Название | Welt mit kleinen Fehlern günstig abzugeben |
---|---|
Автор произведения | Peter G. Kügler |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847694700 |
„Ich hab das mal kurz überschlagen. Eine Komplettsanierung dieses Körpers inklusive Fassadenarbeiten plus energetischer Erneuerung würde das Budget für die nächsten zehn Jahre übersteigen. Das Essen noch nicht mit eingerechnet...“, sagte der Planer.
„Bitte?“
„Aber du hast doch damit angefangen. Von wegen Funktionstest, miserabler Zustand, renovierungsbedürftig und so.“
„Ähm, ich weiß, ich bin lange nicht so schlau wie ihr…“, mischte sich eine neue Stimme ein, „…und ihr seid kurz vor einer bahnbrechenden Lösung, aber vielleicht würde es in dieser Situation schon helfen, einfach die Augen zu öffnen.“
Diesem etwas zaghaft vorgebrachten Vorschlag konnte Max nur zustimmen. Die anderen hielten kurz inne. Er spürte förmlich, wie sich gegenseitig musterten.
„Äh ja, nun gut. Probieren könnten wir es ja mal. Kann bestimmt nicht schaden, für eine detaillierte Fallanalyse mehr Informationen von außen zu bekommen. Also alles zum Augen öffnen vorbereiten! Aber nur eins! Wir wollen keine Überlastung riskieren! Energie auf die Augenlider umlenken!“
Max spürte, wie sich sein linkes Augenlid langsam hob und sich eine geballte Ladung Licht in sein Auge ergoss.
„30% über Maximum! Wahrnehmungssysteme kurz vor der Überlastung!“ schrie es in seinem Kopf.
„Scheiß drauf! Entweder sind wir gleich Helden oder verrecken alle beim Versuch, diesem Wrack neues Leben einzuhauchen! Es gibt kein Dazwischen! Ruhm oder Tod! Anderes Auge öffnen!“
„Aber Kapitän! Die Systeme!“
„Beide Augen auf oder ich lasse dich wegen Meuterei kielholen!“
„Aye, Sir!“
Noch während Max darüber nachdachte, welchen Titel der Piratenfilm gestern im Fernsehen trug und wer die Hauptrolle spielte, wurde sein rechtes Auge geöffnet. Die eindringenden Lichtphotonen lösten schmerzhafte Explosionen auf seiner Netzhaut aus und die Todesschreie in seinem Kopf formten sich zu einem unerträglichen Crescendo. Der Techniker versuchte sich Gehör zu verschaffen.
„60% über Maximum und steigend! Schutzschilde komplett ausgefallen! Primäre Energie auf 30 gefallen! Die Augen drohen wieder zuzufallen, Kapitän! In fünf Sekunden Überlastung aller Systeme! Dann ist keine Notschließung der Augen mehr möglich!“
„Alle Energie auf die Augenstützmuskeln umleiten!“
„Aber Sir…“
„UMLEITEN!“
„Aye, Sir!“
„… lasst uns beten….“
„SCHNAUZE, PREDIGER!“
„Noch drei Sekunden…“
„KOLLAPS VORBEREITEN!“
„… zwei Sekunden….“
„Jetzt hab ich mich eingenässt….“
„… Noch eine! …“
Stille.
„Techniker, Bericht!“
„20% über Maximum, fallend! Schutzschilde halten! Primäre Energie auf 50, steigend! Die Augen stabilisieren sich! Das einfallende Licht lädt die Energiezellen!“
„YEAH! GIB MIR FÜNF!“
„Kapitän?“
„Ach, vergiss es! Sicherheitshalber Mund fluten!“
Max gähnte.
„Auf dem Monitor zeichnet sich ein Bild ab!“
„Bekommst du es schärfer?“
„Ich müsste die Ausrichtung der Augen synchronisieren und die Pupillen einheitlich fokussieren…“
Max spürte Bewegung in seinen Augen. Er sah, wie sich die Bilder beider Augen überlagerten und langsam zu einem Gesamtbild verschmolzen.
„Geschafft! Visuelle Wahrnehmung auf 100%! Der Audiokanal stabilisiert sich ebenfalls! Ich kann im Hintergrund Vogelgezwitscher hören!“
‚OK Jungs, ab jetzt übernehme ich wieder’, dachte Max und blickte verschlafen durch den Raum, in den das Sonnlicht in feinen Strahlen durch die Schlitze des Rollladens fiel.
