Название | Natascha |
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Автор произведения | Nadja Christin |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738011333 |
Genau das gleiche Gefühl hatte ich jetzt auch wieder.
Blanker, purer, bösartiger und tiefster Hass.
Aber es war wenigstens ein Gefühl. Ein Gefühl, das ich kannte, dem ich vertrauen konnte und für immer in mir behalten wollte.
Ich rannte weiter und weiter aber eine vertraute, rote Wolke war schneller, sie hüllte mich ein, saugte mich auf, nahm mich mit in ihre dunklen, tiefen und fast schon tröstlichen Abgründe. Zog mich in ihren Strudel hinein. Ließ mich darin versinken und ertrinken.
Ich wünschte mir …
Ich wünschte mir sehnlichst …
Ich wünschte mir sehnlichst, daraus nie wieder aufzutauchen.
Der Abgesandte
Es war kalt, sehr kalt. Der Mond stand voll und groß am Himmel, umgeben von tausend glühenden Punkten.
Ich stand auf den äußersten Zinnen der Stadtmauer. Meine Füße standen eng nebeneinander auf dem bröckeligen Gestein der alten Mauer. Ich verhielt mich ganz still. Der Wind wehte kräftig um mich herum und versuchte mich von den Zinnen zu reißen. Meine Augen waren geschlossen, der Kopf in den Nacken gelegt. Meine Arme ausgebreitet, so stand ich dort oben und wartete auf den Geruch.
Ich erwartete keinen bestimmten Duft, ich würde mich spontan entscheiden. Entscheiden wer von den Menschen es wert sei zu sterben, durch mich zu sterben.
Es ist März, das letzte Jahr war nur noch ein blutiger, wilder Sturm in meiner Erinnerung. Ein Sturm voller Qualen, Gier und Mordlust und … voller Blut.
Sehr selten gestattete ich mir, in dem roten Strudel der Erinnerung zu versinken. Zu schmerzlich waren die Gedanken an den letzten Sommer.
Ich habe gekämpft und ich wurde besiegt, ich habe verloren, alles verloren.
Mein Dasein wird nie wieder so sein wie früher, ich bin nicht mehr die Gleiche. Meine äußeren Wunden waren verheilt, aber innerlich war etwas zerrissen, das nicht heilen würde.
Niemals, es war zerstört. Unwiderruflich.
Ich bewegte mich nicht mehr unter den Menschen, hielt mich Abseits. Trat nur noch mit ihnen in Kontakt, wenn ich einen von ihnen töten wollte. Dann war ich schnell, brutal und grausam. Dann war ich ein Raubtier.
Das Raubtier, das dem Monster Nahrung geben musste, weil es danach verlangte und erst wieder Ruhe einkehrte, wenn das Monster gesättigt war.
Nach den Vorfällen im August war ich zu Josh geflüchtet und hatte mich meinem Schmerz und meiner Wut hingegeben. Ich war tagelang nicht ansprechbar, hatte in Joshs Keller gewütet und geschrien, versuchte mein inneres Monster zu bekämpfen, es einfach verhungern zu lassen.
Ich wollte nichts anderes als sterben.
Ich wollte wieder bei Justin sein, in seinen Augen, in diesen tiefen Brunnen versinken, seinen kalten Körper fühlen.
Es half alles nichts, nach ein paar Tagen holte Josh mich aus meinem selbst gewählten Gefängnis und stellte mich vor die Wahl. Entweder wurde ich wieder vernünftig, oder er lieferte mich persönlich an die Obrigkeit aus.
Seit Franks gewaltsamen und gar nicht tragischen Tod war ich Freiwild. Dennis machte seine Drohung tatsächlich wahr und verriet mich an den hohen Rat.
Sie hatten die Jagd auf mich eröffnet, es war nur eine Frage der Zeit, wann sie mich erwischten, wann auch ich in Flammen aufging.
Aber bis es soweit war, beschloss ich, mein Monster nicht mehr zu bekämpfen, sondern mich nur noch von ihm leiten zu lassen, mich dem Blutdurst und der Gier hinzugeben.
Kein Vertrauen, keine Liebe, kein Feuer mehr.
Alles hatte ich verloren, unwiederbringlich verloren.
