Die STERNENKÖNIG - Saga. P.K. Stanfay

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Название Die STERNENKÖNIG - Saga
Автор произведения P.K. Stanfay
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742777027



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Mann. „Apropos groß und stark. Was soll denn nun aus ihm werden?“ Und sie deutete auf den Korb.

      Kratos schaute sie durchdringend an. Die Antwort, die ihm auf der Zunge lag, schluckte er lieber wieder herunter. Ein intakter Hausfrieden war ihm wichtiger. Statt dessen fragte er: „Was hast du dir denn vorgestellt?“

      „Nun ja“, begann Karra vorsichtig, „wir könnten es doch bei uns aufziehen.“

      „Nein!“ Kratos sprang auf. „Deine Muttergefühle in allen Ehren, aber das würde gegen die uralten Gesetze der Meute verstoßen!“

      „Aber ...“, setzte Karra wieder an.

      „Ich habe gesagt - nein!“ donnerte er. „Und das ist mein letztes Wort!“ Er wandte sich von ihr ab. „Lass mich nachdenken“, knurrte er und fing an, hin und her zu laufen.

      Karra kannte ihn genau und wusste, das sie ihn jetzt in Ruhe lassen musste.

      Ihre Blicke folgten ihm und bald merkte sie, das er sich wieder beruhigt hatte und wieder zu dem besonnen Wolf wurde, den sie kannte und liebte.

      Schließlich blieb er stehen.

      „Ich werde es nach Berror bringen und König Ragador übergeben“, sagte er entschlossen. „In der augenblicklichen Lage ist das wohl der sicherste Platz für so einen kleinen Schreihals. Und außerdem“, er blinzelte ihr aufmunternd zu, „kannst du ihn dort auch jederzeit besuchen.“

      Sie lächelte dankbar zurück.

      „Schaff also die Kinder nach Hause und sage dem weisen Terros, das er in meiner Abwesenheit die Meute anführen soll. Ich werde so schnell wie möglich wieder zurück sein.“

      „Aber es sind wenigstens zwei Wolfsmärsche bis nach Berror“, wandte Karra ein. „Wie willst du das Kind unterwegs ernähren? Ich denke, du wirst mich mitnehmen müssen.“

      Kratos überlegte kurz. „Du hast Recht. Wir bringen die Kleinen zusammen zurück und brechen dann gemeinsam nach Berror auf.“

       II

      Die Wälder der Lupoden umschlossen die gesamte Nordflanke des Mossoc-Gebirges wie ein Gürtel. Ihre westliche Grenze war der Astron, während etwa nach zwanzig Tagesmärschen in östlicher Richtung die ehemaligen Gebiete der Waldmenschen begannen. Nach Norden hin wurden die Bäume immer öfter von Sträuchern und Gras abgelöst, bis sie schließlich ganz verschwunden waren und die weite Ebene von Astragol begann, wo sich Angrons Schicksal erfüllt hatte.

      Etwa auf halber Höhe des Mossoc-Gebirges hörten die Wälder der Lupoden urplötzlich auf und der Blick wurde frei auf eine tiefe und sehr breite Schlucht. Wie von dem gewaltigen Axthieb eines sagenhaften Riesen geschlagen, zog sie sich, etwas oberhalb der Wasserfälle von Pales beginnend, fast um den gesamten Nordhang. Doch wie man auch lief und suchte, es gab nur einen einzigen Übergang. Ein von den Launen der Natur geschaffenes, etwa zwanzig Meter breites, gewaltiges Felsviadukt war die einzige Verbindung zwischen den beiden Seiten. Und bewacht wurde es von Berror, ‚der Unbezwingbaren’, dem Königssitz der Berserker.

      Den alten Sagen und Legenden nach stammten die Berserker einst von den barbarischen Nordländern ab. Sie waren schon immer tapfere und mutige Krieger gewesen, die von allen Stämmen dort geachtet, aber mehr noch gefürchtet wurden. Denn wenn man sie reizte und wütend machte, verwandelten sie sich in gnadenlose, ohne Rücksicht auf Verluste vorgehende Kampfmaschinen. Und in diesem Zustand konnten hundert von ihnen ein ganzes Heer in die Flucht schlagen. Deshalb waren sie auch immer gern gesehene Bündnispartner bei den zahlreichen Kriegszügen der Nordländer gewesen.

      Doch dann kam die Zeit des legendären Großhäuptlings Belgador, eines außerordentlich klugen und weisen Mannes. Er überzeugte sein Volk davon, das Ackerbau, Viehzucht, Handwerk und Handel mehr einbrachten als ständige Raubzüge und Blutvergießen. Und er sollte Recht behalten!

