Dämonentreue. Dagny Kraas

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Название Dämonentreue
Автор произведения Dagny Kraas
Жанр Языкознание
Серия Dämonentreue
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742709899



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umhüllten sie, zogen wabernd vorbei und verwandelten alles um sie herum in undeutliche Schatten, um dann plötzlich aufzureißen und den Blick auf die wahre Gestalt der Dinge freizugeben.

      Cridan verließ sich ganz auf seinen Orientierungssinn und hin und wieder ein gemurmeltes Wort von Mert.

      »Woher kennt Ihr Euch hier so gut aus?« wollte Tiko von dem Boten wissen.

      Mert lachte freudlos.

      »Ich habe Wochen gebraucht, um Euch hier zu finden, und die meiste Zeit habe ich in diesem verfluchten Nebel verbracht. Zum Schluss war ich versucht, den Bäumen Namen zu geben, so oft, wie ich manche von ihnen gesehen habe.«

      Er seufzte.

      »Wir müssen dort entlang.« Er zeigte die Richtung.

      Endlich lichtete sich der Nebel, und das Wasser unter ihrem Floß wurde flacher, der Grund sandiger. Cridan sprang ab und watete die letzten Schritte ans Ufer, das Floß hinter sich her ziehend.

      »Ganz in der Nähe habe ich meinen Wagen untergestellt«, sagte Mert. »Ihr wartet besser hier. Man darf Euch nicht entdecken, sonst war alles umsonst.«

      Cridan war es unendlich Leid, sich zu verstecken. Nur zähneknirschend fügte er sich und blieb mit Tiko am Nebelwasser zurück, während Mert zwischen den niedrigen Bäumen, die auf dem kargen Boden wuchsen, verschwand.

      Tiko hatte sich ins Heidekraut gelegt, den Kopf auf seine verschränkten Arme gebettet, und sah in den grauen Himmel hinauf, während Cridan rastlos am Wasser entlangging. Eine quälende, kaum auszuhaltende Unruhe trieb ihn um – was war, wenn dies tatsächlich eine Falle war, und Mert mit einem Dutzend Männer zurückkam, die sie töten wollten? Oder, noch viel schlimmer: Was war, wenn Mert nicht wiederkam?

      Bei dem Gedanken, ins Moor zurückkehren zu müssen, graute es ihm.

      Nein, schwor er sich, was immer auch passiert, ich werde nicht zurückgehen! Lieber sterbe ich!

      Es war eine schier endlose, an den Nerven zerrende Warterei, doch Stunden später, als die Dämmerung schon hereingebrochen war, entdeckte er endlich ein Gefährt, das sich langsam seinen Weg durch das unwegsame Gelände bahnte.

      Zusammen mit Tiko kletterte er in den hohen, vierrädrigen Wagen, der durch eine Plane abgedeckt war.

      Hier saßen sie zwischen Kisten und Bündeln und versuchten, es sich so gemütlich wie möglich zu machen, während der Wagen Richtung Küste schaukelte.

      Cridan lehnte sich rücklings gegen eine der Kisten, schob den Arm unter seinen Kopf und schloss die Augen. Die Unruhe war besser geworden, jetzt, da sie sich wieder bewegten. Daher konnte er die Zeit genauso gut dazu nutzen, sich ein wenig auszuruhen.

      Wenig später schreckte er aus dem Halbschlaf auf.

      Für einen Moment wusste er nicht, wo er sich befand: Dunkelheit herrschte um ihn herum, der Boden schwankte und rüttelte, und etwas drückte ihm hart in die Rippen. Dann erinnerte er sich wieder.

      Er zwängte sich in der Finsternis durch die unordentlich gestapelte Ladung nach vorne bis zum Kutschbock und ließ sich neben Mert auf die hölzerne Sitzbank gleiten. Das Pferd schnaubte nervös und peitschte mit dem Schweif, als es die Witterung des T'han T'hau in die Nüstern bekam.

      »Ho«, brummte Mert, »ruhig, mein Braver. Alles ist gut.«

      Er schenkte Cridan einen Seitenblick und murmelte: »Ihr habt es nicht so mit Pferden, was?«

      Cridan zuckte die Achseln.

      »Ist ein Geburtsfehler«, gab er zur Antwort.

      Mert lachte leise, ließ die Leinen auf die mondbeschienene Kruppe des Pferdes klatschen und schnalzte aufmunternd.

