ eben. Wer ist das nicht?

      Schon in der Steinzeit liefen wir nicht in quadratischen Säcken herum. Sogar da findet man schön gestaltete Fußlinge und hübsch verzierte Gürtel und Alltagsgegenstände. Auch Zeichnungen an Höhlenwänden und Figuren wurden hergestellt, Dinge die man nicht zum Überleben notwendigerweise braucht, die aber etwas Positives in einem auslösen, wenn man sie sieht oder zur Hand nimmt.

      Sogar unsere Zahnpastatube hat eine kreative Verpackung. Man könnte sie auch mit einem Löffel aus einem Riesenglas im Gemischtwarenladen herausschöpfen und in ein Papier gewickelt mit nach Hause nehmen. Sogar der blöde Deckel von der Tube, den man nie beachtet ist Kunst. Ein zerknülltes Papier ins Loch zu stopfen damit es nicht herausläuft würde auch genügen.

      Ich entdeckte dass Kunst nix böses ist und dass ich nicht unbedingt falsch bin nur weil ich mich damit beschäftigen wollte. Vielleicht könnte ich mich damit auch heilen? Ich starrte ja doch nur noch an die Wand und war völlig apathisch geworden weil ich so überflüssig und mein Leben so sinnlos geworden war, weil ich das was nun einmal in mir war nicht auslebte. Ich konnte mit mir, mit meinem Leben, mit der Welt und mit meiner Zeit nichts mehr anfangen. Nichts gab mir mehr etwas, nichts berührte mich mehr und kein Schwein interessierte sich noch für mich. Wie auch? Ich hatte nichts mehr zu sagen. Ich war so farblos geworden, aus Angst jemand könnte mich sehen und mir eine reinhauen dass ich unsichtbar geworden war. Was hatte ich noch zu verlieren?

      Auch wenn es nur die tote Zeit war, die ich mit Kunst ausfüllte war schon viel gewonnen, um mich mit etwas anderem als den sadistischen Charakterzügen meiner männlichen Dealer zu beschäftigen oder den ganzen Tag den Drogen hinterherzulaufen oder meinen Depressionen und Selbstmordgedanken zu frönen.

      Wenn die Seele ihre wahre Bestimmung lebt, kann sie alles um sich herum vergessen und fühlt sich eins. Man ist glücklich im hier und jetzt, ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort und es gibt einem eintiefes Gefühle der Zufriedenheit. Wenn ich Kunst gemacht hatte, hatte ich abends immer das Gefühl es war sinnvoller Tag. Tat ich es nicht, war es verlorene Zeit! Das war mein Leben und nicht das Normal sein! Was ist das eigentlich, Normal? Wie heißt er, wo wohnt er und wie ist seine Telefonnummer?

      Außerdem waren die Demütigungen von den Dealern, wenn meine Freundinnen nicht anzutreffen waren auch immer schwerer zu ertragen. Die Männer nutzten ihre Macht gerne aus, ließen ihre Launen an mir aus, während die anderen Jungs darüber lachten und ich ließ mich erniedrigen und übers Ohr hauen, weil ich nicht zu widersprechen wagte. Meine Unterwürfigkeit reizte sie, wie Hyänen die die Angst ihrer möglichen Opfer riechen können und sie reagierten aggressiv auf mich und reagierten sich an mir ab weil sie bei mir nichts zu befürchten hatten.

      Ich war nicht nur abhängig vom Dope, ich war auch abhängig von ihnen. Schließlich brauchte ich mein „Stöffsche“ (wie der Äbbelwein auf Hessisch heißt), und woanders bekam man es eben nicht. Zu meinen Freundinnen ging ich lieber, aber auch die hatten noch anderes zu tun als den ganzen Tag zu Hause herumzusitzen, bis ich auftauchte.

      Aber all das gehörte zum Spiel, damit ich es satt bekam. Etwas musste ausgelebt werden, damit ich es eines Tages loslassen konnte und loswerden wollte. Es muss einem schlecht werden wenn man nur daran denkt! Das ist der erste Schritt in die Unabhängigkeit um sich aus der Umklammerung der „Hörigkeit“ zu befreien, der man alles unterordnet aus Angst ohne nicht leben zu können. Es gibt auch eine schöne Warnung vor Menschen, die am Anfang gerne sagen: ich kann ohne dich nicht leben. Später können sie es mit dir nicht.

