Violet - Verletzt / Versprochen / Erinnert - Buch 1-3. Sophie Lang

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Название Violet - Verletzt / Versprochen / Erinnert - Buch 1-3
Автор произведения Sophie Lang
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742744364



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haben, dann begegnen sie sogar einem der Viecher und vertreiben es aus unserer Sektion. Ich komme mir gerade so nutzlos vor.

      »Hast du was?«, fragt Asha, die meine Gedanken erraten hat.

      »Ich wäre jetzt gern draußen, patrouillieren, jagen«, gestehe ich ihr.

      »Ich würde es dir ja erlauben mitzugehen, wenn ich mir sicher sein könnte, dass du nichts machst.«

      »Kann ich aber nicht. Nichts machen? Das geht doch überhaupt nicht.«

      »Deshalb habe ich ja auch das Verbot ausgesprochen.«

      »Du hast ganz schön viel Macht über mich, du kleine Göre«, scherze ich. »Kannst einfach so verbieten, dass ich meinem Job mache.«

      »Nur wenn du krank oder verletzt bist. Aber mal ehrlich. Du würdest nicht auf mich hören, wenn ich dich darum bitten würde. Oder?« Ich schweige, aber das genügt als Antwort.

      »Siehst du. Ich will nur, dass du wieder schnell gesund wirst, bevor du dich wieder mit den Bestien anlegst.« Asha hüpft aus ihrem Handstand und kommt meinem Gesicht ganz nah. »Ich habe jedes Mal Angst, wenn du fort bist.« So wie sie das jetzt sagt, so besorgt, so ernst, ich schlucke schwer. »Ich will nicht allein sein, Freija. Gouch, Jesse und alle anderen sind okay, aber ich brauche dich.«

      Ich weiß nicht, was ich sagen soll, aber das ist vermutlich auch gerade nicht nötig. Ich nehme sie in meine Arme und als hätte sie seit langem auf diese Zuneigung gewartet, drückt sie mich ganz fest und beginnt leise zu weinen. Eigentlich darf sie das nicht. Das 7. Gebot besagt, du darfst keine Schwäche zeigen. Würden die Gesandten herausfinden, wie Asha auf meinem Schoß sitzt und schluchzt, dann wäre sie sofort exsektioniert. Aber ich bin unfähig, sie davon abzuhalten. Wie lange müssen sich ihre Ängste, ihre Gefühle aufgestaut haben? Wie lange sehnt sich dieses junge Mädchen schon nach Zuneigung? Ich bin nur ein Ersatz, das ist mir bewusst. Ich kann nicht mehr tun, als ihre große Schwester zu spielen. Auch wenn wir nicht verwandt sind, werde ich versuchen, genau das für sie zu sein. Für sie da zu sein.

      Ich streiche goldene Strähnen aus ihrer Stirn und lasse sie schluchzen, während sie sich in mich hinein verkrümelt, wie eine Eidechse nach Wärme suchend.

      »Ich werde nicht weggehen. Ich bin für dich da. Keine Sorge, Kleine! Keins dieser Biester wird mich erledigen.«

      »Versprochen?«

      »Versprochen«, schwöre ich.

      Plötzlich sehe ich einen schemenhaften Schatten. Jemand ist hier, beobachtet uns. Sofort mache ich Asha darauf aufmerksam und sie wischt sich gleich die Tränen aus den Augen. Angst kann ich jetzt in ihrem Gesicht lesen. Ich schüttle fast unmerklich den Kopf und Asha versteht mich.

      »Du musst dich noch mehr in die Übung hineinversetzen und die Dehnung richtig mit der Atmung spüren«, sagt sie tapfer und die Traurigkeit ist ihr kaum noch anzuhören, als sie mir die Atemübung vorführt, die sich jetzt absichtlich anhört, als würde sie dabei schluchzen. Gut Asha, denke ich und werfe einen Blick über meine Schulter, in Richtung des Schattens. Trish steht am Eingang und schaut uns zu. Wie lange ist sie schon hier? Hat sie etwas mitbekommen?

      Sie ist nicht dumm, natürlich lässt sie sich nicht von Ashas Täuschungsmanöver in die Irre führen. Deshalb ist die einzig entscheidende Frage, wie sie auf Ashas Verstoß gegen das 7. Gebot reagieren wird.

      »Die Gesandten haben sich angekündigt«, sagt sie, als sich unsere Blicke treffen. »Sie kommen viel früher als erwartet.« Ich brauche einen Moment, bis Trishs Worte bis in mein Gehirn vorgedrungen sind.

