Das Friedrich-Lied - 1. Buch. Henning Isenberg

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Название Das Friedrich-Lied - 1. Buch
Автор произведения Henning Isenberg
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847612018



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und so blieb er es auch in der Freundschaft zu Conrad und Gerhard. Er war der Freund, der sich, wenn ihm danach war, zu dem Freundespaar gesellte. Doch auch selbst sah er in jedem von ihnen einen Teil von sich. Dies machte seine Liebe zu den beiden aus. Und mit allen Seelenkräften seiner Jugend strebte er beiden Polen nach.

      Ähnliche Zerrissenheit herrschte aber über Gerhards Wesen. Von seinem Inneren hin und her gestoßen, strebte er danach der beste Knappe zu sein, um der beste Ritter zu werden. Gleichzeitig richtete er sich dafür, sich nicht der Andacht und den Schriften zu widmen, um seiner Feinfühligkeit Rechnung zu tragen. Er selbst wusste nicht, wie es um ihn bestellt war und er verstand auch seine Trauer nicht, da es ihm, sein Ziel zu erreichen, so schwer fiel. Sein Leid konnte er nicht verbergen und ein ums andere Mal verwickelte er sich in hitzige Streitereien, eifrige Wortgefechte und Faustkämpfe mit anderen Knappen. Doch zufriedener ging er nicht aus ihnen hervor. Welche Macht nur leitete diesen Geistmensch mit seinen feinen Gedanken, ein Krieger werden zu wollen?

      Conrad, im Gegensatz dazu, war ein Krieger. Er wäre jeder Auseinandersetzung gewachsen gewesen. Doch suchte er nicht danach, einen Kampf mit Waffen auszutragen und sich im hitzigen Klein-Klein zu verlieren. Von den Dreien hatte er wohl die meiste Ähnlichkeit mit Dietrichs Standhaftigkeit. Eigen jedoch war ihm seine Sturheit, die seine Wendigkeit, Entscheidungen zu treffen, bei weitem überstieg. Aber auf Conrad war Verlass.

      Doch, wenn Conrad ein Krieger und Gerhard ein Gelehrter war, was oder wer war er, Friedrich, selbst?

      So grübelnd ritt er ein oder zwei Pferdelängen versetzt hinter seinem Oheim und bemerkte, dass sich sein gedankenverlorener Blick auf dessen bärtiger Wange festgeheftet hatte. So wie er Dietrich, seinen Oheim liebte, liebte er Conrad und Gerhard.

      Ein fernes Geschrei ließ ihn aus seinem Sinnen aufhorchen. Friedrich schaute in die Ferne. Da, da war sie die Schwanenburg. Auf dem fernen Wehr der Clever Burg standen die Freunde und ruderten laut rufend mit den Armen, um sie willkommen zu heißen.

      Er war wieder zurück in der Welt der Waffenübungen und des Umgangs mit grobem Rüstzeug, die ihm in den letzten zwei Jahren Heim und Schutz geboten hatte, die er lieb gewonnen hatte, die ihm nun fast vertrauter war, als die Welt hinter Kirchenmauern, die so weit in die Ferne gerückt war. Dieses neue Leben hatte aus dem langen, schmalen Novizen, einen kräftigen, jungen Mann geformt, denn die Waffenübungen hatten starke Muskeln auf seine Schultern, Arme und Beine gelegt und ein weicher Flaum wuchs nun in seinem Antlitz. Friedrich war glücklich. Morgen, morgen würden sie wieder gemeinsam jungen Hunden gleich dem Treiben der Knappen nachgehen, sich hauen, Anweisungen hinnehmen, gehorchen, Demut üben, um danach darüber Späße zu treiben, die Ställe säubern und die erfahrenen Ritter bewundern.

      Als sie im Hof der Schwanenburg von ihren Pferden abstiegen, lief die junge Gräfin Mathild, Tochter des Grafen von Dinslaken, die Treppen des Palas herunter und sprang Dietrich in den starken Arm. „Dietrich, endlich.“ Sie küsste ihn auf den Mund.

      Friedrich sah sehnsüchtig zu ihnen herüber. Am liebsten wäre er an Dietrichs statt gewesen. Wie war es wohl von einer Frau auf den Munde geküsst zu werden?

      Dem Sehnsuchtsgedanken war nur kurz Platz geboten, denn Conrad und Gerhard rissen ihn bereits zu Boden. Das eigenartige Begrüßungsritual der drei Freunde, die sich raufend durch den Schmutz des Burghofes wälzten, wurde vom Seneschall mit Kopfschütteln kommentiert.

      „

      Ihr Narren!“, rief er, „steht auf und versorgt die Pferde.“

      Die drei grinsten sich an, klopften sich ausgelassen den Dreck von den Kleidern, woraufhin sie die Pferde gemeinsam zu den Tränken bei den Ställen führten. Wenigstens konnten sie dort unbehelligt ihren Späßen nachgehen, während sie die Tiere mit Futter und Wasser versorgten und den Schweiß der Reise mit groben Bürsten von ihren Rücken und Flanken rieben.

