Название | wie Hulle |
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Автор произведения | Peter Baldinger |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738040531 |
Einige Tage später kam das dicke Ende: Ein eingeschriebener Brief von der Kripo und eine Vorladung zu einem neuen Verhör. Das gab mächtig Zoff mit den Eltern. Muttern rannte mit zum Revier und scheuerte mir regelmäßig welche.
Die Kripo versuchte uns einen Bandenkomplott anzuhängen. Wir sollten einen Anführer nennen, der dann verknackt würde. Aber keiner sagte was.
Die Richter (jeder kriegte eine Einzel-Verhandlung) waren dann ganz gnädig, Meschan und ich kriegten eine Akte, „auf Lebenszeit“, und Shorty musste an 10 Wochenenden im Zoo Dung schaufeln.
Mit der hochfrisierten Starflight Mofa jagte ich mit fast 70 Sachen (Tachoanzeige) zu den Kiesteichen. Es war richtig heiß und ich fuhr barfuß und im T-Shirt. Irgendso ein Fahrradarsch schnitt meinen Weg und ich stürzte. Der kochend heiße Kühler schröggelte sich in mein Bein.
Ich fuhr weiter bis zum Hauptteich. Dann zeigte ich die Scheiße einem Typen vom DLRG. Der rief sofort einen Krankenwagen. Nervig, nervig. Die Wunde wurde geklammert und verheilte nur schlecht.
Weil die Mofa so hoch frisiert war, kriegte sie immer mehr Macken (die Bremszüge rissen dauernd, weil man den Gaszug so einstellen musste, dass sie auch im Standgas 40 fuhr; ein schleifendes Getriebe; vom Vibrieren überall lockere Schrauben). Besonders nachdem Meschan und ich seine Tante in Detmold besucht hatten. (Astreine Fahrt auf der ich ab und zu Mopeds abgehängt hatte. Die haben vielleicht Bauklötze gestaunt.)
Detmold selbst war dagegen eher schwierig gewesen. Wir hatten versehentlich mit einem Luftgewehr einen Vogel totgeschossen. Meschan war deshalb unglaublich geknickt gewesen, weil er ja katholisch war. Aber ich war es auch, weil mir der Vogel leid getan hatte.
Jedenfalls wurde es Zeit, die Mofa zu verkloppen. Ich fand auch einen Deppen: den Sohn des Budenbesitzers auf der Sallstraße. Er gab mir satte 200 Mark dafür.
Schon eine Woche später war der Vater, als ich Bier kaufte, extrem unfreundlich. Er sagte, dass ich seinen Sohn reingelegt hätte. Stimmte ja auch.
Wieder eine Woche später stand die Mofa da und er demonstrierte mir, was alles kaputt war. Das schlimmste war, dass sie einen Kolbenfresser hatte. Konnte man also wegschmeißen.
Ich verdrückte mich und ging fürs Bier kaufen fortan zu einer anderen Bude.
Samstagmittag. Altstadtfest. Meschan und ich kauften an einem Kiosk eine Literflasche billigen Landjägerkorn. Allgemeiner Treffpunkt des Säuferkollektivs war ein Fleckchen Wiese mit einem verkrüppelten Baum drauf. Dort saßen auch schon alle: Bonzo, Mieza, Tobias, Schmaly, Kretsch, Shorty und andere. Sie grölten und klatschten zur Begrüßung. Auf einer Bühne spielten schlechte Bands. Tausende von Leuten quetschten sich deshalb an der Wiese vorbei.
Ich hatte eine meiner zerfetzten und geflickten Wrangler-Jeans mit Schlag an, dazu ein Hippie-Hemdchen. Ich steckte Räucherstäbchen in die knochige Erde und Meschan und ich soffen den Schnaps. Am Anfang mit O-Saft, später pur. Ziemlich schnell war ich voll breit und torkelte durch die Gegend. Mir war klar, dass ich alle anrempelte, aber es war nicht zu verhindern. Endlich fand ich einen Platz zum Pullern. Aber auf dem Rückweg verlief ich mich und es dauerte ewig, bis ich den Grünstreifen wiederfand. Dann legte ich mich ab und schlief trotz des Lärms ein.
Als ich wieder aufwachte, wurde es dunkel. Eins von den Mädchen, die irgendwie zum Kollektiv gehörte, kam zu mir rüber und fing an, mit mir zu quatschen.
„Ich heiße Lene“, sagte sie und lächelte prima.
„Wie alt bist du?“ fragte ich sie, weil sie mir sehr jung vorkam.
„Dreizehn“, sagte sie. Ihr Lächeln war wirklich dufte und schließlich war ich erst fünfzehn.
