Afrikanische Märchen auf 668 Seiten. T. von Held

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Название Afrikanische Märchen auf 668 Seiten
Автор произведения T. von Held
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742763129



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Söhne sind? Die kommende Nacht darfst du

       nicht schlafen, sondern mußt wachen und Sorge tragen,

       daß die Vögel nicht fortfliegen. Morgen früh

       werde ich sieben Knaben erwählen, die sollen die

       Vögel fangen.«

       Der alte Mann tat, wie sein Häuptling ihm geboten

       hatte.

       Am folgenden Morgen sammelte dieser seinen

       Stamm um sich und erzählte von den Vögeln. Hierauf

       wählte er sechs der mutigsten Knaben, gesellte ihnen

       seinen Sohn bei, der stumm war, und hieß sie gehen,

       um die Tiere zu fangen. Bei seinem Zorn verbot er

       ihnen, ohne dieselben vor seine Augen zu treten.

       Dann gab er ihnen Waffen und befahl ihnen, jedermann

       zu töten, der sich ihnen etwa wiedersetzen wollte.

       Mehrere Tage hintereinander verfolgten die Knaben

       nun die Vögel, ohne sie fangen zu können. Endlich

       aber fielen sie erschöpft zur Erde und ließen sich

       willig aufheben. An der Stelle, wo die Knaben ihre

       Aufgabe gelöst hatten, blieben sie über Nacht.

       Am nächsten Morgen machten sie sich auf den

       Heimweg. Sie kamen zu einer Hütte, in der ein lustiges

       Feuer brannte; aber es war niemand darin. Da gin-

       gen sie hinein und legten sich schlafen.

       In der Nacht aber wachte der eine der Knaben auf

       und hörte eine Stimme sagen:

       »Hier ist ja schönes Fleisch! Zuerst werde ich diesen,

       dann jenen, dann den dort nehmen; zu allerletzt

       soll der mit den kleinen Füßen dran kommen.«

       Der »mit den kleinen Füßen« aber war der Sohn

       des Häuptlings. Sein Name war Sikulume. Bis zu

       dem Tage, an dem er den Vogel gefangen hatte, war

       er stumm gewesen, nun war seine Zunge durch ein

       Wunder gelöst.

       Der Knabe, welcher die unheimliche Stimme gehört

       hatte, lag mehrere Minuten ganz still. Dann sah

       er beim schwachen Strahl des Mondes, daß der Sprecher,

       ein breitschultriger, großer Mann, zur Hütte hinausging,

       wahrscheinlich, um seine Freunde zum

       Mahle zu laden. Sofort weckte der Knabe seine Kameraden

       und teilte ihnen mit, was er gehört hatte. Sie

       verlachten ihn aber und meinten:

       »Du hast geträumt. Es ist niemand in der Hütte gewesen.

       «

       Er antwortete: »Geträumt habe ich nicht; ich rede

       die Wahrheit.«

       Sie verabredeten nun, daß einer von ihnen wachen

       solle, und sobald dieser ein verdächtiges Geräusch

       höre, die anderen wecken müsse.

       Nach einer kleinen Weile waren sie bis auf einen

       wieder in festen Schlaf gefallen. Es währte gar nicht

       lange, so ließen sich Schritte vernehmen und gleich

       darauf dieselben Worte wie vorhin.

       »Sie werden alle gleich hier sein,« schloß der Kannibale

       seine Rede und rieb sich vergnügt die Hände,

       indem er wieder zur Tür der Hütte hinaustrat.

       Der zum Tode erschrockene Knabe rief seine Gefährten,

       und in wenigen Sekunden befanden sie alle

       sich auf der Flucht.

       Als der Kannibale aber mit seinen Freunden die

       Hütte betrat, die jetzt leer war, fielen die Betrogenen

       über den Betrüger her – denn sie glaubten seinen Beteuerungen

       nicht – und verspeisten ihn.

       Sikulume war geflohen, ohne in der Hast an seinen

       Vogel zu denken. Als er dies bemerkte, beschloß er

       sofort umzukehren; denn er fürchtete den Zorn seines

       Vaters mehr als die Blutgier der Kannibalen.

       Seine Gefährten suchten umsonst, ihn von seinem

       Vorhaben zurückzuhalten.

       »Seht her,« rief Sikulume und bohrte seinen Assegai3

       in die Erde, »wenn dieser fest und still steht,

       dann sollt ihr wissen, daß ich in Sicherheit bin; bewegt

       er sich hin und her, so wißt, daß ich fliehe, fällt

       er aber hin, so sei es euch das sichere Zeichen meines

       Todes.«

       Damit ging er von ihnen und wandte sich der Hütte

       der Menschenfresser zu.

       Auf dem Wege dorthin traf er ein altes Weib; das

       saß auf einem großen Steine und rief ihm zu:

       »Wohin gehst du?«

       Er sagte es ihr.

       Da nahm die Frau aus einem Korbe etwas Fett und

       gab es dem Sohne des Häuptlings.

       »Nimm dies,« sprach sie. »Wollen die Kannibalen

       dir etwas anhaben, so wirf ein wenig davon auf einen

       Stein.«

       Dann war die Alte verschwunden, Sikulume ging

       weiter. Als er zu der Hütte kam, fand er sie leer; nur

       sein Vogel saß mit hängenden Flügeln am Eingange.

       Schnell nahm er ihn auf. In demselben Augenblick

       aber hatten die Kannibalen von weitem den Knaben

       bemerkt und kamen mit lautem Geschrei auf ihn zugerannt.

       Sikulume floh, so schnell seine Füße ihn tragen

       wollten; aber seine Verfolger verstanden das Laufen

       gut, und in wenigen Minuten hatten sie ihn fast eingeholt.

       Da warf Sikulume etwas von dem Fett, welches die

       Alte ihm gegeben hatte, auf einen Stein. Kaum sahen

       dies die anderen, als sie sich in wilder Gier auf den

       Stein warfen. Es entstand ein Handgemenge unter

       ihnen, bis einer den Stein verschluckt hatte. Dann erst

       setzten sie ihre Verfolgung fort. Wieder waren sie

       nahe an Sikulume herangekommen, als dieser abermals

       von dem Fett, was er noch hatte, auf einen Stein

       warf. Dasselbe Schauspiel wie vorhin wiederholte

       sich. Schließlich stürzten die Kannibalen über den,

       welcher den Stein verschlungen hatte, her und töteten

       ihn. Sikulume hatte inzwischen einen guten Vorsprung

       bekommen; dennoch sah er mit Schrecken,

       daß seine Feinde sich ihm immer mehr näherten.

       Um besser rennen zu können, warf er das Tuch,

       welches er um seine Hüften geschlagen hatte,