Название | Das zweite Gleis |
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Автор произведения | Helmut Lauschke |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742797759 |
“So beten wir dänischen Pastöre im Jahre 1941. Die Kanzel ist uns eine Stätte solcher Verantwortung geworden, dass wir unter unserem Talar schlottern, wenn wir ihre Stufen betreten. […] Hier drinnen gilt nur des Heiligen Geistes Zensur, und das ist die Zensur, die uns nicht zwingt, zu schweigen, sondern zu reden! […] Die Kirche ist … der Ort, wo Barmherzigkeit geübt werden soll als Quell des Lebens, als der Herzschlag der Menschheit. Und wo man etwas anderes lehrt als diesen Glauben, da lehrt man Dschungel und Tod.”
Christoph Probst (6. November 1919 – 22. Februar 1943): Enthauptet in München-Stadelheim. Er und sein Kommilitone Alexander Schmorell führten die Widerstandsbewegung der Münchner Studenten an. Sie handelten aus dem Gewissen heraus und starben in einer Zeit, als das Gewissen in Deutschland unter Strafe stand. Ihre Tat war ein Lichtsignal in der Dunkelheit der deutschen Geschichte.
Aus dem Brief von Christoph Probst vom 22. Februar 1943: “Meine liebste Herzensschwester! Samstag, als ich meinen Urlaubsschein für Tegernsee holen wollte, wurde ich festgenommen und nach München gebracht. Nun sitze ich zum ersten Mal in meinem Leben in einer Zelle und weiß nicht, was der nächste Tag bringt. […] Liebe, beunruhige Dich nicht, mach Dir keine Sorgen um mich. Wenn die Tage auch schwer sind, so waren sie ja vorher auch nicht leichter. Wie schwer mir die Trennung von Frau und Kindern ist, weißt Du. Aber mein Vertrauen und meine Hoffnung sind stark und helfen mir.”
Aus dem Brief von Christoph Probst vom 22. Februar 1943 an die Mutter: “Ich danke Dir, dass Du mir das Leben gegeben hast. Wenn ich es recht bedenke, so war es ein einziger Weg zu Gott. Seid nicht traurig, dass ich das letzte Stück nun überspringe. Bald bin ich noch viel näher bei Euch als sonst. Ich werde Euch dereinst einen herrlichen Empfang bereiten.”
Die Briefe an seine Schwester und Mutter wurden am Tage der Verhandlung vor dem Volksgerichtshof geschrieben. Noch am Nachmittag desselben Tages wurde er enthauptet. Mutter und Schwester lasen die Abschiedsbriefe im Beisein einer Aufsichtsperson. Ausgehändigt wurden die Briefe nicht.
Alexander Schmorell (16. September 1917 in Orenburg [am Uralfluss] – 13. Juli 1943). Hingerichtet in München-Stadelheim.
Letzter Brief an die Eltern vom 13. Juli 1943: “Meine lieben Vater und Mutter! Nun hat es doch nicht anders sein sollen, und nach dem Willen Gottes soll ich heute mein irdisches Leben abschließen, um in ein anderes einzugehen, das niemals enden wird und in dem wir uns alle wieder treffen werden. Dies Wiedersehen sei Euer Trost und Eure Hoffnung. […] Ich gehe hinüber in dem Bewusstsein, meiner tiefen Überzeugung und der Wahrheit gedient zu haben. Dies alles lässt mich mit ruhigem Gewissen der nahen Todesstunde entgegensehen. Denkt an die Millionen junger Menschen, die draußen im Feld ihr Leben lassen – ihr Los ist auch das meinige. In wenigen Stunden werde ich im besseren Leben sein, bei meiner Mutter, und ich werde Euch nicht vergessen, werde bei Gott um Trost und Ruhe für Euch bitten.”
Roger Péronneau (9. November 1920 – 29. Juli 1942). Student; zum Tode verurteilt am 23. März 1942, erschossen zu Mont-Valérien nach elfmonatiger Kerkerhaft.
Aus seinem Abschiedsbrief: “Innig geliebte Eltern, ich werde sogleich erschossen werden – um die Mittagsstunde, und jetzt ist es 9¼. Das ist eine Mischung aus Freude und Erregung.
Verzeiht mir allen Schmerz, den ich Euch bereitet habe, jetzt bereite und noch bereiten werde. Verzeiht mir alle wegen des Bösen, das ich getan, wegen des Guten, das ich nicht getan habe.
Mein Testament ist kurz: Ich beschwöre Euch, euren Glauben zu bewahren. Vor allem: keinen Hass gegen die, die mich erschießen. >Liebet Euch untereinander!< hat Jesus gesagt, und die Religion, zu der ich zurückgekehrt bin und von der Ihr nicht lassen sollt, ist eine Religion der Liebe.“
Cato Bontjes van Beek (14. November 1920 – 5. August 1943), Studentin; verhaftet 20. September 1942 wegen zweimonatiger Zugehörigkeit zu einer jugendlichen Widerstandsgruppe; zum Tode verurteilt am 21. Januar 1943; hingerichtet in Plötzensee am 5. August 1943.