      Mit was für Leuten gab ich mich da eigentlich ab? Es dauerte bis ich begriff, dass ich jeden Tag ganz alleine entscheide wie es mir geht und wie mein Leben aussieht und welche Leute ich in mein Leben lasse. Auch dass die Schwingung mancher Leute mich vergiftete, denen ich noch nichts entgegenzusetzen wusste. Heute verzichte ich lieber ganz, wenn es geht, auch auf Lebensnotwendiges als mich auf solche unausgewogene Begegnungen einzulassen, bei denen man nichts gewinnt außer dass man seine Würde und Selbstachtung verliert.

      Woher sollte ich ein gesundes Selbstwertgefühl aufbauen, das ich dringend benötigte auch schon bevor ich selber zur Süchtigen wurde, wenn ich meine Zeit mit solchen Aussaugern verbrachte? Ich hasste es den Launen von Männern, die keine Selbstbeherrschung und kein Mitgefühl mit Schwächeren hatten und sich einen Dreck für mich interessierten ausgeliefert zu sein.

      Sie zogen mich auf ihr niedriges Niveau, auf dem es keine Nächstenliebe gab, bis sie einen so sehr infiziert hatten dass man wie sie, alle und auch sich selbst nur noch ablehnte. Ich brauchte eine andere, vielleicht eine etwas höhere Ebene als das, wenn ich Ganz werden wollte. Ich war immer so „halb“!

      Was für eine Verschwendung. Warum nutzte ich nicht was ich mitgebracht und vorzuweisen hatte und machte das Beste daraus? Was machte mich denn aus? War das alles was ich konnte, bei Leuten herumzuhocken die nichts als Verachtung für das Leben und die Menschen übrig hatten, nur damit sie mir ein Stück Haschisch verkauften?

      Ich ging nicht gerne dahin, aber auch das dauerte bis ich es endlich abstellen konnte. Ich wollte mich befreien von solchen Leuten und von der Abhängigkeit, in jeder Beziehung. Was ist das Gegenteil von Abhängig? Selbstständig. War ich selbstständig?

      Weder im Denken, Fühlen, noch im Handeln getraute ich mich einen eigenen Gedanken zuzulassen, bis ich alle hasste. Wie gingen diese Leute eigentlich mit mir um, warum ließ ich zu dass mich jemand so schlecht behandelte?

      Wer war ich überhaupt und was wollte ich hier? Wieso beschäftigte ich mich nicht ausschließlich mit meiner Kunst? Wieso tat ich stattdessen was ich tat, obwohl es mich kaputt machte? Alleine die Abneigung gegen manche Dealertypen motivierte mich darüber nachzudenken etwas zu verändern.

      Mir ging es immer schlecht, jeden Tag und ich hatte irgendwann den Wunsch dass es mir gut gehen sollte, auch wenn ich diesen Zustand nicht kannte. Ich kannte Leute die täglich ganz andere Gefühle hatte als ich und die sich an ihrem Leben freuten. Meine Mutter sagte einmal im hohen Alter, als ich sie danach fragte, dass sie nie auch nur eine Minute je an Selbstmord gedacht hätte. Das fand ich überraschend!

      *

      Beim Alkoholentzug gibt es einen interessanten Satz: Es gibt tausend Gründe dafür und keinen einzigen!

      Ich kreiert mir meinen eigenen Sucht- Satz, der mir half: jeder noch so banale Grund, es nicht zu tun ist gut genug.

      Ich musste etwas wollen. Ich musste eine Richtung eingeben damit mein Gefährt sich in Bewegung setzen konnte. Nur: „ich will nicht“ zu sagen, half mir nicht weiter. Ich brauchte ein Ziel, etwas das ich haben wollte und ich brauchte einen Ersatz für die Zeiten, die ich mit der Beschäftigung der Verdrängung durch Rausch verbrachte. Die Abende waren bei mir die Gefährlichsten, da verlor ich jede Beherrschung! Da lief ich dann doch immer wieder los und besorgte mir etwas, weil die Vorstellung, die Nacht ohne aushalten zu müssen mir eine Heidenangst einjagte.

      Am Anfang wusste ich keine gesunden Alternativen zur Sucht, denn das Wesen des „Genießen Könnens“ hatte ich noch nicht begriffen, was ein wesentlicher Bestandteil eines Suchtcharakters ist,