Ich atmete die kalte Nachtluft ein, suchte weiter nach einem Geruch, nach meiner heutigen Beute.
Plötzlich und unerwartet umspielte ein zarter Duft meine Nase, leicht, luftig und süß. Ich hatte ihn gefunden, den Geruch, der mich heute Nacht ernähren würde, der mein Monster in mir für heute ruhig stellte.
Langsam öffnete ich meine Augen, sie waren gelb, Raubtieraugen, wie immer in letzter Zeit. Das harmlose, nette Braun meiner Augen war seit meinem Aufenthalt in Joshs Keller nicht wieder zurückgekehrt. Auch meine Zähne, diese zwei spitzen Dolche, kehrten kaum noch in ihren ursprünglichen Zustand zurück. Ich war jetzt ständig ein Vampir, Tag und Nacht, die ganze Zeit über. Kaum gestattete ich mir einen anderen Gedanken, als den an heißes, köstliches und frisches Blut.
Da war er wieder, der Geruch, der mir die heutige Nacht versüßen würde. Ich öffnete meinen Mund,
»Ah«, ich lächelte.
Das Monster in mir schrie und kreischte laut. Mein inneres Feuer loderte kurz und heftig auf, es wollte gelöscht werden.
Ich wollte, dass es gelöscht wurde mit dem herrlichen Duft und Geschmack. Ich machte einen Schritt nach vorne und fiel in die Tiefe …
Erschrocken riss ich meine Augen auf. Dunkelheit umhüllte mich, ich musste ein paar Mal zwinkern, damit ich klarer sehen konnte. Die restlichen roten Nebelschwaden verzogen sich gerade. Ich war wohl in meiner Wolke der Erinnerung eingetaucht.
Ich kann nicht schlafen, also kann ich auch nicht träumen. Ich kann mich nur erinnern an vergangene Ereignisse.
Es war wie ein Traum, gemischt mit Ereignissen, die tatsächlich geschehen waren.
Ich setzte mich auf. Eben erst hatte ich mich in meinem Wohnzimmer auf das Sofa gelegt, daran konnte ich mich noch deutlich erinnern. Der Rest war überlagert von einem rötlichen Dunst. Dazwischen tauchte immer wieder Justins Gesicht auf. Seine Zähne blitzten, seine schönen Augen sahen mich hungrig an, sie wurden zu Raubtieraugen, dann wieder braun, die Zähne blitzten. Es war wie in einem Wirbelsturm, immer wieder die gleichen Bilder, immer schneller flogen sie an mir vorbei.
Ich schüttelte meinen Kopf um ihn frei zu bekommen und stand auf, ich hatte Durst.
Die Ereignisse im letzten August, sie waren so weit entfernt und doch war es so, als wäre alles erst gestern geschehen. Neun Monate war es jetzt her. Eine kurze Zeitspanne, für einen Vampir, doch kam es mir wie Jahrzehnte vor. Die Zeit schleppte sich dahin, wenn man alles verloren hatte, wenn man an nichts mehr glaubte, wenn man tot war.
Ich ging zu meinem Kühlschrank und holte mir eine Büchse Konservenblut, das ich langsam in ein Glas schüttete und der Mikrowelle anvertraute. Während ich auf das leise Pling wartete, ließ ich mir durch den Kopf gehen, wo ich heute Nacht hin könnte. Das leise Summen meines Handys unterbrach meine Gedanken. Misstrauisch ging ich ran
»Ja-a?«, ich hasste dieses Telefon.
»Hi, Natascha. Hier ist Josh.« Als hätte ich ihn nicht schon an der Stimme erkannt.
Das Blut war auf Temperatur und ich nahm es aus der Mikrowelle.
»Hallo Josh.«, meine Stimme war reserviert. Bei ihm wusste ich nie so richtig, wie ich mich verhalten sollte. Unsere Beziehung war so … merkwürdig, so zwiespältig.
»Bist du gerade beim essen?« Ich konnte das Schmunzeln in seiner Stimme hören, er hatte wohl das leise Geräusch der Mikro mitbekommen.
»Was gibt’s Josh?« Ich seufzte und trank einen großen Schluck, es breitete sich sofort eine herrliche Wärme in meinen Eingeweiden aus, schlagartig fühlte ich mich besser, wohler.
»Hast