Natascha. Nadja Christin

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Название Natascha
Автор произведения Nadja Christin
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738011333



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      »Ja, kann sein, aber ich habe noch von keinem wirklich positiven Bericht gehört. Warum interessiert dich das so?«

      »Nur so«, antwortete er fast schon gelangweilt und blickte wieder auf die Lichter der Stadt.

      Als er seinen Kopf drehte bemerkte ich eine Narbe an seiner Schulter, direkt am Halsansatz. Die war mir vorhin gar nicht aufgefallen. Ich hob meine Hand und strich vorsichtig mit dem Daumen darüber. Sie war noch ziemlich frisch und rau. Er stöhnte kurz auf und bewegte die Schultern, als wenn ihm ein Schauer den Rücken herunter lief.

      »Entschuldige«, murmelte ich, und zog meine Hand schnell zurück. Ich wusste, was den Schauer auslöste, mein eiskalte Haut auf seiner warmen Schulter.

      »Nein«, sagte Justin, sah mich an und nahm meine Hand am Handgelenk.

      »Bitte, mach weiter, das war ein schönes Gefühl.« Er legte meine Hand behutsam zurück auf seine Schulter.

      »Bitte«, flüsterte er erneut.

      Ich strich wieder mit dem Daumen über die lange Narbe, diesmal sah ich ihm direkt in die Augen dabei. Ein unergründlicher Ausdruck lag darin verborgen. Ich hatte schon bemerkt, dass er schöne Augen hat. Es war mir aber noch nicht aufgefallen, dass sie so unergründlich, so tief waren.

      Unsere Blicke waren ineinander verschlungen.

      Langsam näherte er sich, zögernd. Seine Hand, die das Glas hielt, legte sich um meine Taille und zog mich in seine Richtung. Ich kam ihm näher, ich ließ es einfach zu. Ich war gespannt und verlor mich ein bisschen in seinen unergründlichen, schönen Augen.

      Wir waren nur ein paar Zentimeter voneinander entfernt. Sein Mund näherte sich langsam meinem Gesicht. Die freie Hand strich über meinen Arm, zeichnete die Schulter nach und fuhr den Hals entlang. Seine Hand war ganz warm und brannte beinahe auf meiner Haut. Er strich mir weiter über die Wange und über mein Haar. Weiterhin sah ich ihn wie gebannt an. Ich konnte nichts denken und war wie abgeschaltet.

      Ganz langsam zog mir sein köstlicher Geruch in die Nase, ich wagte es nicht, tief einzuatmen.

      Dann trafen sich unsere Lippen, er stöhnte erneut kurz auf, ich hörte sein Blut schneller durch seinen Körper rauschen, als er seine Hand in meinem Haar vergrub. Unsere Lippen öffneten sich leicht. Ich begann, den Kuss zu erwidern.

      Meine Hand streichelte seinen Rücken hinunter und ich bemerkte, wie ihm erneut ein Schauer über den Rücken lief. Auch ich stöhnte kurz auf und zog dabei, die mich umgebende Luft und somit seinen Duft in mich ein.

      Das war ein Fehler.

      Plötzlich änderte sich die Situation schlagartig.

      Ich spürte noch, wie meine Zähne sich verselbstständigten, schon lag Justin am Boden und ich über ihm.

      Mein Verlangen, meine Gier, meine Lust hatten mich so sehr im Griff, dass ich nicht darüber nachdachte und nur noch ein Ziel vor Augen hatte: Ich wollte meine Zähne in seinen schönen Hals schlagen, in sein warmes pulsierendes Fleisch eindringen, sein Blut in mich aufnehmen. Trinken und ihn töten.

      Das Glas, das ihm aus der Hand gefallen war, rollte geräuschvoll über den Boden. Die Luft war erfüllt vom stechenden Geruch des billigen Whiskys.

      Er stemmte sich mit beiden Händen an meinen Schultern ab und ich hörte ihn wie aus weiter Ferne brüllen:

      »Tascha! Es … es tut mir leid.«

      Ich hörte ihn. Tatsächlich drang seine Stimme bis zu mir durch. Einen kurzen Moment zögerte ich noch, ich roch seine Angst, seine Furcht und … sein Verlangen. Es roch herrlich, einfach köstlich. Aber seine Augen waren immer noch unergründlich, unendliche tiefe Brunnen.

      Langsam kehrte ich in die Wirklichkeit zurück, tauchte auf, aus meinem Strudel der Gier.