Abschiedsbrief (als Kassiber in der abgegebenen Wäsche gefunden): “Plötzensee, den 5. August 1943. Meine liebe, liebe Mama, ich habe geglaubt, ich könnte Dir diesen Brief als Geburtstagsbrief schreiben, und nun wird es der allerletzte an Dich sein. Meine Mama, es ist nun soweit, und ich werde nur noch ein paar Stunden unter den Lebenden sein. […] Die Ruhe, die ich mir immer für diese letzten Stunden gewünscht habe, ist nun auch wirklich bei mir, und sie gibt mir viel Kraft, mit meinen Gedanken bei Dir zu weilen, bei Tim in Russland und bei Meme und bei allen anderen Lieben. Ich sagte es Dir schon bei der letzten Sprechstunde, dass ich es als eine Gnade empfinde, jede Nacht in meinen Träumen bei Euch in Fischerhude zu sein. Könnte ich doch meine Ruhe auch auf Dich übertragen. Mein Herz ist so übervoll, um Dir zu danken, und die Liebe zu Euch allen werde ich dalassen.
Meine geliebte Mama, ich hoffe so sehr, dass Du diesen Schmerz, den ich Dir durch meinen Tod bereite, überwinden wirst und Du dadurch in Deiner Kunst noch größer wirst.“
Jaroslav Ondrousek (23. Juni 1923 – 25. Mai 1943), Student aus Ricany bei Brünn. Durch Verrat eines Spitzels 1941 verhaftet, im Gestapogefängnis im vormaligen Kounic-Studentenheim gefangengehalten und am 25. Mai 1943 in Breslau hingerichtet.
Nach dem Urteilsspruch schrieb er den letzten Brief an seine Eltern: “Geliebte, in einer Weile werde ich schon bei Euch sein, mit Euch, meine Teuren! Ich ende mein Leben, und es ist mir so leicht in der Seele. So schön. Ich bin fast glücklich, dass ich in einer so schönen Stimmung sterben darf. […] Vater, weißt Du, es ist schön zu sterben in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft der Menschheit. […] Meine schöne Heimat, wie gern ich Dich habe, süßes Heimatland! Heute sterbe ich, es ist Mai, wir sind hier vier im Raum, wir warten aufs Abschiednehmen. Ich werde bei Euch sein, in Eurer Mitte, mit Euch auf der Gartenbank sitzen, mein Geist wird immer mit Euch sein. Die schönste Erinnerung sende ich Euch und verabschiede mich von Euch. […] Verlangt meine Asche.“
Kim Malthe-Brunn (8. Juli 1923 in Schaheswan-Forts, Kanada), Schiffsjunge und Leichtmatrose. Als Mitglied einer illegalen Gruppe hater ein Zollboot entwendet und nach Schweden gebracht, um seiner Gruppe Waffen zu beschaffen. Erschossen am Sonntag, 8. April 1945 in Kopenhagen.
Kassiberbrief vom 13. Januar 1945: “Die Gestapo setzt sich aus primitiven Menschen zusammen, die sich eine Fähigkeit erworben haben, schwache Seelen zu überlisten und zu erschrecken; schaust Du sie etwas genauer an während eines solchen Verhrs, so wirst Du sie eine unbeherrschte Unzufriedenheit zur Schau tragen sehen, als ob sie alle ihre Selbstbeherrschung zusammennehmen müssten, und als wäre es eine Gnade ihrerseits, dass sie einen nicht auf der Stelle niederschössen, weil man ihnen nicht viel mehr erzähle.
Du kommst in ein Zimmer oder einen Gang und musst Dich mit dem Gesicht gegen die Mauer stellen. Steh dann nicht zitternd da bei dem Gedanken, dass Du nun vielleicht sterben musst. Ist Dir bange vor dem Tod, dann bist Du nicht alt genug, Dich am Freiheitskampf zu beteiligen, auf keinen Fall aber reif genug. Ist diese Zwangsvorstellung imstande, Dich zu erschrecken, dann bist Du das ideale Objekt für ein Verhör. Sie geben Dir plötzlich und unmotiviert eine Ohrfeige. Bist Du hinlänglich mürbe, so ist sogar die Schmach einer Ohrfeige eine solche Erschütterung, dass die Gestapo die Oberhand gewinnt und dem Opfer einen solchen Schrecken einjagt, dass alles nach ihrem Kopfe geht.
Tretet ihnen ruhig und ohne Hass oder Verachtung entgegen, weil beides ihre überaus empfindliche Eitelkeit viel zu stark reizt. Betrachtet sie als Menschen und nutzt ihre Eitelkeit gegen sie selber aus.“
Nach einer Folter wird er am 2. März 1945 bewusstlos in die Zelle getragen.
Aus dem Brief vom 3. März 1945: “Ich habe seitdem über das Merkwürdige nachgedacht, was eigentlich mit mir geschehen ist. Gleich hernach fühlte ich eine unbeschreibliche Erleichterung, einen jubelnden Siegesrausch, eine so unsinnige Freude, dass ich wie gelähmt war. Es war,