Zwerge der Meere. Michael Schenk

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Название Zwerge der Meere
Автор произведения Michael Schenk
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742749567



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Schulter. „Birunt Hammerschlag hat sich noch nie geirrt. Ihr werdet schon noch etwas finden.“

      Er benutzte kostbares Süßwasser, um das Salz von Varnums Körper zu spülen und half ihm, die Verschlüsse des Tauchanzuges zu öffnen. Er prüfte rasch, ob es im Bereich der Dichtungsmanschetten Verletzungen gegeben hatte. Varnum sah, wie sich ein älterer Zwerg von einer der anderen Plattformen näherte. Er war, wie alle Taucher, bis auf die knielange Hose nackt, hatte seine Bartzöpfe entknotet und drückte ein paar Tropfen Wasser aus ihnen heraus. Mit breitem Grinsen trat er zu Varnum.

      „Du hast gute Augen, Jungschürfer. Sie haben mir meinen Schlauch und vielleicht auch mehr gerettet.“ Er legte Varnum die Hand auf die Schulter. „Von Schürfer zu Schürfer, so wahr ich Heimur Sichelhieb bin, an diesem Abend gieße ich dir den Schlauch mit Gerstensaft voll. Das bin ich dir schuldig.“

      Varnum lächelte. „Ein anderes Mal achtest du auf meinen Schlauch, Heimur Sichelhieb.“

      „Wie es üblich ist, von Schürfer zu Schürfer.“ Der Zwerg lachte und sah Oldrum dann freundlich an. „Und da deine gute Atemluft diesem feinen Schürfer den scharfen Blick ermöglicht hat, will ich auch deinen Schlauch füllen.“

      „Die einzige Gelegenheit, bei der ich es zulasse, dass die Luft durch etwas anderes ersetzt wird.“ Oldrum lächelte erfreut.

      „Gut, dann ist es abgemacht. Bei Einbruch des Nachtdunkels im „Goldenen Grund“, ihr Herren.“ Der alte Schürfer nickte ihnen zu und ging dann zu seiner Plattform zurück.

      Ihr Arbeitstag war noch nicht vorbei. Nach einer längeren Pause, in der es das Material zu überprüfen galt, würden sie sich erneut zum Meeresboden hinunter sinken lassen. Es lohnte nicht, in die Stadt zu gehen, also saßen sie nebeneinander, ließen die Füße ins Wasser hängen und genossen ihre Mahlzeit, die aus hartem Brot, Käse und gebratenem Fisch bestand. Das alles wurde mit Wasser hinunter gespült, dem man, des besseren Geschmacks wegen, einen kleinen Spritzer Wein zugegeben hatte.

      Es war noch nicht ganz Mittag und die Sonne brannte unbarmherzig herunter. Varnum war, wie die anderen Männer, braungebrannt und genoss ihre Wärme.

      Dann ging es wieder hinab.

      Zwei Mal noch, unterbrochen durch eine Pause und als sie ihre Tagesarbeit erledigt hatten, war die erwartete Ader noch immer nicht gefunden. Wenigstens hatten zwei andere Schürfgruppen mehr Glück gehabt. Etwas Gold und Schwarzkristall waren gefunden worden.

      Die beiden Freunde waren erschöpft und ausgelaugt. Varnum sehnte sich nach einer kurzen Mahlzeit und seiner Hängematte und hatte kein Verlangen, der Einladung des älteren Schürfers zu folgen.

      „Natürlich gehen wir in den Goldenen Grund“, erwiderte Oldrum entschieden. „Du kannst den braven Heimur Sichelhieb nicht enttäuschen. So einer lädt nicht jeden Tag ein paar junge Hüpfer wie uns auf einen Schlauch Wein ein.“

      Varnum seufzte entsagungsvoll und nickte dann zögernd. „Für mich reicht ein halber Schlauch. Den Rest kannst du haben. Nein, besser nicht“, fügte er grinsend hinzu, „ich brauche morgen meine Luft und will nicht, dass du an der Pumpe zusammenbrichst. Eigentlich solltest du auch nur einen halben Schlauch trinken, du verträgst ja nicht viel.“

      Sie lachten sich an und stießen sich gegenseitig, bis sie die gerunzelte Stirn eines alten Schürfers sahen. Varnum räusperte sich und sie schritten mit betont ernsten Gesichtern an dem Mann vorbei, nur um dann in schallendes Gelächter auszubrechen.

      Sie gingen über eines der Werkstattflöße und blieben einen Moment stehen. Es war noch Zeit bis zum Einbruch der Dunkelheit. Hier befand sich die Glaserei, in der Gebrauchsgegenstände aus Glas und die Taucherhelme gefertigt wurden. Der Glasbläser hatte gerade sein Blasrohr angesetzt und drehte einen glühenden Klumpen auf einer wertvollen Steinplatte. Es war ohnehin schon heiß und die zusätzliche Hitze machte den Aufenthalt in dem Raum nahezu unerträglich. Dem alten Mann lief der Schweiß über den Körper, während er Luft in den Klumpen blies, ihn gekonnt drehte und in die Form eines großen Topfes brachte. Genau im richtigen Moment, nahm er das Rohr von den Lippen und ein Gehilfe sprang hinzu, drückte mit einem Metall eine flache Stelle ins Material, die spätere Sichtfläche des Helmes.