      Mit einem letzten Blick auf seinen Hals, seine helle Haut und das darunter pulsierende Blut, erhob ich mich, streckte ihm die Hand entgegen um ihn hochzuziehen. Er sah auf meine Hand, nur zögernd packte er sie. Als er wieder vor mir stand, ging er einen Schritt zurück, wie um einen Sicherheitsabstand einzuhalten.

      »Mir tut es auch leid, Justin«, sagte ich leise und blickte in sein Gesicht. Er schluckte kurz und nickte leicht.

      Die Stille wurde jäh unterbrochen von der Türklingel. Wir rissen gleichzeitig unsere Köpfe herum. Ich fragte ihn misstrauisch:

      »Erwartest du noch jemanden?«

      »Nein«, antwortete er und war scheinbar genauso erstaunt. Zögernd ging er zu seiner Wohnungstür.

      Jetzt erkannte ich den nächtlichen Besucher, sein Geruch hatte ihn verraten: Frank. Was wollte der denn hier, um diese Uhrzeit.

      Justin öffnete die Tür und sah überrascht aus als Frank ihn mit einem Lächeln begrüßte.

      »Hallo, Junge, ich sah das Licht und …« Es schien, als zögerte er nur kurz, als er mich bemerkte.

      »Tascha, das ist gut, das ich dich auch hier treffe.«

      Justin schloss die Tür wieder und murmelte:

      »Ich geh dann mal unter die Dusche«, damit verschwand er im Bad.

      Ich blickte zu Frank

      »Was machst du hier?«, fragte er mich scharf

      Ich lachte kurz auf. »Das Gleiche könnte ich dich fragen.«

      »Das geht dich nun wirklich nichts an«, gab er streng zurück und presste die Lippen aufeinander

      »Gleichfalls«, erwiderte ich trotzig und setzte mich auf Justins Sofa.

      Natürlich kam er gleich zum Punkt:

      »Ich habe heute keine guten Nachrichten über dich gehört, Tascha. Du hast ein Halbblut übel zugerichtet, er hat geblutet. Geblutet in einem Raum voller Vampire. Hast du eigentlich eine Vorstellung davon, was mit ihm geschehen ist?« Frank legte eine Pause ein.

      Arrogant betrachtete ich meine Fingernägel.

      »Nö«, sagte ich kühl. Ich hatte keine Lust ihm Rechenschaft abzulegen.

      »Es war ein Schlachtfeld«, fuhr Frank fort, »sie sind natürlich alle über ihn hergefallen und haben ihn getötet. Sein Herr wird darüber nicht sehr erfreut sein.«

      Ich erhob mich und ging auf Frank zu.

      »Er war ein Dreckskerl, außerdem hat er Justin angegriffen und mich hat er geschlagen, so was kann ich mir ja wohl nicht gefallen lassen. Du hast doch selber gesagt, dass ich auf dein kleines Halbblut Acht geben soll.« Langsam wurde ich wütend.

      »Ja, das schon, aber es war nicht darin eingeschlossen, das du das Halbblut von Michael töten solltest.« Er blickte mich grimmig an.

      Der Idiot gehörte also zu Michael. Na ja, überlegte ich, er wird sich jemand Neues besorgen, er hat sowieso immer einige zur Auswahl, alles solche Mistkerle wie den letzten. Vielleicht zieht ein Mistkerl einfach automatisch andere Mistkerle an.

      »Nun«, begann Frank abermals, »wir werden sehen, wie das weitergeht.« Erneut eine kurze Pause, in der Frank mich aufmerksam musterte.

      »Übrigens habe ich deinen Kindermörder zur Strecke gebracht, den, den du … übergangen hattest.«

      Ja, den ich gegen das süße Blondinchen eintauschte. Ich musste grinsen. »Danke schön.«

      »Ich übernehme alle, die du entwischen lässt, Tascha alle. Und ich erledige meine Arbeit sehr gründlich wie du weißt.« Er sprach sehr eindringlich und ich sah ihn misstrauisch an.

      In diesem Augenblick kam Justin aus dem Badezimmer.

      Franks und auch meine Nasenflügel bebten leicht. Justin roch einfach verlockend. Er duftete so verführerisch und ich musste meine ganze Willenskraft aufbringen, um nicht wie ein Tier über ihn herzufallen.

      Auch Frank sah leicht gereizt aus. Justin stand noch nahe der Badezimmertür und blickte uns