Название | Tod du Fröhliche |
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Автор произведения | Martin Cordemann |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847672746 |
„Ich suche...“, begann ich.
„Eine Person?“
„Exakt!“ Ich suchte den Abteilungsleiter.
Der Mann deutete auf einen älteren Mann an einem Schreibtisch, der damit beschäftigt zu sein schien, Kreuzworträtsel in seine Schreibmaschine einzugeben. „Der Mann dort, Herr Weiß, ist für die Annahme von vermissten Personen zuständig!“
„Werden denn manchmal welche abgegeben?“
„Bitte?“
„Ich meine, wenn er die vermissten Personen annimmt, dann müssen doch auch welche abgegeben werden... Oder ist das nur so ne ABM-Stelle und keiner hat dem armen Mann gesagt, dass nie jemand vorbeikommen wird, um eine vermisste Person abzugeben?“
„Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz...“
„Eigentlich wollte ich keine vermisste Person abgeben, sondern ich suche den Leiter dieser Abteilung!“
Ich lächelte freundlich durch meinen paar-Tage-Bart.
„Der steht vor Ihnen. Horstmann!“
„Angenehm, mein Name ist Harry Rhode, ich bin...“
„Sie sind Harry Rhode?“ Sein erschrockener, entgeisterte Fassungslosigkeit ausdrückender Blick musterte mich eingehend von oben bis unten. Horstmann schluckte. „Sie sehen so...“
„Wild?“
„...aus! Ich hatte Sie mir... irgendwie anders vorgestellt!“
„Tja, den Fehler begehen viele. Aber: Kein Umtauschrecht, glaube ich!“
„Sieht wohl so aus.“ Er rümpfte die Nase. „Na, dann herzlich willkommen im Vermisstendezernat.“ Er reichte mir die Hand. „Sie haben einen guten Tag erwischt, heute ist nichts los! An manchen Tagen, Karneval zum Beispiel, kommen hier die Leute in Scharen rein und suchen ihre Frauen, Männer, Haustiere und Autos. Die meisten finden sich dann mit einem gehörigen Kater wieder ein...“
„Auch Autos?“
Er überging das.
„...einige nie! Kommen Sie, Rhode, ich führe Sie durch unsere bescheidenen Büroräume.“ Horstmann ging vor mir her, zuerst zu dem Mann, an den er mich zuvor hatte verweisen wollen. „Roland, das hier ist unser neuer Mann, Harry Rhode.“
Roland Weiß sah auf und musste grinsen.
„Angenehm Herr Rhode. Ich sehe, Sie waren schon als verdeckter Ermittler tätig!“
„Nein, ich bin nur schlampig!“
„Daran lässt sich wahrscheinlich nichts ändern, oder?“ fragte Horstmann hoffnungsvoll. Ich schüttelte den Kopf. Resignierend fuhr er fort: „Unsere Abteilung ist recht klein, trotzdem brauchen Sie sich nicht einzubilden, dass Sie ein eigenes Büro bekommen. Sie werden sich hier zusammen mit Roland und all den anderen dieses Büro hier teilen.“ Er ging durch eine Tür in der Seitenwand und wir erreichten einen Vorraum. Eine betagte Sekretärin saß hinter einem betagten Schreibtisch und schlug auf eine betagte Schreibmaschine ein. „Frau Dittmann kennen Sie sicher?“
„Wir haben telefoniert.“
Sie nickte mir zu und tippte dann weiter.
„Und hinter dieser Tür befindet sich dann mein bescheidenes Büro.“ Er hatte nicht untertrieben, bescheiden war durchaus der richtige Ausdruck. Horstmann nahm hinter seinem bescheidenen Schreibtisch Platz, der mit einer Schreibmaschine schon überfüllt gewesen wäre und deutete mir an, mich zu setzen. „Erstmal freue ich mich, Sie bei mir zu haben. Ich glaube, eigentlich sollten Sie zur Mordkommission, weil Sie da irgendwas mit Kronzucker am Laufen hatten...“
„Er war es, der mich überhaupt in den Polizeidienst gebracht hat!“
„Ja, aber... Sie werden verstehen, wir haben hier im Moment einen Mangel an Leuten im Vermisstendezernat, aber ich denke, in ein paar Wochen werden Sie schon bei der Mordkommission landen, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.