       Vorbereitungen

      Im Verlauf des Sommers hatte König Otto seine Position in deutschen Landen so weit gefestigt, dass er bei der Bischofswahl in Cölln und Minden eigene Anhänger durchgesetzt hatte. In Cölln hatte Bruno von Sayn die Nase vorn. Im schwäbischen Konstanz hatte er Werner von Staufen zum Rücktritt nötigen und einen Ministerialen aus einer edelfreien Familie einsetzen können. Er versprach sogar, seine entfernte Cousine, Beatrix von Staufen, zur Braut zu nehmen. Die Taktik, die er damit verfolgte, zeigte Wirkung in Schwaben. Auch das Ehehindernis der verwandtschaftlichen Bindung beseitigte er planvoll. Mit einem feierlichen Staatsakt auf dem Reichstag von Würzburg ließ er sich offiziell die Verbindung mit den Staufern von allen Seiten absichern. Er war sich auch der kirchlichen Weihe durch die einundfünfzig Zisterzienseräbte gewiss, die sich zuvor anlässlich eines Ordentreffens in der Abtei Walkenried, nahe der Welfenstadt, Braunschweig, versammelt und den König nach Würzbourgh begleitet hatten. Außerdem rief er zu Würzbourgh den Landfrieden aus. Dieser sicherte ihm für die Zeit des Italienfeldzuges Ruhe um die Vorherrschaft im Reich. Doch all seine Vorkehrungen waren nur Mittel zum Zweck.

      Das große Ziel des Königs war die Souveränität über das gesamte christliche Imperium. Doch nur, wer das Königreich Jerusalem sein eigen nannte, besaß diese unantastbare, von der Macht des Papstes befreiende Souveränität.

      Zuvor allerdings hatte er noch zwei Stolpersteine aus dem Weg zu räumen. Beide Hindernisse allerdings schienen lösbar. Das eine war, das Südreich zu erobern. Das andere war, einen namenlosen, minderjährigen, staufischen Spross, Sohn des verstorbenen Heinrich VI. und der Normannen-Königin Constanza, aus dem Weg zu räumen. In Sizilien lebte dieser. Also würde der Feldzug bis nahe an das Ende der bekannten Welt gehen.

      An Jakobus, dem Tag Ottos Lieblingsheiligen, brach das prächtige Heer von tausendfünfhundert Rittern mit dem Kaiser an der Spitze zum Zug nach Rom auf. Von Augsbourgh aus zogen sie durch geerntete Felder, durch die goldbraunen Auen und herbstlichen Wälder des deutschen Südens zum Brennerpass. Nach nur drei Wochen, am Tag des heiligen Meinhard, erblickte das Heer den Garda-See. Um möglichst schnell nach Rom zu gelangen, mied Otto die größeren oberitalienischen Städte.

      ~

      „Otto der Vierte von Braunschweig ist vom Papst in Rom zum Kaiser gekrönt worden!”, schallte es von der Mauer.Friedrich ließ Schwert und Schild sinken und nahm den Helm ab. Er wendete sich in die Richtung, aus der die Kunde kam.

      „

      Am vierten Oktober in der Peterskirche zu Rom!”

      Die Zweikämpfe im Übungshof hörten schlagartig auf und die ganze Schar schaute auf den jungen Ritter im Wehrgang der Festungsmauer.

      An den Mauern des Burghofes türmte sich der Schnee, während zertretenes Stroh den fast gänzlich vom Schnee befreiten Innenhof bedeckte. Schlamm hatte sich mit dem nun zertreten Stroh vermengt und haftete an den Beinkleidern der jungen Kämpfer.

      „

      Dann ist es bald soweit, Friedrich!”, rief Conrad, der mit einem anderen Armiger die Waffenübungen abgehalten hatte, herüber.

      „

      Endlich“, stöhnte Friedrich, ging auf die Mauer zu, ließ sich dort auf eine Holzbank niedersinken und setzte einen tönernen Krug mit Wasser, den er vom Boden gegriffen hatte, an den Mund. Gierig trank er von dem eisigen Nass. Zu gierig. Er verzog das Gesicht.

      Gerhard ließ sich ebenfalls neben ihm auf die Bank fallen und schaute Friedrich mit seinen großen blauen Augen an. Dann grinste er. Als Friedrich den Krug endlich abgesetzt hatte und ihn zu Gerhard herüberreichte, grinste Friedrich zurück. Mit seinem eher braunen als blonden Haar, das seine nördlichere Heimat häufig hervorbrachte, seiner bleichen Gesichtshaut und seiner markanten Nase, war der Freund von einer eigenwilligen Schönheit, die, gerade als Friedrich den Blick abwenden wollte, durch des Freundes zweifelnde Miene, getrübt wurde. Friedrich kannte diesen Ausdruck schon, den Gerhard immer dann auflegte, wenn etwas Unbekanntes, von dem er sich kein Bild machen konnte, bevorstand. Warum ist er nur so wankelmütig?!

      Die Waffenübungen am Nachmittag gingen allen Gefährten leicht von der Hand und das Stöhnen über die Beulen und die Arbeit in den Pferdeställen fiel wesentlich