Natascha. Nadja Christin

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Название Natascha
Автор произведения Nadja Christin
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738011333



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dass er dich wirklich umbringen wollte. Bis dahin hatte ich das noch alles für einen … Na ja, für einen Scherz gehalten, dass er dich nur ein bisschen einschüchtern wollte, um dich wieder auf den rechten Weg zu bringen. Verstehst du wie ich das meine?« Justin sah mich fragend an.

      »Ein Scherz?«, meine Stimme war nur ein Murmeln.

      »Alles nur gespielt? Und wie war das dann bei dir im Bad als er über dich hergefallen ist?«, ich runzelte die Stirn.

      »Wie du schon richtig bemerkt hast, hatte ich Krach mit ihm. Er wollte dich loswerden, indem er mich nach dem Biss bluten ließ. Er hatte deine Gier nach … meinem Blut bemerkt und sah seine Chance gekommen. Er rechnete fest damit, dass du nicht wiederstehen könntest. Das du mich töten würdest. Ich wollte ja sterben, aber ich wollte nicht für deinen Tod verantwortlich sein. Ich sagte ihm, dass ich nicht mehr mitmachen würde, dass er nicht mit meiner Hilfe dein Ende vorbereiten könnte.« Justin schnaubte verächtlich, »als wenn das so einfach wäre. Außerdem meinte ich noch, er könnte mich, von mir aus, jetzt und hier umbringen, aber ich werde definitiv nicht mehr mitmachen. Und dann hat er es ja auch fast getan, es hat sich noch nie so schmerzhaft angefühlt. Wenn du wirklich nicht hättest widerstehen können, wäre das nur wie eine Erlösung gewesen. Aber ich habe dir vertraut, und du hast mich nicht enttäuscht.«

      Ich versuchte meine Gedanken zu ordnen, versuchte alles in die richtige Bahn zu lenken. Wortfetzen, kurze Situationen Bilder tauchten in rascher Abfolge vor meinem inneren Auge auf und plötzlich fügte sich alles in ein ganzes Bild zusammen.

      Justin hatte Recht. Was auch immer er mir bis hierhin vorgelogen und vorgespielt hatte, die letzte Erklärung entsprach der Wahrheit.

      Aber etwas wollte ich gerne noch wissen.

      »Warum willst du dich eigentlich umbringen?«

      Er seufzte, »Liebe, Hass, Vertrauen … so in etwa.«

      »Vertrauen«, überlegte ich, und schloss genervt meine Augen. Das Thema hatten wir doch gerade erst.

      Hatte schon wieder jemand, mein in ihn gesetztes Vertrauen missbraucht? Zwei Mal, so schnell hintereinander? Was bin ich nur für ein einfältiger Vampir?

      Ich horchte in mich hinein. Hörte auf mein kaltes, nicht mehr durchblutetes Herz, was es mir zu sagen hatte.

      Lauschte und suchte nach Entscheidungen.

      Ich öffnete meine Augen und sah in die von Justin. Es waren jetzt keine unergründlichen Brunnen mehr, in denen ich mich verlieren konnte. Es waren warme, freundliche Augen. Augen in die man sich verlieben könnte. Ich lächelte ein bisschen und startete den Motor.

      »Können wir jetzt weiterfahren?«, fragte ich munter, »schließlich haben wir noch etwas vor.«

      Justin lächelte auch und schnallte sich an.

      »Willst du jetzt nicht mehr sterben?«, fragend zog ich eine Augenbraue nach oben.

      Statt einer Antwort nahm er meine Hand, legt sie in seine warme und bedeckt sie mit seiner anderen.

      Die Sonne war eben erst aufgegangen und schenkte uns einen perfekten Sonnenaufgang.

      Wir fuhren weiter unserem Ziel entgegen.

      Ich wusste nicht, was mich heute noch alles erwartet, wie dieser Tag enden würde, aber eines wusste ich:

      Bis hierhin hatte es sich schon mal gelohnt.

      Es war nun nicht mehr weit. Langsam wurde ich unruhig, ich war seit meiner Verwandlung und meinem tragischen Tod nicht mehr hier. Den Weg kannte ich noch genau: Es waren nur noch zwei Straßen, allesamt ungepflastert und staubig, in einen holperigen Weg einbiegen und dann das Dritte Haus.

      Ich hing meinen Gedanken nach, das war der Grund, warum Justin sie zuerst sah. Vielleicht hätte alles ein anders Ende genommen, wenn ich nicht so eine Träumerin wäre. Wer weiß das schon.

      Vor mir, mitten auf der staubigen Straße standen zwei Gestalten, zwei Vampire, Thomas und Elisabeth. Beide stemmten ihre Fäuste in die Seite und fixierten uns wütend und … hungrig.