      Einige Generationen später waren die Berserker eines der reichsten und mächtigsten Völker des Nordens geworden. Doch immer mehr wuchsen Neid und Missgunst bei den anderen Stämmen der Nordländer und brachen letztendlich in offene Feindseligkeit aus. Den alten Überlieferungen nach kam es zu zahlreichen Auseinandersetzungen, Kämpfen und Intrigen und schließlich war das Volk der Berserker so ausgelaugt und ausgeblutet, das es beschloss, die alte Heimat zu verlassen, um sich in der Fremde eine neue zu suchen.

      So begann der Große Marsch gen Süden. Getreu den Gesetzen des weisen Belgador schlossen sie mit jedem Volk, auf das sie unterwegs stießen und das ihnen nicht feindlich gesinnt war, Frieden. Nach einigen Jahren der Wanderung erreichten sie schließlich das Mossoc-Gebirge, fanden den Übergang und von der außerordentlich guten strategischen Lage angetan, beschloss man, das hier die neue Heimat der Berserker aufgebaut werden sollte und gründete das Königreich Berseria.

      Als Karra und Kratos aus dem Wald traten, bot sich ihnen ein überwältigender Anblick.

      Ungefähr zweihundert Meter vor ihnen wölbte sich das schon erwähnte Felsviadukt in einem sanften Bogen auf die andere Seite. Nicht weit dahinter erhob sich eine gigantische, etwa zehn Meter hohe Mauer, die sich, so weit das Auge reichte, nach links und rechts fortsetzte. Genau gegenüber der Felsbrücke war ein großes, eisernes Tor in diese Mauer eingelassen worden, welches von zwei mächtigen Wachtürmen flankiert wurde, die ihrerseits die Mauer noch um ein gutes Stück überragten. Aus den vielen, regelmäßig angeordneten Schießscharten, starrten drohend die Spitzen langer Speere, die von gewaltigen Katapulten abgefeuert wurden konnten. Da sich dahinter der Berghang allmählich immer weiter in die Höhe zog, konnte man in weiter Ferne eine große, prächtige Stadt erkennen - Berror.

      „Hach, dieser Anblick beeindruckt mich immer wieder aufs Neue“, seufzte Karra.

      „Na, dann reiß dich mal los und komm endlich“, quetschte Kratos zwischen seinen Kiefern, die den Bastkorb trugen, hervor. „Ich hab´ nämlich einen gewaltigen Hunger und bin schon ganz gespannt, was die Küche König Ragadors heute so an Leckerbissen zu bieten hat.“

      Gemeinsam trabten sie über den breiten Felsbogen auf das eiserne Tor zu.

      Dort öffnete sich jetzt eine eingelassene Tür. Ein Mann trat heraus und wartete mit verschränkten Armen auf sie. Er war, wie alle Männer seines Volkes, gut zwei Meter groß. Die dunkelgrauen Haare, die jeder Berserker, ob Knabe oder Mädchen, hatte, fielen ihm bis auf die breiten Schultern. Seine kräftige Gestalt steckte in einem knielangen, silbrig schimmernden Panzerhemd, das in der Taille von einem breiten Ledergürtel zusammengehalten wurde, auf dessen goldener Schnalle das Wappen der Berserker abgebildet war - eine Weizenähre, die sich mit einem Schwert kreuzte. Der dunkelrote Umhang, den er trug, zeigte an, das er zur Abteilung der Tor - und Mauerwächter gehörte. Waffen trug er keine bei sich.

      „Sei mir gegrüßt, Herrscher der Lupoden“, sagte der Mann lächelnd, als sie bei ihm angelangt waren. „Ihr habt uns ja schon lange nicht mehr besucht. Und heute sogar in Begleitung eurer werten Frau Gemahlin.“ Er verbeugte sich leicht vor Karra. „Was führt euch zu uns?“

      „Es ist uns eine Ehre, von Boldor, dem Hauptmann der Torwächter, persönlich empfangen zu werden“, entgegnete Kratos, der den Bastkorb vorsichtig vor sich hingestellt hatte. „Wir müssen König Ragador in einer wichtigen Angelegenheit sprechen.“ Und er deutete mit der Schnauze auf den Korb.

      Interessiert trat Boldor näher und schaute hinein. „Aber das ist ja ein Kind!“ rief er überrascht. „Ein Menschenkind! Wie, bei allen Mondgöttern, kommt ihr denn dazu?“

      „Das ist eine wirklich lange Geschichte, Hauptmann“, antwortete Karra. „Aber wir sind seit drei Tagen und Nächten unterwegs, erschöpft, müde ...“

      „Und hungrig“, brummte Kratos dazwischen.

      „Das auch, ja“, bestätigte sie mit einem ärgerlichen Seitenblick auf ihn. „Und außerdem denke ich, das wir diese Geschichte nur einmal erzählen sollten - und zwar dem König. Das versteht ihr doch sicher, Hauptmann?“ Sie schenkte ihm ihr liebenswürdigstes Lächeln.

      „Natürlich, Königin