Brief an Marianne. Martin Winterle

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Название Brief an Marianne
Автор произведения Martin Winterle
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742783868



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berichtete sie noch, dass die Italienischkursanmeldung gekommen sei, sie sich morgen Nachmittag frei nehmen will um Einkäufe zu tätigen. Für Freitagabend eine Präsentation für Kunden ausrichten soll. Das hatte sie vergessen, ihm zu erzählen, darum trug sie es jetzt nach. Es folgten noch einige unwesentliche Belanglosigkeiten.

      Der Schluss war wieder eine Gewissensfrage, die viel Zeit beanspruchte. Unterstützt von fünfzehn langsam gelutschten Rumkugeln. Die Variationen „Bussi Marianne“, „Gute Nacht Bussi Marianne“, dasselbe, aber diesmal mit – „von“ - zwischen Bussi und Marianne, „Schlaf schön“, „Schlaf gut“, oder einfach nur „Gute Nacht“, alle in den Varianten mit oder ohne ihren Namen. Sollte sie nur ihren Namen schreiben und nichts dazu?

      Sie entschied sich letztlich, für ihre Verhältnisse, sogar relativ spontan für – „Schlaf schön, Marianne“…

      Den Sonntag würde er mit seinem Sohn aus der gescheiterten Beziehung mit Ruth verbringen. Zu seiner Mutter fahren, damit sie ihren Enkel wieder einmal zu sehen bekommt. Schrieb Horst zurück, um Mariannes Frage zu beantworten. Ansonsten enthielt sein Antwortmail von Donnerstag 0 Uhr 10 ausnahmslos romantisch, leidenschaftliche Beschreibungen. Was ihm an ihr und warum so schön, einmalig, bezaubernd, sexy, überwältigend und was sonst noch alles, im Vokabular einer großen Bonboniere, voll farbiger Süßigkeiten Platz fand, um an allen Ecken und Enden, vor Emotionen nur so über zu schäumen. Seine Umschreibungen wirkten auf Marianne sehr überzeugend.

      Sein dringender Wunsch nach mehr, nach viel, viel mehr, war voll herüber gekommen…

      Freie Mittwochnachmittage – der zweite

      Am Freitag hatte Horst bereits ihr Ok für ihren zweiten, gemeinsamen Mittwochnachmittag.

      Nicht per SMS, nicht per Mail, er hatte sie angerufen, am Nachmittag als sie gerade in der Tiefgarage ihr Auto, um zwei große, volle Einkaufstaschen erleichterte.

      Ja, sie freue sich auch auf den Mittwoch, meinte sie, würde ihm am Wochenende sicher ein Mail schreiben. Registrierte freudig, dass er Sehnsucht nach ihr hatte, sogar ganz gewaltige…

      Um 13 Uhr wartete Horst bereits vor ihrem hinteren Geschäftseingang, gleichzeitig die Hinterhofzufahrt zu den Parkplätzen ihrer Firma.

      Es regnete heute bereits seit sie aufgestanden war. Tiefliegende Wolken verhängten die umliegenden Berge mit milchig grauen Tüchern. Dafür hatte der oft permanent, unangenehme Föhn heute Pause. Mit dem Schirm war sie am Morgen zum Bus gegangen, in der Stadt Richtung Büro marschiert. Dort lehnte er nun, im Schirmständer gelangweilt vor sich hin trocknend. Sie hatte ihn dort vergessen, brauchte ihn nicht mehr. Horst würde sie ja abholen. Ab zehn Uhr wurde sie unruhig, das steigerte sich bis elf zu sehr unruhig, in Richtung zwölf wurde ihre Nervosität von Minute zu Minute unerträglicher. Musste sich mit irgendwas ablenken, sonst würde die letzte Stunde nie vergehen. Also goss sie ihre Büropflanzen (und die Fensterbank, den Aktenschrank, den Schreibtisch gleich mit…). Das anschließende von feucht auf trocken wischen erforderte einige lange, halbwegs sinnvoll genutzte Minuten. Der Rechnungsordner M-O forderte wortlos, trotzdem mit Vehemenz, seinen, ihm zustehenden Platz nach dem L und vor dem P. Die Position zwischen E links und H rechts, war er weder gewohnt, noch fühlte er sich dort passend platziert. Sie hatte ihn, in Gedanken ganz wo anders, dort eingeparkt. Geschockt stellte die sonst so perfekte Marianne, ihn auf seinen richtigen Platz. Wie konnte das nur passieren, wie aufgeregt war sie denn und vor allem warum?

      Reiß dich zusammen Mädel, du bist keine siebzehn mehr, das ist nicht dein erstes Rendezvous. Auch nicht dein erstes mit Horst. Zudem, es würde nichts passieren, wirklich einfach gar nichts, was sie nicht selber wollte, was sie nicht zuließ…

      Sie stieg zu ihm ins Auto. Horst küsste sie zärtlich, genauso erwiderte sie seinen Kuss.

