Zwerge der Meere. Michael Schenk

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Название Zwerge der Meere
Автор произведения Michael Schenk
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742749567



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die Idee begeistert aufgenommen. Seitdem wurden im Goldenen Grund die Schläuche gefüllt. In der überschwänglichen Art des Zwergenvolkes hatte man versucht, sich in der Länge der Schläuche zu übertreffen, bis der Ältestenrat eingeschritten war. So wurden nur noch Schläuche von einem halben Meter Länge zugelassen.

      „Gerade genug, die Kehle anzufeuchten“, hatte der Wirt gemurmelt und zum Ausgleich ein paar Halbmeterschläuche besorgt, deren Durchmesser eine gewisse Verbesserung aufwies.

      Auch Mantur Scherentod, der Wirt der Schänke, war eine Legende und das weit über den eigenen Clan hinaus. Er gehörte zu den wenigen Zwergen, welche die Begegnung mit einem Riesenkrebs nicht nur überlebt sondern den Gegner auch besiegt hatten. Scherentod wurde nicht müde, immer wieder davon zu berichten, wie er dem Schalentier seinen Meißel durchs offene Maul ins Gehirn gestoßen hatte. Größe des Meißels und des Tieres variierten durchaus, aber die Tat selbst war unbestritten. Später hatte der einstige Axtschläger sich im Kampf gegen Menschen bewährt, welche ein Schiff des Clans überfallen hatten. Menschlicher Abschaum, dessen schwarzes Schiff mit roten Segeln die erbosten Zwerge auf den Meeresgrund geschickt hatten.

      Das Volk der Zwerge war kein kriegerisches Volk. Sicherlich, man schätzte eine zünftige Rauferei, vor allem, wenn man über einen längeren Zeitraum keinen Schürfgrund fand und sich die Zeit vertreiben musste, aber dabei begnügte man sich mit ein paar zerschlagenen Einrichtungsteilen und Zähnen. Bei einem wirklich ernsthaften Streit, bei dem Blut fließen könnte, schritten sofort die Axtschläger ein und brachten den Fall vor den Ältestenrat, dessen Entscheidung unumstößlich war.

      Dennoch waren die Zwerge auch sehr wehrhaft. Sie verstanden es, zu kämpfen und scheuten sich nicht, ihr Leben in die Waagschale zu werfen, wenn der Clan oder einer der ihren bedroht war.

      Varnum und Oldrum waren erst ein einziges Mal im Goldenen Grund gewesen. Vor etwas über einem Jahr, als man sie in den Kreis der Schürftaucher aufnahm. Eine besondere Feier, bei der Varnum seinen Werkzeuggürtel und Oldrum seinen Pumpenschwengel erhalten hatten, zusammen mit prall gefüllten Schläuchen und den besten Wünschen für die Zukunft und den Clan. Dieser Besuch war jedoch eine Ausnahme gewesen, denn hierher kam nur, wer zwei Namen trug oder von einem solchen Zwerg eingeladen war.

      Als die beiden Freunde die Plattform erreichten, auf der sich die Schänke befand, ging die Sonne gerade unter. Ihr letztes Strahlen tauchte die Dächer der Häuser in rötlichen Schein und bald würden die Öllampen und das Licht der Sterne und des Mondes die einzige Helligkeit spenden.

      Die Schänke war zweigeschossig erbaut und im unteren Geschoss gab es, wie in jeder schwimmenden Stadt üblich, keine Fenster, sondern nur die Tür. Sie ließ sich wasserdicht verschließen und das galt auch für die Fensterläden, denn die Kraft eines Sturmes mit seinen riesigen Wellen war überaus beachtlich.

      Als die beiden Freunde die Tür öffneten, verstummten bei ihrem Anblick alle Gespräche. Die Blicke waren neugierig, denn den Anwesenden war klar, dass kein einfacher Schürfer ohne Grund eingetreten wäre. Hinter dem Tresen hatte Mantur Scherentod bereits die Stirn in Falten gelegt, als sich Heimur Sichelhieb umdrehte, herzlich auflachte und die Arme ausbreitete.

      „Herein, ihr Herren. Ihr seid willkommen. Mantur, fülle uns drei neue Schläuche mit gutem Wein und achte mir auf den richtigen Durchmesser. Ohne die aufmerksamen Augen dieses jungen Schürftauchers stünde ich sonst ohne Atemschlauch auf dem Meeresboden.“

      Die Gesichter der anderen Gäste wurden sofort freundlich und man nickte und prostete den Freunden zu, während sie an den Tresen traten. Mantur Scherentod hatte bereits drei beachtliche Schläuche in die Armbeuge geklemmt und begann sie aus einem noch beachtlicheren Krug zu füllen. Die Art, wie er dies tat, verriet, dass der Mann noch immer über ungewöhnliche Kräfte verfügte.

      „Auf reichen Grund und langen Atem“, prostete Sichelhieb ihnen zu.

