Die Köchmüller-Papiere. i.A. - H.T.K.

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Название Die Köchmüller-Papiere
Автор произведения i.A. - H.T.K.
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742767455



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Vernehmung durch die Betrugsabteilung der Polizei, nach einem, versehentlich, vermittelten Vorstellungsgespräch, bei einer kriminellen Autoschieberbande!< ???“

      Stumm ging Heinrich den Satz noch einmal durch.

      „Tschä! – Die Wahrheit passt ja nicht mal auf die Linie...“

      Sie, wiederum, starrte ihn an, während, hinter ihrer Stirn, intensive Datenverarbeitung betrieben wurde. Ihr Bio-Computer war schnell zu einem Ergebnis gekommen. Mit der erarbeiteten Erkenntnis und dem Wort „…Autoschieber…“, griff sie zur Zeitung. Flinken Fingers begann sie zu blättern, fand die gesuchte Seite jedoch nicht sofort.

      Heinrich ahnungsvoll: „Sparen Sie Sich das! – Ja, das bin ich…- und auch wieder nicht! Von dem, was die in dem Blatt zusammenschmieren, stimmt zum Glück kein Wort! Schauen Sie mich an! Ich bin hier, stehe direkt vor Ihnen, und bin nicht auf der Flucht ums Schwarze Meer.“

      Sie, mittlerweile Hauptartikel und Foto des Lokalteils vor Augen: „Dacht' ich mir's doch: Die Bilder... - Das Gesicht... Also, in Ihrem Falle sollten Sie sich dringend rechtlich beraten lassen.“

      Heinrich kurz angebunden: „Hab' heute Nachmittag einen Termin.“

      Die Bürokratin erwies sich nun doch als hilfsbereit, gab ihm den Hinweis auf einen Bildungskurs, der im Gebäude lief. Ein entsprechender Dozent sei dort mit der Durchführung eines mehrtägigen Rechtskunde-Blocks betraut, mit diesem könne er doch, vor Unterrichtsbeginn, ein paar Worte wechseln, bevor er überhaupt etwas in das Formular eintrage. Sie deutete auf einen massigen Zwei-Meter-Mann, der soeben zur Tür hereintrat. Minuten später, nutzte Heinrich die Gelegenheit, passte den Mensch gewordenen Schrank vor dem Treppenhaus ab, hielt ihm ergänzend, während kurzer Vor- und Sachstands-Darstellung, die Meldung des Presse-Erzeugnisses unter die Nase. Der Dozent für Vertragsrecht, schien häufig mit skurrilen Fragen aus den aufgezwungenen Lebenssituationen der Kursteilnehmer konfrontiert zu sein. Darum reagierte er auch auf den Zeitungs-Artikel und Heinrichs kommentierende Worte, mit einer neutralen, geradezu standardisiert klingenden, Feststellung: Er sei eigentlich Spezialist für kaufmännische Dinge, könne aber pauschal sagen, dass ohne entsprechend anerkannten Hinderungsgrund:

      „…also Vorstellungstermin, Vorbereitung einer Arbeitsaufnahme oder eine >gelb unterlegte Erkrankung< für den Tag des Fehlens kein Geld gibt.“

      „Das heißt, offiziell war ich gestern nicht den ganzen Tag auf dem Polizeirevier? Stattdessen Formalien für den `neuen Arbeitgeber´ erledigt?“

      Die Dozenten-Schultern wurden etwas angehoben, der Kopf kippte ein wenig in Schräglage, unterstrich somit die rhetorische Frage: „Waren Sie das nicht?“ „Nee!!! Ich wurde betrogen!!!“ „Tja, das müssen Sie entscheiden.“ Der Hüne erkundigte sich abschließend nach Heinrichs Rechtsbeistand, bezüglich der sicherlich anstehendenden Forderungen von Seiten des Auto-Vermieters. Heinrich verschwieg vorerst den anstehenden Nachmittagstermin, bat um die Empfehlung eines versierten Kollegen. Der Dozent brummte demonstrativ, nannte, nach kurzer Überlegung, die Kanzlei Dr. Tasch. Die Tätigkeitsschwerpunkte Wirtschafts-, Insolvenzrecht, Finanzkriminalität und Betrugsdelikte aller Art hätten, sowohl den Chef, als auch dessen Helferlein, überregional bekannt gemacht.

      „…Besonders wenn ihm ein Fall am Herzen liegt, er etwas persönlich nimmt, dann wird er zum Terrier“, meinte der Dozent und fuhr fort: „Unter seinem Dach sitzen reichlich zwei Dutzend Fachanwälte. Wenn Sie Glück haben, wird sich einer seiner Lohnsklaven aus der dritten Reihe Ihrer erbarmen. Sie sind doch Kassenpatient; ich meine: Es läuft doch über den üblichen Rechtsschutz? Den Alten selber oder seine Partner werden Sie ja wohl kaum zu Gesicht bekommen. Die übernehmen nämlich nur richtige, das heißt: Ertragreiche Fälle.“