Also gut, kommen wir zu mir. Ich bin ein Mensch, der sich weniger vom ersten Anschein oder vom Äußeren beeindrucken lässt, für mich zählt der Charakter eines Menschen mit seinen Begabungen mehr. Das bedeutet, dass mir Ihr schlampiges Äußeres egal ist, wenn Sie wenigstens gut in Ihrem Job sind. Wenn nicht, bekommen wir wahrscheinlich Probleme miteinander.
Außerdem bin ich ein nervöser Typ, in diesem Büro hier ist es mir zu eng und ich kriege klaustrophobe Anfälle. Also wundern Sie sich nicht, wenn ich ab und an in Ihrem Büro auf und ab gehe, ich will Sie nicht überwachen, ich brauche nur meinen Auslauf!“
Er lächelte.
„Letztendlich zu Ihrer Arbeit: Wir nehmen hier nur die Bestellungen entgegen, sehen uns in unseren Beständen um und entweder haben wir etwas oder wir haben nichts. Ein wichtiger Punkt sind kleine Kinder. Wenn Eltern ankommen und Ihnen sagen, dass eines ihrer Kinder verschwunden ist, oder seit ein paar Tagen nicht mehr nach Hause gekommen, könnte es eventuell ernst werden. Das sage ich Ihnen, aber nicht Sie den Eltern! Die nehmen sowieso schon an, dass es ernst ist, sonst kämen sie nicht zu uns. In dem Fall nehmen Sie die Personalien auf, lassen sich ein aktuelles Photo geben und kommen damit zu mir.“
Er rieb sich die Stirn.
„Glauben Sie bitte nicht, dass es mir Spaß macht, kleine Kinder zu suchen. Wenn die weg sind, brauchen wir meistens entweder das Sitten- oder das Morddezernat – oder beides! Mit etwas Glück tauchen die auch so wieder auf und alle sind heilfroh, ich eingeschlossen, das können Sie mir glauben!
Erstmal kommen Sie aber zu mir und dann leiten wir alles in die Wege, vervielfältigen das Photo, schicken ne Suchmeldung raus und so weiter. Dann heißt es warten. Sollte man das Kind dann nach n paar Tagen in irgendeinem Wäldchen tot auffinden, fahre ich zu den Eltern raus und... naja, das können Sie sich ja denken.
Und dann geht der Fall automatisch an die Mordkommission, die sich wahrscheinlich schon seit der Suchmeldung darauf eingestellt hat, in Aktion zu treten. Ich weiß, das klingt jetzt alles sehr kalt und routinemäßig, aber das ist es nicht! Es ist ein scheiß Job, sage ich Ihnen! Ich hasse es, den Eltern mitteilen zu müssen, dass ihr Kind...“
Er lächelte traurig ein so-ist-nunmal-das-Leben-Lächeln.
„Das ist erstmal das wichtigste, das Sie wissen müssen. Roland wird Ihnen weiterhelfen, wenn Sie Fragen haben. Tja, dann wünsche ich Ihnen einen guten Start hier in unserer Abteilung.“
Er erhob sich und reichte mir die Hand.
In dem merkwürdigen Raum, den man keineswegs reinen Gewissens als „Büro“ bezeichnen konnte, bearbeitete Weiß noch immer seine Schreibmaschine. Ich setzte mich an einen freien Schreibtisch und wartete. Nichts passierte. Weiß hatte sein Kreuzworträtsel gelöst und zog das Blatt aus der Maschine. Er sah zu mir herüber und lächelte. Ich zuckte mit den Schultern und fragte: „Soll ich irgendwas tun?“
„Haben Sie etwas, das Sie tun können?“
„Nein!“
„Dann tun Sie das!“ Er lächelte. „Erfreuen Sie sich doch an diesem schönen ruhigen Tag. Es werden andere kommen, die weder schön noch ruhig sein werden.“
„Und was mache ich hier sonst?“
„Sie nehmen Vermisstenanzeigen entgegen. Dann legen Sie sie dem Chef vor oder geben sie gleich weiter. Taucht die vermisste Person oder das Tier oder der Gegenstand wieder auf, was nicht eben oft passiert, dann verständigenden Sie den Anzeigesteller. Taucht er oder es beim Anzeigesteller selbst auf, verständigt der Sie – hoffentlich! –, taucht er oder es nicht wieder auf, schließen wir nach einiger Zeit die Akte und die Sache vermodert.“ Weiß hob die Schultern. „Ist ‘n Schreibtischjob!“