„Ich bin die jüngere Schwester von Elke“, fuhr sie fort. Auf Elke fuhren eigentlich alle vom Kollektiv ab. Ihr Zinken war irre lang und mit Knick, die Haare strohblond und glatt, ihre Brustwarzen zeichneten sich immer dufte durch die T-Shirts ab. Außerdem ging sie ganz doll über den großen Onkel und rauchte umständlich, aber elegant ihre dünn gerollten Zigaretten. Sie knutschte nur mit den ganz Harten rum. Ein Weichei wie ich, hatte bei ihr null Chance.
Auch Lene ging etwas über den großen Onkel.
Während wir weiter irgendwelches Zeug (Schule, Kumpels, etc.) quasselten, fand ich ihre Locken, das Gesicht und den Rest immer süßer.
Sie streichelte meine Hand. Wir fixierten uns. Nach einer kleinen Ewigkeit drehte sich ihr Mund zu meinem und sie küsste mich zärtlich. Ich unterbrach den Kuss. Mir war eingefallen, dass ich nach all dem Fusel schrecklich schmecken musste. Also griff ich eine Flasche herumstehendes Bier und trank einen langen Schluck. Dann küssten wir uns endlich und ich strich ihr immer wieder durch ihre weichen Locken.
Auf einmal sagte sie: „Ich muss jetzt gehen. Mein Vater ist ultrastreng und ich bin sowieso schon viel zu spät.“ Langsam öffnete ich meine Augen. Das war komisch, denn das Tageslicht war jetzt weg.
Wir wühlten uns zu einer Straßenbahnhaltestelle und klebten dort aneinander, bis eine Bahn kam.
Lene löste sich aus meiner Umarmung und stieg ein. Unsere Augen waren solange verknotet, bis ich sie nicht mehr sehen konnte.
Als ich zurück zur Wiese stolperte, überwältigte mich ein brutales Gefühl absoluter Einsamkeit. Sogar Tränen rannen meine Wangen runter. Das war neu gewesen.
Immer noch quetschte sich ein nicht abreißender Strom an Menschen an der Wiese vorbei. Grässliche Funk-Mucke müllte einem die Ohren zu. Grelle Lichter rasten über die Bühne. Es stank erbärmlich nach Erbrochenem.
Meschan reichte mir ein Bier und wir schepperten die Flaschen gegeneinander. Ich war so wütend und so glücklich zugleich, dass es mich zerriss. Wütend, weil ich mich sinnlos betrunken hatte, ohne erst mal zu sehen, was so abging. Glücklich, weil Lene nun meine Freundin war.
Ich besuchte Lene. Sie wohnte nicht weit von uns. Gleich nach der Schule klingelte ich. Ihre kleinere Schwester Uta war da und auch Elke. Wir hörten zusammen ‚Au-delà du délire‘ von ‚Ange‘. Ultrakitschig. Lene brühte Tee. Dann hörten wir von ‚King Crimson‘ die mit dem aufgerissenen Maul (‚In the Court of the Crimson King‘). Elke zuckelte irgendwo hin und Uta verschwand in ihr Zimmer Hausaufgaben machen. Also knutschten Lene und ich ein bisschen und redeten dufte.
Kurz vor sieben kam der Vater ins Zimmer.
“Es ist jetzt Zeit zu gehen“, sagte er nur.
Ich lächelte etwas ungläubig, weil es ja erst sieben war.
Aber nach fünf Minuten kam er wieder rein. Diesmal hatte er eine Lederjacke an.
„Ich hab‘ mich doch eben klar und deutlich ausgedrückt, oder?“ sagte er nun wirsch.
„Sei doch nicht so“, flehte Lene. Aber er bliebt hart.
Wir küssten uns noch mal im Hausflur und ich machte mich vom Acker.
In einer Schule, die gleich gegenüber von meiner lag und dessen Schüler automatisch so was wie natürliche Feinde waren, war eine Fete. Lene und ich wollten uns vor dem Tor zum Schulhof treffen. Weil ich sie nirgends sah, soff ich mit den Jungs vom Säuferkollektiv und wartete. Sie kam aber nicht. Als es mir zu bunt wurde, ging ich rein. Versetzt zu werden, war ja wohl das letzte. Beleidigt streifte ich durch die Flure des alten Gebäudes bis zur Mensa und musterte die Millies. Es gab nur wenige, da diese Schule noch immer ein reines Jungengymnasium war.
In der dunklen Mensa sah ich dann Lene! Sie tanzte eng umschlungen mit Wolle! Der gehörte irgendwie zum Kollektiv. Randfigur. Sie blieben umschlungen stehen. Wolles dicke Locken und Lenes Locken vereinten sich zu einem riesigen Knäuel. Sie küssten sich! Dann drehten sie sich langsam zu einem Blues. Es war unfassbar!
Plötzlich bemerkte mich Lene und ihre Rumwackelei gefror. Weil mir nichts anderes einfiel, ging zu den beiden rüber. Alles war ungeheuer peinlich.
„Na?“ sagte