Natascha. Nadja Christin

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Название Natascha
Автор произведения Nadja Christin
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738011333



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      Langsam dämmerte es, die Strahlen der Sonne trafen schon sehr schräg auf die Erde.

      Immer wieder versuchte ich eine Geruchsspur von den Flüchtenden aufzunehmen. Es war aber sehr schwierig für mich, da ich noch nicht vollständig wieder hergestellt war.

      Meine Gedanken kreisten, summten und brummten in meinem Kopf. Immer wieder hörte ich den Satz, dein Blut ist schlecht, du bist schlecht.

      Als Frank mir damals den letzten Rest Blut nahm, als meine Verwandlung vollständig war, gab er mir ein bisschen Blut von sich zu trinken. Nicht viel, das war auch nicht nötig.

      Es war wichtig, um die Verwandlung zu vollenden, um den Blutdurst anzuregen und um das Monster zu wecken. Erst dann erwachte der Vampir, alle wichtigen Sinne waren vollständig vorhanden, einschließlich der Gier und dem Verlangen nach Blut.

      Ein bisschen stimmte mich das traurig, du bist schlecht, es war doch nicht meine Schuld, ich hatte ihm vertraut. Wenn er mich mit schlechtem Blut erweckte, konnte ich nichts dafür.

      Wenn aber mein Blut nun wirklich schlecht war, mal angenommen, Frank hatte recht, was bedeutete das denn für mich.

      Hieß das, auch wenn ich mich noch so sehr anstrengte, würde ich nie den Kodex befolgen und immer die Regeln brechen? Würde immer wieder Unschuldige töten müssen und mich nie beherrschen können?

      Was bedeutete das Ganze für Justin? War das der Grund, warum er solche Aussetzer hatte? Immerhin hatte ich ihn verwandelt, er hatte mein Blut getrunken, mein schlechtes Blut, mein verunreinigtes, böses Blut.

      War es so, dass Justin niemals eine Chance hatte gut zu werden? Das auch sein Blut jetzt kein gutes Blut mehr war, dass es sich mit meinem schlechten vermischte und er jetzt … böse, ein Monster würde, werden musste?

      Auch wenn Vampire Gefühle haben, fehlen uns doch die Eigenschaften um Mitleid, tiefe Trauer, Taktgefühl, Dankbarkeit oder Schuldgefühle zu empfinden.

      Die Gefühle, die wir entwickelten, standen meist in direktem Zusammenhang mit Blut und Tod. Manchmal auch mit Liebe und Vertrauen, aber sehr selten.

      Es gibt kein egoistischeres Wesen als einen Vampir.

      Trotzdem empfand ich so etwas wie Schuldgefühle, ich war schuld, das Justin keine Zukunft hatte, auch keine Zukunft mehr mit mir.

      Tief in mir drin spürte ich einen scharfen Stich bei dem Gedanken. Wie ein dünnes Messer, das mir in den kalten Körper gestoßen wurde, ungefähr an der Stelle, wo früher mein Herz schlug.

      Ich durfte mich von diesen Gefühlen und Gedanken nicht irritieren lassen, ich musste einen klaren Kopf bewahren. Plötzlich fiel mir Dennis ein. Er hatte eine Menge von Franks Blut für seine Verwandlung getrunken. Wenn ich schon über ein unkontrolliertes Verhalten verfügte, wie mochte dann erst Dennis’ Reaktion auf das schlechte Blut sein?

      Da mein eigener Sohn leider schon vor seiner Verwandlung ein Mistkerl war, wird es jetzt nicht besser geworden sein, eher ganz im Gegenteil.

      Er war wahrscheinlich zum Obermonster mutiert. Schlimmer als Frank in seinen besten Zeiten je war. Schlimmer als die schlimmsten Vampire.

      Völlig unerwartet hörte ich eine Stimme, sie kam aus meinem Inneren, sie klang nach mir und auch wieder nicht. Eher wie alle meine Stimmen zusammen, die gute, die böse, die liebevolle und die gierige, grausame Stimme.

      Alle übereinander gelegt.

      Wie kannst du es nur wagen so etwas zuzulassen. Wie kannst du es nur wagen ihn frei herumlaufen zu lassen. In keinem deiner blutrünstigen Todesgedanken, hast du je mit eingeschlossen, dass Dennis sterben muss. Nie hast du das auch nur im Entferntesten in Erwägung gezogen, Wie kannst du es wagen.

      »Aber, er ist doch …mein Sohn«, sagte ich leise in die mich umgebende Dämmerung und blieb stehen.

      Na und, erwidert die Stimme, willst du mir jetzt mit mein eigen Fleisch und Blut kommen? Das wird wohl kaum der Wahrheit entsprechen. Vielleicht dein Fleisch, aber dein Blut … ? Die Zeiten sind vorbei. Er muss sterben und er wird auch sterben, genauso wie Frank.