      Heinrich reagierte nicht auf die Rechtschutz-Frage, war vielmehr über die empfohlene Adresse erheitert, hatte diese sogar erwartet. Daher charakterisierte er den Berufsstand des anderen mit den Worten, „…Ihr seid schon eine Mischpoke…“, entschuldigte sich sogleich für die Wortwahl, erwähnte die bereits vereinbarte nachmittägliche Terminierung, an ebendiesem vorgeschlagenen Ort und begründete die Wahl mit der Tatsache, dass der Kanzlei-Chef der Hausanwalt seiner verschwägerten Sippschaft sei. „Aha“, machte der andere nur. Heinrich murmelte gedankenverloren: „Die Schonhoffs sind gern gesehene Kunden, in jeder Kanzlei.“

      „Ahh – Schonhoff. Da gehören Sie dazu?“

      Unmerklich biss sich Heinrich auf die Lippen, schalt sich selbst unnötiger Geschwätzigkeit, konnte er doch vom Gesicht des anderen die unausgesprochene Frage geradezu ablesen, was wohl ein Clan-Mitglied hier, an dieser ungastlichen Stätte, zu suchen habe. Heinrich widerstand dem forschenden Blick des Riesen und erkundigte sich, ob dieser selbst, bereits, seine Dienste im `Palais´ anbieten durfte, unterlegte während seiner Worte, durch Körpersprache, die eigene Distanz zum Clan. Der Dozent verwies nur auf die, ihm obliegende, Verschwiegenheitspflicht. Woraufhin Köchmüller grinsend anbot, „…bei der nächsten Audienz dem alten Schonhoff ein paar unterwürfige Grüße zu übermitteln.“ „Das bleibt Ihnen unbenommen.“ Im demonstrativ neutralen Gesicht des Großen zuckten die Mundwinkel eine Winzigkeit.

      Er kam sogleich auf das eigentliche Thema zurück: Heinrich müsse von Amtswegen mit einer negativen Reaktion rechnen, wenn er nicht doch, rein zufällig, ein Bewerbergespräch bei der Polizei gehabt habe. Diesem war immer noch nicht nach Ironie zumute, sodass er diese billige Finte zurückwies. Der Schrank reagierte mit dem Hinweis, Köchmüller möge in diesem Falle, den absehbar notwendig werdenden Widerspruch, persönlich einreichen und bei der Gelegenheit den klaren Entschluss aussprechen, sich, bei erneuter Ablehnung, an die Medien wenden zu wollen. „…Könnte sein, dass die den Schwanz einziehen, bevor sich die Öffentlichkeit dafür interessiert. Aber…“ Des Dozenten Augen wanderten kurz zur Armbanduhr, dann den mittlerweile menschenleeren Gang entlang, und die Treppe hinauf: „…wie gesagt: Unter der Überschrift `Bewerbungsnachbereitung´ kommt Sie das alles – vor allem nervlich – viel billiger.“

      „Nääh!!“ Heinrichs Zorn war unübersehbar. „Ich fange jetzt nicht an, zu lügen. Die Bürokraten haben mir das doch eingebrockt...“ Der andere zuckte mit den Schultern, ergriff das Treppengeländer und wuchtete sich, unter Enthalt jedes weiteren Kommentars, hinauf, zu den Unterrichtsräumen für die längerfristig laufenden Lehrgänge.

      Der Rest des Tages sollte durch zweckfreien Zeitvertreib gefüllt werden; so empfand es Heinrich T. Köchmüller, angesichts des Themas dieses Tages: „Hobbies als Soft-Skills im Bewerbungsprozess“ Diesen Punkt sollten die Teilnehmer, während der folgenden acht Stunden über sich ergehen lassen. Das war unabänderlich in den ausgehängten Ablaufplan des Kurses gemeißelt. Der angespannte Ex-Banker lauschte den merklich unwillig vorgetragenen, einführenden Worten des Jung-Dozenten und, trotz allem, erhoffte er sich innig eine nervenentlastende Ablenkung, von den bedrückenden Erlebnissen der vergangenen 48 Stunden. Die gewünschte Zerstreuung hielt sich jedoch in engen Grenzen. Reihum war jeder Teilnehmer dazu aufgerufen, zu der schwammigen Aufgabenstellung, einen Beitrag zu leisten. Das bedeutete de facto: Ein möglichst ausgiebiger Bericht über die jeweiligen privaten Steckenpferde. Das, vom einzelnen Teilnehmer, Genannte wurde, unmittelbar im Anschluss, auf die Möglichkeit einer beruflich ergänzenden Nutzbarkeit abgeklopft und, in unübersehbarer Weise, über alle vernünftigen Maße, zerpflückt. Das Dozenten-Bübchen schien tatsächlich die Vorgabe einhalten und den Vortrags-Reigen merklich über den ganzen Tag hinweg ziehen zu wollen, wie das sprichwörtliche Kaugummi. Einzige Abwechslung: Der erste Dominostein des Berichtsreigens wurde in der letzten Reihe angestoßen. So hatte Heinrich die mehr und mehr ungewollte Möglichkeit, vor dem Aufruf seiner Person, dem Ödnis verbreitenden Gestotter so manch eines Teilnehmers, mit gelangweiltem Desinteresse zu folgen.

      Binnen Kurzem drängte sich ihm der Gedanke auf, dass sich sogar Cronos persönlich an dem garstigen Spiel beteiligte. Ihm schien, als machte sich der Gott der Zeit einen Spaß daraus, den Uhrzeigern, an der Stirnwand des Raumes, die Anweisung zu erteilen, den besonders kleinen Kriechgang einzulegen.

      Heinrichs Aufmerksamkeit wechselte unwillkürlich vom einförmigen