      Nach wenigen Augenblicken schwirrte der Goldene Grund wieder von Gesprächen. Hier saßen erfahrene Schürfer mit alten und sehr alten Schürfern zusammen und tauschten Erfahrungen und Geschichten aus. Einer von ihnen kam zum Tresen herüber und sah den Wirt nachdenklich an.

      „Sag einmal, Mantur Scherentod, du bist einer unserer erfahrensten Krieger und weit herumgekommen. Beantworte mir eine Frage, ja? Hast du je von Luft in Flaschen gehört?“

      Oldrum lachte spontan, was ihm einen bösen Blick des Fragestellers eintrug. „Entschuldigt, aber das kann sogar ich beantworten.“

      „Ah, du?“

      „Aber ja. Wenn der Wirt die Flasche Wein geleert hat, dann ist sie voller Luft.“

      Die Anwesenden lachten vergnügt und Sichelhieb schlug sich auf den Schenkel. „Eine Flasche voller Luft. Ha, das ist gut, sehr gut sogar. Ich fürchte, da wird es im Handel nicht viele Abnehmer geben.“

      „Unsinn“, knurrte der Fragesteller. „Ich spreche von Luftflaschen für die Taucher. Nun, wenigstens für die Axtschläger, die im Wasser Wache halten.“

      Sichelhieb fiel fast von seinem Schemel. „Ha, ich sehe es vor mir. Axtschläger, die an der Flasche nach Luft nuckeln, wie unsere Hüpflinge an der Brust ihrer Mütter. Flaschenhüpflinge!“

      Es gab ein krachendes Geräusch, als der Fragesteller auf den Tresen hieb. „Nochmals, Unsinn! Man erzählt sich, der Clan der Tanae´runod hätte Flaschen erfunden, in die man Luft hinein presst. Damit könnten die Wachen lange unter Wasser bleiben. Ganz ohne Schlauch und ohne zum Luftholen auftauchen zu müssen.“

      „Selber Unsinn“, brummte Sichelhieb. „So etwas gibt es nicht und wird es niemals geben.“

      „Das werden wir ja sehen, so wahr ich hier stehe.“

      „Nun, besonders sicher stehst du nicht mehr.“ Sichelhieb grinste breit und duckte sich rasch, als der andere Mann ausholte. „Langsam, Schürfer. Ich bin nicht auf Streit aus. Ich kann mir nur keine Flaschen mit gepresster Luft vorstellen.“

      Mantur Scherentod beugte sich vor. „Hier, mein Freund, nimm einen frischen Schlauch. Statt die Fäuste anzustoßen, sollten wir lieber die Schläuche bewegen. Eine Flasche mit Luft ist kein Grund zum Streit. Oder hast du so ein Ding schon einmal gesehen?“

      Der Fragesteller atmete ein paar Mal tief durch und zuckte dann die Schultern. „Hast recht, Wirt. Morgen gilt es wieder, auf die Steine einzuschlagen, schonen wir also unsere Fäuste.“

      Sichelhieb lächelte versöhnlich. „In zwei Jahren ist die Zusammenkunft der Clans. Wenn wir dann eine solche Flasche mit gepresster Luft sehen, bekommst du von mir einen extragroßen Schlauch gefüllt.“

      „Ah, das nenne ich ein Wort.“ Der andere lächelte nun ebenfalls. „Also dann, auf reichen Grund und langen Atem.“

      Varnum nippte an seinem Schlauch und gähnte dann herzhaft. Er war einfach müde und wollte sich endlich in seine Hängematte begeben. Oldrum seufzte entsagungsvoll, leerte hastig seinen Schlauch und die beiden Freunde verließen die Schänke.

      Oldrums Schritt war nicht besonders sicher, als sie die Stadt zum Außenring mit ihren Schlafstellen durchquerten. Ein Streife gehender Axtschläger, der vor allem auf Feuergefahr achten sollte, beäugte sie misstrauisch und folgten ihnen eine Weile, um sicher zu sein, dass sie ihren Weg fanden. Schließlich erreichten sie das Floß, auf dem ihre Unterkunft stand. Ein lang gestrecktes, zweigeschossiges Gebäude, mit der hoch angesetzten Tür im unteren Bereich und Oldrum stolperte prompt über die Schwelle und weckte einige der anderen Schläfer.

      Varnum musste ihm in die Hängematte helfen und war froh, endlich die eigene ersteigen zu können. Er hatte sich kaum hingestreckt und die ersten, sanften Schaukelbewegungen gespürt, da fielen ihm auch schon die Augen zu. Seine letzten Gedanken galten mit Luft gefüllten Flaschen und ein stilles Lächeln lag über seinem Gesicht, während das Schnarchen der Schläfer den Raum erfüllte.

      02 Ein altes Schiff, ein alter Freund

      „Wenn sie die Wellen nimmt, hat sie die Eleganz eines Schmiedehammers“,