      Als der Mann das Rohr endgültig absetzte, wischte er sich Schweiß von der Stirn und sah die beiden Freunde an. Er wies auf Varnums Werkzeuggürtel, den er erst zu Hause abschnallen würde. „Schürfer, nicht wahr? Das hier wird einer eurer Helme. Auf meine Helme ist Verlass, ich nehme nur den besten Quarzsand, vom Strand von Hesgan. Einen feineren gibt es nicht, das könnt ihr glauben.“

      Oldrum zog seinen Freund mit sich. „Komm schon. Wenn der seine Helme anpreist, wird er am Ende noch erwarten, dass wir ihm den Schlauch füllen.“

      Gegenüber saßen mehrere Frauen und strichen kostbaren Gummi auf die Metallspirale eines neuen Schlauches. An anderer Stelle wurden gerade Fische abgeschuppt und entgrätet. Das Hämmern von Werkzeugen war zu hören, Stimmen, die durcheinander wirbelten und dazwischen huschten die kleinen Kinder entlang, immer neugierig, was es zu entdecken gab und bereit, sich die Zeit mit Spielen zu vertreiben. Nicht immer zum Vergnügen der Großen, aber meist sah man über ihren Unfug hinweg, erinnerte sich lächelnd an die eigene Jugend und dachte daran, dass Kinder die Zukunft eines jeden Clans waren.

      Allmählich wurden die ersten Lampen entzündet. Sie wurden mit dem leicht zu gewinnenden und reichlich vorhandenen Fischöl betrieben. Mit Beginn des Abends würde man die Arbeiten an offenen Feuerstellen beenden und nur noch die Kochstellen betreiben.

      Sie strauchelten einen Moment, als sie gerade über einen der Stege auf das nächste Floß gingen, denn eine unerwartet kräftige Welle bewegte sich unter der Stadt entlang und ihre Flöße hoben und senkten sich im Gleichklang, bevor sie wieder zur Ruhe kamen. Keine Gefahr, sonst hätte einer der Ausguckposten längst Alarm geschlagen. Glücklicherweise kündeten sich Unwetter und Wellenstürme an und wer sich auskannte, wusste ihre Anzeichen früh zu deuten.

      Sie erreichten die inneren Flöße mit den Wohnungen der Frauen und Mädchen und Oldrum begann unbewusst an seinen Bartzöpfen zu zupfen. Sie waren noch nicht ganz so lang und auch etwas heller, als die von Varnum, der sein Lächeln unterdrücken musste. Oldrum war ein wenig eitel, vor allem, seit er versuchte, die Aufmerksamkeit des anderen Geschlechts auf sich zu ziehen. Varnum beobachtete das leicht amüsiert und fand es eher lächerlich, wie der Freund die Zopfenden in die Hände nahm und lockend kreisen ließ, wobei er sich bemühte, die helle Farbe zu verdecken. Leider hatte er in der letzten Zeit festgestellt, dass Besana immer wieder auf die Zöpfe Oldrums blickte und das machte Varnum, wenn er ehrlich zu sich war, doch ein wenig eifersüchtig.

      Besana gefiel sicherlich jedem Zwergenmann. Eine frisch erblühte, frauliche Figur, ein langer Nackenzopf, der ihr bis zu den Knöcheln reichte und kupferrote Haare, die in kaskadenartigen Wellen über ihre Schultern fielen. Ein Anblick, der jeden Mann zu bestimmten Begehrlichkeiten verführen musste, zumindest, wenn noch eine Spur von Leben und ein Rest von Luft in seinem Atemschlauch waren.

      Es gab eine Reihe von Schänken in der schwimmenden Stadt des Eldont´runod-Clans, aber keine war so berühmt und gleichermaßen berüchtigt, wie der „Goldene Grund“.

      Eigentlich gehörte der „Goldene Grund“ zu den Mythen des Zwergenvolkes, zumindest dem des Meeres. Der sagenhafte „Goldene Grund“, der endlosen Reichtum verhieß und wohl ebenso zum Reich der Legenden gehörte, wie Elfen oder Orks, obwohl die Landzwerge standhaft behaupteten, es gäbe sie. Aber Landfüße behaupteten viel, vor allem, wenn sie ihren Schlauch mit Wein gefüllt hatten.

      Der Goldene Grund der Stadt war ebenfalls legendär. Hier kehrten sonst nur die Männer ein, die sich im Clan einen Namen erworben hatten. Hier war auch der Brauch entstanden, den Schlauch zu füllen. In allen Schänken wurde Wasser, Wein, Gerstensaft oder Brennwasser in Bechern, Pokalen oder Gläsern ausgeschenkt, nicht jedoch im Goldenen Grund. Irgendwann einmal, die Legende besagte, es sei der sagenumwobene Bislipur Keulenhieb selbst gewesen, hatte ein Schürftaucher alle Pokale, Becher und Gläser vom Tresen gewischt und ein abgeschnittenes Stück seines Atemschlauchs hochgehalten. Er war an jenem Tag nur knapp dem Tode entronnen, da der Schlauch gerissen