      Bei einem Menschen würde man instinktiv versuchen auszuweichen. Aber diese beiden da, waren schon tot. Das Einzige, das passieren konnte, war, dass ich mir den Lack an meinem Mustang verkratzte.

      Meine Hände umfassten das Lenkrad ein wenig fester, die Knöchel an meiner Hand traten weiß hervor. Mein Mund war zu einer harten Linie gepresst. Neben mir krallte sich Justin an seinem Sitz fest und stieß ein erschrecktes Keuchen aus. Ohne den Kopf zu wenden flüsterte ich ihm zu:

      »Schnall dich ab. Wenn ich den Wagen wende, springst du raus und läufst weg. Versteck dich, ich werde dich schon finden.« Ein kurzer Blick zu ihm, hatte er mich verstanden? Er löste seinen Gurt, ich fuhr weiter, genau auf die beiden Vampire zu. Kurz bevor der Aufschlag erfolge, sah ich nur Beine fliegen. Sie sprangen über meinen Mustang, das war zu erwarten.

      Ich fuhr ein Stück weiter, zog die Handbremse und machte eine halbe Drehung.

      »Jetzt, raus hier«, flüsterte ich Justin zu. Er sprang aus dem Auto. Kaum, das sein Körper den Boden berührte, war er auch schon wieder auf den Beinen und rannte geduckt in den Wald neben uns. Durch den Schwung der Drehung schloss sich die Tür von selbst wieder. Ich gab Gas, ließ die Kupplung kommen, trat aber weiterhin fest auf die Bremse. Eine riesige Staubwolke breitete sich hinter meinen durchdrehenden Rädern aus. Kleine Steine und Dreck wurden nach hinten geschleudert. Ich hoffte, ich verschaffte Justin so ein wenig Deckung.

      Ich vollendete die Drehung und stand den Vampiren gegenüber. Erneut fuhr ich genau auf sie zu. Ich überlegte kurz, ob sie Justins Flucht bemerkt haben, oder ob sie dachten, er kauert ängstlich im Fußraum. Hatten sie die Zeit seinen Geruch zu suchen?

      Beide kamen auf mich zugerannt, mein Blick ging rastlos zwischen Thomas und Elisabeth hin und her.

      »Sie oder Er? Sie oder Er? Sie oder Er?« Ich konnte mich nicht entscheiden, wen ich von beiden überfahren sollte. Da sah ich, wie Thomas Elisabeth ein kurzes Zeichen in Richtung Wald gab. Sie hatten Justins Rückzug also bemerkt. Meine Entscheidung war gefallen, ich riss das Lenkrad herum und eine Sekunde später schlug Elisabeths Körper wie eine Bombe in meinen Wagen ein. Sie hatte einen Moment nicht aufgepasst und nach Thomas’ Zeichen den Blick kurz auf den Wald gerichtet. Ich hüpfte auf und ab in meinem Sitz, als ich Elisabeth überrollte. Ich konnte mir unmöglich ein Lachen verkneifen und spürte, wie mein ganzes Gesicht vor Freude strahlte.

      Natürlich hatte ich sie damit nicht vernichtet, dazu gehörte schon ein wenig mehr. Sie müsste ihren Kopf verlieren. Im wahrsten Sinne, des Wortes.

      Im Rückspiegel sah ich sie auch schon wieder aufstehen. Thomas war bei ihr, packte sie am Arm und redete auf sie ein. Sie schüttelte kurz den Kopf und rannte dann in die Richtung, in der Justin im Wald verschwand.

      Ich vollführte erneut eine Drehung mit dem Wagen und stand Thomas alleine gegenüber. Ich überlegte, wie ich weiter vorgehen sollte.

      Ich stellte den Motor ab und stieg aus. Immer Thomas im Blick, der etwa hundert Meter von mir entfernt stand und mich lauernd beobachtete.

      Langsam ging ich zum Kofferraum, öffnete ihn und holte meine Machete heraus.

      Ich bekam sie vor ein paar Jahren von Frank geschenkt. Er hatte sie seinerzeit von einem der kubanischen Sklaven erhalten, um mit ihnen bei den Aufständen in den Zuckerkolonien zu kämpfen. Das musste so ungefähr im 18. Jahrhundert gewesen sein. Hatte bestimmt Spaß gemacht.

      Ich betrachtete die schöne glänzende Machete und tippte mit meinem Finger auf die Spitze. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich Thomas weiterhin.

      Rasch drehte ich mich um und rannte in den Wald. In die entgegengesetzte Richtung, in die Justin und Elisabeth verschwunden waren. Ich wollte Thomas von Justins Spur ablenken, ihn beschäftigen. Mit einem Vampir würde Justin vielleicht alleine fertig, aber bei zwei von der Sorte … Keine Chance.

      Natürlich rannte Thomas hinter mir her.

      Keine halbe