Die Schneelandschaft und der violette Himmel. Jörg Röske

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Название Die Schneelandschaft und der violette Himmel
Автор произведения Jörg Röske
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847678748



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geographischen Punkt, in dem der Felsen ruhte, trafen sich drei Landschaften. Sie waren die riesige Steppe, die mein VII C-Boot durchquert hatte, das Ungewisse Land und das Andere Meer. Die Steppe schloss sich im Osten an die graue Ebene an und endete nach langer Fahrt an einem Steilhang, der in südöstlicher Richtung zu dem Ungewissen Land und in nordwestlicher Richtung zum Anderen Meer hinabführte.

      In der Mitte, als verbindendes und zugleich trennendes Element, befand sich der Fels. Er war unmittelbar in der Spitze eines Kaps, den der Abhang dort bildete, von Riesen aufgestellt worden - so erzählte mir mit mythologisch leuchtenden Augen der Torpedomaat. Ich glaubte ihm kein Wort.

      Das Ungewisse Land bot nichts, keinerlei Anhaltspunkte, nicht das geringste, lediglich ein helles, golden zuckendes Vibrieren, als würde von dem Sand einer Wüste nicht nur die Hitze und das Licht der Sonne reflektiert werden, sondern auch die Sonnensubstanz selbst. Ein wabernder Brei von diffusem und goldhellem Licht, als hätten die Kinder von Riesen vergessen, ihre Lichtmahlzeit zu sich zu nehmen.

      Da wurde es mir sonderbar, als ich das Wort "Riesen" in mir denken gehört hatte, hatte ich doch soeben den Torpedomechaniker wegen solchen Gedankens verlacht. Von nun an hatte ich dem Maat disziplinierter zugehört und versucht, diese Dinge zu verstehen.

      Dann gab er zu verstehen, dass wir einige Zeit neben dem Felsen über dem Boden des Ungewissen Landes verweilen konnten. Wartete der Kommandant am Sehrohr auf Frachter und Tanker, die in nicht zu berechnenden Abständen am Horizont des Ungewissen Landes erschienen - zunächst als schwarze Balken - und dann nordwestlich fuhren.

      Ihr Kurs führte sie über das Andere Meer, dessen Wasser vor langer Zeit durch eine apokalyptische Irritation verschwunden war. Nach einer Zeit der Beruhigung waren dann die Schiffe, deren Gestalt sich drastisch verändert hatte, über dem Meeresboden geschwebt, in Höhe des einstigen Wasserspiegels - als sei dieser nicht vergessen und als trauerten sie um ihn.

      Der Maat erzählte weiter. Er berichtete mir von der mit Apropagynen angereicherten Luft, die die lauernden und hungernden Wölfe während des Wartens einatmeten und sie zu solchen machte. Die Apropagyne waren mikroskopisch kleine Kristalle, die beständig vom Wind aus dem Ungewissen Land heraus geweht und aufgenommen wurden. Diese Kristalle bewirkten eine intensive Stimulierung der menschlichen Synapsen, wobei eine entscheidende Leistungssteigerung des Gehirns die Folge war.

      Ich war fasziniert von den Dingen, die mir der Torpedomaat erzählt hatte, und in mir gebar ein Wunsch. Ich bat den Kommandanten, hinaus auf das Oberdeck gehen zu dürfen, und er entsprach meiner Bitte und zwar aus dem Grund, aus mir den hungerndsten Wolf der U-Boot-Flotte zu machen - wie ich später erfuhr.

      Ich trat hinaus aus dem Turmluk und kletterte die Sprossen des Turms hinunter zum Oberdeck. Dann postierte ich mich vor der Achtacht und schaute mich um. Heiß war es und das heiße Vibrieren begann, mich zu durchdringen.

      Es war nicht schmerzhaft und auch nicht wohlig und allmählich verstand ich. Nur mit einer Sonnenbrille, die mir der Kommandant vor dem Verlassen des U-Boot-Turms gegeben hatte, konnte ich sehen und ich sah den Brei, die Grenze zum Anderen Meer, den Felsen links neben unserem Boot und auf dem großen und grauen Brocken einen Baum.

      Das Feuer

      Es war ein Sechsundsiebzigtausend-Tonnen-Tanker, der zunächst in Form eines schwarzen Balkens aus der Glut hervorkam.

      Und schon sah ich einen Brand von unaufhörlichem Walgen und unglaublicher Infernalität und ein unbestimmtes Zittern spürte ich, hatte mich ergriffen. Aber da war wie durch einen Schlag die Vision weg und auch das Zittern ebbte ab und der Kommandant befahl mich ins Innere des U-Boots. Etwas verstört ging ich in den Bugraum, in dem Anspannung und Fiebern herrschte, denn wir gingen zum Angriff über und das Boot hatte Fahrt aufgenommen. - Ich sah sie.