      Es war wieder still in mir und um mich herum. Ich blinzelte ein paar Mal, hatte ich etwa schon Halluzinationen? Das kam bestimmt vom Blutverlust und meinem großen Durst. Der Hoppler eben war wirklich nur die Vorspeise.

      Das Hauptgericht durfte aber nicht zu lange auf sich warten lassen, sonst erlebte ich den Nachtisch nicht mehr.

      Ich ging weiter, die Nacht brach gleich an.

      Vor mir tauchte plötzlich die Friedhofsmauer auf, die Bäume hörten einfach auf und ich stand vor der verwitterten Mauer. Efeu rankte sich an ihr empor, Waldclematis ergoss sich wie ein Wasserfall über den Rand. Es war ein großer Friedhof, früher wurden hier alle Leute aus der umliegenden Gegend bestattet. Heute wurde er nicht mehr benutzt. Ich kannte den Friedhof, ich war früher oft hier, da es auch viele Grüfte gabt und sogar schöne alte Mausoleen. Das jüngste Grab, das ich damals auf meinen Streifzügen fand, stammte aus dem Jahre 1901. Den man dort zur ewigen Ruhe bettete, war der hiesige Pfarrer. Vielleicht ging mit ihm, auch die Tradition, diesen Friedhof weiter zu führen.

      Mit einem Mal war mein Geruchssinn wieder da, ich konnte die Drei riechen, sie waren ganz in der Nähe. Schnell duckte ich mich und presste meinen Körper näher an die Mauer. Wenn ich meine Ohren sehr anstrengte, konnte ich auch leise Gesprächsfetzen hören. Und ein Knurren. Ich nahm an, dass dieses Knurren zu Justin gehörte. Sein Monster war erwacht. Die Stimmen wurden nicht lauter, also würde er nicht versuchen sie anzugreifen.

      Jetzt musste ich nur noch ihre genaue Position herausfinden und mir einen Angriffsplan zurechtlegen. Und … alles weitere würde sich zeigen.

      Ich schlich, wie ein Indianer, an der Außenmauer entlang und erinnerte mich plötzlich, dass hier irgendwo ein kleiner Nebeneingang war, ich musste ihn nur finden. Über die Mauer zu springen, kam nicht in Frage, ich wusste nicht, wo Frank und der Rest sich befanden, sie könnten mich entdecken. Mein Geruch würde mich noch früh genug verraten, meine Gestalt sollte es nicht.

      Da vorne war es, ein schmiedeeisernes Tor. Seit meinem letzten Besuch vor elf oder zwölf Jahren war es irgendwann aus den Angeln gesprungen, schief lehnte es an der Mauer, dazwischen war ein Durchgang frei. Ich pirschte mich langsam und vorsichtig näher an das Tor und linste um die Ecke.

      Das Knurren hatte inzwischen aufgehört. Meine Augen bewegten sich sehr schnell, um die gesamte Umgebung in mich aufzunehmen. Ich drückte meinen Rücken zurück an die Mauer und überlegte. Ich hatte Frank gefunden, er stand ziemlich in der Mitte, bei einem der Gräber, eines mit einem steinernen, hohen Kreuz als Grabstein. Er blickte in die andere Richtung und hatte mich nicht gesehen. Von Dennis hatte ich nichts entdecken können.

      Plötzlich hörte ich das Knurren von Justin wieder, es schwoll an, wurde bedrohlich, drohend, ging fast in einen Schrei über. Dann ebbte es langsam ab, wurde leiser, verstummte ganz. Dazwischen immer wieder Gesprächsfetzen, beruhigend und beschwörend. Leider konnte ich keine genauen Worte verstehen nur den Tonfall heraushören. Dennis redete energisch auf Justin ein, was hatte er ihm nur so Wichtiges mitzuteilen, fragte ich mich.

      Ich lehnte meinen Kopf gegen die bröckelige Mauer und schloss die Augen, ich horchte in mich hinein, wollte feststellen wie viel Energie noch in mir steckte, wie weit ich gehen konnte, bevor sozusagen meine Akkus aufgebraucht waren. Bevor ich aufgeben musste … und sterben würde.

      Es wird gehen, dachte ich. Ich öffnete meine Augen wieder, und nahm an, dass sie sich zu Raubtieraugen verändert hatten, da meine Zähne gerade lang und dolchartig wurden.

      Meine Energie würde ausreichen.

      Es war mir auch egal, wenn ich nur auf Sparflamme fuhr, ich hatte einen Auftrag zu erledigen, meinen ganz persönlichen Auftrag. Ich war erst fertig, wenn Frank zerstört war, dann konnte ich immer noch ans Sterben denken.

      Vorsichtig linste ich wieder um die Ecke, Frank stand noch an der gleichen Stelle, von Dennis und Justin immer noch keine Spur. Ich rannte geduckt durch den schmalen Durchgang und versteckte