      »Wir werden nicht allzu lange brauchen«, sagte er. »Bis zur Küste sind es von hier vielleicht noch zwei Tage. Da wir überwiegend nachts fahren, wird es ein wenig länger dauern als auf dem Hinweg. Dann müssen wir uns nur etwas einfallen lassen, wie wir nach Gantuigh kommen. Ich war davon ausgegangen, dass wir mit Euren Schiffen reisen könnten, aber nun…« Er ließ den Satz unvollendet.

      Cridan hob die Schultern.

      »Ihr habt Ratiko'khars Entscheidung gehört. Macht Euch keine Gedanken über die Seereise. Wir werden einen Weg finden. Ein kleines Schiff, ein Boot – alles, was wir mit zwei Mann segeln können, wird passen.«

      »Mit zwei Mann?« Mert sah ihn entsetzt an. »Wie stellt Ihr Euch das vor?«

      »Von mir aus auch drei«, bemerkte Cridan mit einem spöttischen Lächeln, »vorausgesetzt, Ihr könnt segeln.«

      Mert lachte etwas abgehackt.

      »Leider nein. Ich kann rudern und ein Floß vorwärts bewegen, aber segeln geht über meinen Horizont – im wahrsten Sinne des Wortes. Und Ihr… Ihr habt allen Ernstes vor, mit einem Boot, das von nur zwei Mann gesegelt werden kann, das Meer zu überqueren?«

      Cridan hielt eine Antwort für überflüssig, und nach einer Weile seufzte Mert leise.

      »Ich gehe davon aus, dass es nicht Euer Ziel ist, auf der Reise zu ertrinken«, murmelte er resignierend. »Mir bleibt also kaum etwas anderes übrig, als Eurem Vorschlag zu folgen. Dann wäre nur noch die Frage zu beantworten, woher wir ein solches Schiff bekommen.«

      Cridan grinste.

      »Für gewöhnlich liegen Schiffe in einem Hafen«, erwiderte er. »Findet Ihr mir einen Hafen, ich finde Euch ein Boot.«

      Mert nickte langsam. »Einen Hafen finde ich für Euch. Mit dem Wagen wird es nicht allzu schwer sein, Euch in die Nähe der Schiffe zu bringen. Alles andere überlasse ich Euch.«

      Er zögerte kurz.

      »Darf ich Euch eine Frage stellen?«

      Cridan neigte zustimmend den Kopf, und Mert sprach weiter: »Wie lange wart Ihr fort? Ich meine, von Gantuigh.«

      Cridan schwieg einen Moment.

      »Fast elf Jahre«, erwiderte er dann bitter. »Elf lange, vergessene und verlorene Jahre. Elf Jahre, in denen Gantuighs Geschichte ohne uns geschrieben wurde. Skatarhak und alle, die uns kennen, sind tot, sagt Ihr. Es ist… eigenartig. Ich kann mir ein Gantuigh ohne T'han T'hau nicht vorstellen.«

      Mert lachte.

      »Ihr werdet es erleben, wenn Euer Plan aufgeht! Und es ist ein schönes Land! Es hat sich viel verändert, aber zum Guten. Gantuigh ist regelrecht aufgeblüht unter Mar'Tians Herrschaft!«

      Cridan traute seinen Ohren nicht.

      »Mar'Tian?« wiederholte er ungläubig.

      Mert nickte. »Ja. Wenn Ihr so wollt, ist er einer der neuen T'han T'hau. Wir…«

      Er hielt kurz inne, musterte Cridan nachdenklich und fuhr dann fort: »Wir nennen Euch nicht mehr die T'han T'hau. Das Wort hat seine ursprüngliche Bedeutung zurück erhalten. Zu den T'han T'hau zählen heute die besten Krieger.«

      »Und wie nennen sie uns?«

      »Von Euch spricht man nur noch in Geschichten und Legenden«, wich Mert ihm aus. »Ihr seid…«

      »Wie sie uns nennen, habe ich gefragt!« Cridans Tonfall war scharf.

      Mert schluckte.

      »Dämonen.«

      »Dämonen also«, wiederholte Cridan und sah auf seine Hände hinab.

      Er kannte diese Bezeichnung, und er wusste auch, woher sie kam. Man hatte sie auf dem Kontinent so genannt, und die Fremden um den schwarzhaarigen Krieger Syrian, der den T'han T'hau bis auf ihre Insel gefolgt war, hatten den Namen damals mit nach Gantuigh gebracht.

      Für einen Moment blitzte in ihm die Erinnerung an die Menschen auf, die für Skatarhak Anlass genug gewesen waren, den Krieg zu beginnen, den er offenbar schon viel früher und von längerer Hand vorbereitet hatte.

      Anlass oder Vorwand, wisperte die boshafte