      Völlige Stille herrschte im U-Boot und wir vernahmen die flüsternden Stimmen des Kommandanten, des IWOs, des LIs und des Bootsmanns aus der Zentrale.

      Der Kommandant hing mit in den Nacken geschobener Mütze am Periskop, äugte hindurch und wartete darauf, dass wir in Schussweite gerieten. Der Tanker bemerkte uns nicht und er besaß keine Eskorte. Ein guter Tag - so murmelte der Kommandant.

      Ich hatte mich zum vorderen Kugelschott begeben und mich dort hingesetzt, war gelehnt an das Schott. Dies war ein Ort, an dem ich mich nicht hätte aufhalten dürfen, jedoch, der Kommandant hatte mich bemerkt und nicht in den Bugraum verwiesen. Da wusste ich seine Absicht, zum Kommandanten wollte er mich machen, aber der Grund dafür war für mich im Rätselhaften verborgen. - Und da war es wieder, als wäre jemand an mir vorbei durch das Kugelschott gegangen. Nur im Blickwinkel hatte ich einen Schatten vernommen, und beim genauen Hinsehen fand ich nichts vor.

      Aber einen Trick wandte ich an. Ich schaute weg und dann wieder hin und sah das Verschwinden des Schattens einer Hellebarde.

      Im nächsten Moment gab der Kommandant die Schusswerte durch und kurz danach kam der Feuerbefehl für die Rohre eins und vier. Die Aale verließen das Boot und ich schloss die Augen, sah sie über den Boden des Anderen Meeres sausen. Ich hob den Blick weg von den Schlanken, silbrig glänzenden Körpern, sah auf und die Stahlwand des Tankers, die sich rapide näherte. Im nächsten Moment zuckte es, und es wurde infernal. Gleichzeitig hörte ich ein fernes Donnern, zweimal geschah es und kurz hintereinander. Die Augen hielt ich geschlossen, überall Feuer.

      Und bevor ich darin ertrank, öffnete ich meine Augen und der Kommandant hielt mich, der ich bebte und schwitzte.

      Dann grinste er und sprach von einem fetten Brocken und von dem gestillten Hunger des Wolfes.

      Der schwarze Hund

      Wir feierten das Glück des Tages, das Glück unseres Bootes und das Glück des Kommandanten mit den zwei Silberstreifen. Weniger als selten waren Tanker dieser Größenordnung unterwegs und meistens wurden wertvolle Schiffe von einem oder zwei Zerstörer eskortiert. Es war ein ungewöhnlicher Schachzug der Bewohner des Nirgendwos gewesen, den sie uns an diesem Tage offenbart hatten.

      An der Öltankanlage wurde gefeiert ohne Unterlass, was das Zeug hielt, und ich durfte hinaus aus dem Boot, bekam Met und Wildschwein vom Spieß.

      Ich war zurückhaltend beim Honigwein, hoffte ich doch irgendwo und irgendwann die Kommissarin zu sehen und legte mich in später Nacht ohne Erfüllung meines Wunsches in meine Koje im Bugraum.

      Aber sie waren alle da, alle neun Landsknechte mit ihren Hellebarden waren als Schatten da, und ich schlief glücklich ein.

      Am nächsten Morgen erwachte ich frohgelaunt und es hob an, als werde die Öltankanlage mein Zuhause. Auch wurde ich aus unserem U-Boot hinaus ins Freie gelassen - hatte ich doch die Teilnahme an der Feierlichkeit als Ausnahme gewähnt.

      Kleine Metallteile sollte ich reinigen, und ich tat dies draußen in frischer Luft und unter blauem Himmel, den ein leichter Wind schmückte. Ich saß unter dem riesigen Öltankbehälter, an dem unser Boot vertäut lag und sich sanft im Luftmeer wog.

      Da schaute mich beim Putzen und Händeln des Lappens ein schwarzer Hund neugierig an und beobachtete mich und das, was ich tat. Ich schaute zurück und lächelte, und er kam zu mir, und ich streichelte ihn, und in ihm waren die neun Landsknechte.

      Unser Boot lief für eine Weile nicht aus und so putzte ich den lieben langen Tag unter dem Öltankbehälter und im frischen Wind und mein Hund war bei mir und nach Dienstschluss tollten wir umher.

      Da kam unser Kommandant - der mit den zwei Silberstreifen auf den Schultern -, und er erklärte mir alles über die Führung eines U-Bootes. Er zeigte mir alles im Boot und ich übte und schließlich war ich, zusammen mit dem Wissen, das mir der Torpedomaat vermittelt hatte, ein U-Boot-Fachmann in theoretischer und praktischer Hinsicht.

      Er sagte mir, das U-Boot sei der Schlüssel zu allem, das A und das O, nur daraus erkläre sich das Universum und die Geheimschrift, das Zepter und die maschinelle Funktion. Einige Stimmen in der Flotte, so berichtete er mir weiter, plädierten für eine Verehrung.

      Ich war gebannt von