„Na toll, uns die ganze Dreckarbeit machen lassen und dann einfach daherkommen und das Ruder wieder übernehmen“, maulte es in seinem Kopf. „Nicht einmal ein klitzekleines Dankeschön…“
„Ja hast du denn nicht wenigstens ein bisschen Anstand im Leib? Hab ich dich etwa so erzogen, Junge?“
‚Nicht jetzt, Mutter! Ich hab zu tun!’, dachte Max und blendete seine Stimmen im Kopf aus.
„Nun gut, wenn der Herr alles selbst machen will, dann kann er sich darum auch gerne kümmern! SCHMERZEMPFINDUNG REAKTIVIEREN!“, hörte er noch dumpf, bevor sein Kopf plötzlich auf die doppelte Größe anzuschwellen schien und zu explodieren drohte.
Als er vor Schmerz zusammenzuckte, glaubte er ein höhnisches Lachen zu hören. Nachdem das Pochen in seinem Kopf etwas abgeflaut war, versuchte er die Lage zu sondieren. Wo war er? Wie kam er hier hin? Welche Uhrzeit? Verdammt, welcher Tag war überhaupt? Und war er überhaupt wirklich wach? Die letzte Frage wurde durch die Schmerzen in seinem Kopf hinreichend beantwortet. Er war definitiv wach. Und er war sich auch so gut wie sicher, dass er nicht zuhause war. Dieses Zimmer kannte er nicht. Er würde seine Wände nie in 2 verschiedenen Rottönen streichen. Der Helligkeit nach zu urteilen musste es schon früher Vormittag sein. ‚Hoffentlich ist wenigstens Wochenende, sonst komme ich zu spät zur Arbeit, auch wenn ich nicht weiß, welche das ist und ob ich überhaupt welche habe’, dachte Max. Umständlich begann er, aus dem Bett zu kriechen. Seine Kleider lagen am Fußende des Bettes und er war froh, diesen unbekannten Ort nicht nackt erforschen zu müssen. Sein Blick fiel auf einen Kleiderschrank, dessen Türen verzweifelt versuchten, den überquellenden Inhalt halbwegs an der Flucht zu hindern.
Ihre Chancen standen schlecht.
Röcke kämpften vereint mit bunten Sommerkleidern um ihre Freiheit und Stringtangas versuchten auf eigene Faust dem Schrank zu entrinnen. ‚Also wenn ich nicht von einem Transvestiten entführt wurde, bin ich im Schlafzimmer einer Frau’, dachte Max. ‚Herr, lass es die Option mit der Frau sein’, schob er nach. Erinnerungen kämpften sich nach oben. Das Bild einer Schwarzhaarigen tauchte auf. Dunkel glaubte er sich zu erinnern, sie zu kennen. War das hier ihr Schlafzimmer? Woher kannte er sie? Was war gestern Abend passiert? Dem Pochen in seinem Kopf nach zu schließen, war auf jeden Fall Alkohol im Spiel.
Auf jeden Fall viel Alkohol.
Auf jeden Fall zuviel Alkohol.
Der Schleier vor seiner Erinnerung zog sich allmählich zurück und gab langsam den Blick auf den vergangenen Abend frei. Er war auf einer Party. Einer großen Party. Anfangs hatte es ihm nicht sonderlich gefallen. Die vielen fremden Leute und der oft äußerst schmale Smalltalk mochte er nicht besonders, aber irgendjemand hatte ihn überredet und er wollte nicht unhöflich sein. Das war ihm zuwider. Also ging er hin, lies sich blicken und wollte gleich darauf wieder gehen. Und da muss er dann diese Frau gesehen haben, deren pechschwarze Haare erst kurz über der Hüfte endeten und ein bildhübsches Gesicht umrahmten. Obwohl sie von einem komischen Typen mit einer Brille, deren Gläser von einem altmodischen schwarzen Horngestell umrahmt wurden, und dessen Kleidung irgendwie unpassend wirkte, bequatscht wurde, kam sie ihm in der Menge ebenso verloren vor, wie er sich selbst fühlte. Gemeinsam wären sie weniger einsam dachte er pseudophilosophisch und deshalb musste er sie unbedingt ansprechen. Allerdings gab es auf dem Weg zu diesem Ziel ein unüberwindliches Hindernis: ihn selbst. Etwas in ihm hinderte ihn daran, auf sie zuzugehen. Etwas in ihm hinderte ihn daran, sie anzusprechen. Etwas in ihm hinderte ihn daran, sich möglicherweise lächerlich zu