      Er schlug vor, ins östliche Mittelgebirge zu fahren, ihr war es recht. Außerhalb der Stadt ließ der Verkehr merklich nach. Die Scheibenwischer sammelten die Regentropfen von rechts nach links auf, um sie am Scheibenrand als Rinnsal, der Frontscheibe entlang hinunterlaufen zu lassen. Sie verfolgte das gleichbleibende, monotone Schauspiel. Es beruhigte sie. Die Klimaanlage sorgte für wohlige Wärme, der CD Spieler Kuschelrock passte gleichermaßen zu ihrer Stimmung und dem diesigen Wetter. Entspannt genoss sie die Fahrt und die Tatsache, dass Horst sein Auto mit links lenken konnte. Seine rechte Hand, verschränkt mit der ihren, auf ihren Oberschenkeln kuschelten.

      In einem Waldstück bog er links auf einen, von der Strasse her, kaum einsehbaren Parkplatz ein. Normalerweise ein stark frequentierter Abstellplatz für die Autos diverser pflichtbewusster Hundegassiführer, sportiver Livestylejogger, mehr oder weniger genervter Kinderbeschäftigungsväter. Heute stand hier nur ein einziges Auto, gleich nach der Einfahrt. Horst fuhr an das hintere Ende des weitläufigen Platzes. Dort gab es gleich mehrere Buchten, in denen zwischen dichtem Unterholz, durchsetzt mit hohen Fichten, immer jeweils nur maximal ein Auto Platz fand.

      Rückwärts verschwand er in einem dieser Schlupflöcher. Beide lösten ihre Sicherheitsgurte, Horst fuhr seinen Fahrersitz etwas zurück. Sie hatte ihre weinrote Lederjacke bereits vor dem Einsteigen ausgezogen, nach hinten auf die Rückbank gelegt. Endlich konnten sie sich in die Arme nehmen. Ihre Küsse wurden immer leidenschaftlicher. Seine gestammelten Liebeserklärungen gingen wie Honig runter.

      Als er seine Hand unter ihrem Pullover immer höher und höher schob, zog sie diese, zwar zärtlich, aber unmissverständlich wieder darunter hervor, behielt sie in ihrer Hand.

      >Horst bitte nicht, nicht hier und heute, lass mir bitte noch etwas Zeit. Ich mag dich auch, aber mir ist es noch zu früh dazu! <

      Seine Enttäuschung war ihm, selbst im regnerischen Waldeshalbdunkel deutlich anzusehen.

      Er entschuldigte sich, wie ein beim Schummeln erwischter Schuljunge, dass er sich nicht beherrscht hatte, zu weit gegangen war. Seine Sehnsucht nach mehr Nähe, hatte jede Zurückhaltung ausgeblendet. Zum ersten Mal gab sie ihm dafür einen zärtlichen Kuss. Seiner intimen Schmuseecke war der Sinn verloren gegangen. Sie lächelten sich versöhnlich unsicher an und Horst startete.

      Oberhalb der alten Salinenstadt bog er in eine Seitenstraße ein, an deren Ende er ein gemütliches Café wusste. Sie war wieder ganz unbefangen, lachte, scherzte, amüsierte sich über seine Witze. Genoss eine der Cremeschnitten, für die dieses Lokal bekannt war, einen Latte Macciato dazu. Horst hatte das gleiche Menü. Anschließend saßen sie noch lange, sehr lange bei einem guten Glas Wein zusammen. Er spielte mit ihren Fingern, sie erkannte mit gemischten Gefühlen, dass sie gerade im Begriff war, sich rettungslos, leider auch ziemlich bedingungslos, in ihr Gegenüber zu verlieben. In dieser Situation dachte sie nicht darüber nach, ob er verheiratet war. Sie hatte ihn nicht gefragt, ja nicht einmal daran gedacht (…oder sich diesen Gedanken nur zwanghaft, aber erfolgreich verboten?).

      Als sie spät abends alleine in ihrem Couchbett lag und den Fernseher abschaltete, ihr Sohn war in seinem Zimmer nicht zu hören, stört daher ihre Gedankengänge nicht, versuchte sie vergeblich einzuschlafen. Schob die Polster höher, setzte sich auf, dachte über ihre neue Beziehung nach.

      Eine solche hatte sie, ohne Zweifel, es war eine Beziehung. Nein, lange konnte sie Horsts Sehnsucht, sein Verlangen danach, mit ihr zu schlafen wohl nicht mehr bremsen. Wozu auch, wollte es ja selbst genauso. Sehnte sich nach seinen Umarmungen, nach noch viel mehr als nur nach diesen. Ewigkeiten hatte sie mit keinem Mann mehr geschlafen.

      Wie würde es sein mit Horst?

      Sie stellte sich einen gleichermaßen liebevollen, wie bestimmenden Liebhaber vor. Diese Gedanken waren schön, sehr schön, aber sie erregten sie auch stark, ungewöhnlich stark sogar.

      Mit Telefonaten (meist um sieben Uhr früh), SMS (tagsüber verteilt, aber immer mehrere) und Mails(sie schrieb jeden Abend, Horst konnte wahrscheinlich nicht immer antworten), verging die Woche.

      Für Marianne energiegeladen, erfolgreich. Vormittags spielte sie Sekretärin, die Nachmittage verbrachte sie stundenweise im Büro mit Herrn Tanzer. Der gab sich, mit großem Erfolg und noch mehr Einfühlungsvermögen, wirklich alle Mühe, seiner auserkorenen