      Die Gesandten? Sie kommen, um uns zu prüfen. Ich werde heute noch anfangen müssen zu lernen. Den Geschichtsstoff über die Gesandten, die Sieben Gebote und ihre Bedeutungen und die Themen, die ich als Nahkämpfer wissen muss und sich von denen aller anderen Teammitglieder unterscheiden. Ich stelle mich schon gedanklich auf meine Prüfungsvorbereitung ein und gehe die nächsten drei bis vier Wochen bereits in meinem Kopf durch.

      Ich werde viele Stunden in der Bibliothek zubringen und auch mal eine Nachtschicht einlegen müssen, damit ich das aufholen kann, was ich im letzten halben Jahr an Lernen vernachlässigt habe. Dann kommt mir ein weiterer Gedanke. Ich habe die Zusammenstellung über die neuen Bestienarten, die wir vor zwei Monaten erhalten haben, noch nicht einmal angeschaut. Okay, dafür muss ich dann noch einmal mindestens eine halbe Woche dranhängen.

      Gut, dass ich gerade von Asha krankgeschrieben wurde und nicht auf Patrouille gehen muss. Glück im Unglück, so habe ich mehr Zeit zum Lernen, überlege ich weiter. Dann höre ich Ashas Worte: »Wann treffen sie ein?«

      »Morgen!«, antwortet Trish ohne die geringste Gefühlsregung.

      Kapitel 5

      Könnte mich mal bitte jemand daran erinnern, wie man atmet.

      Ich werde sterben. Das ist mein erster Gedanke.

      Ich bin verletzt, mein zweiter. Denn mir wird schrecklich bewusst, dass ich nicht einmal meine Stärke, meine praktische Prüfung, die mich sonst immer gerettet hat, mit der ich die schlechten Ergebnisse aus der Theorie ausgleichen konnte…, dass sie mir dieses Mal nicht helfen wird. Ich darf nicht einmal über diese Erkenntnis lachen, denn das beansprucht zu sehr meine verletzten Bauchmuskeln.

      Trish steht immer noch da. Wenn ich es nicht besser wüsste, dann könnte man meinen, dass sie diesen Moment genießt und ihn deshalb so lange wie möglich auskostet. Asha ist sprachlos, sie schaut mich nur mit ihren blauen, runden Augen an, die jetzt mindestens um das doppelte angewachsen sind.

      Angst kann ich aus ihnen lesen. Es ist nicht die Furcht davor, selbst zu versagen. Sie ist immer diejenige von uns, die mit den besten Ergebnissen abschneidet, eine kleine Streberin. Nein, es ist die Angst, mich zu verlieren. Und das Traurige ist, dass ich nichts dagegen tun kann. Habe ich nicht eben noch versprochen, dass ich für sie da bin. Tolles Versprechen, hat genau mal eine Minute gehalten. Tolle große Ersatzschwester. Ich bin so naiv, wie konnte ich nur daran glauben, dass ich für Asha da sein kann.

      »Du musst mich gesund spritzen!«, sage ich zu Asha. »Ich werde bei der praktischen Prüfung so gut abschneiden, dass sie mich behalten müssen«, sage ich und weiß, dass es diese Spritze nicht gibt. Dennoch stehe ich entschlossen auf. Zu schnell, der Schmerz in meinem Bauch zwingt mich wieder in die Knie und die Tränen steigen mir in die Augen. 7. Gebot, keine Schwäche zeigen, denke ich. Verdammt. Ich weine nicht vor Schmerz, sondern wegen Asha, weil es aussichtslos ist.

      »Die Gesandten haben mich beauftragt, dieses Jahr den Zeitplan für die Prüfungen aufzustellen.« Trish macht eine Pause. Ich spüre, wie schwer es ihr fällt, das jetzt auszusprechen. »Ich setze dich ans Ende der Liste. Mehr kann ich nicht für dich tun«, sagt sie und geht. Das Ende der Liste? Ich werde die Letzte sein, die zur Prüfung muss. Da die Prüfung für jedes Teammitglied einen ganzen Tag dauert, habe ich sechs Tage Zeit. Nicht mehr, nicht weniger.

      Sechs Tage?

      Nicht annähernd die Zeit, die ich brauche, um völlig gesund und dann auch wieder fit zu werden. Nicht ausreichend Zeit, um alles das zu lernen, was ich bei den Prüfungen wissen muss.

      Kapitel 6

      Wir sitzen alle um den runden Glastisch in unserem Kommunikationsraum, als Trish allen die Neuigkeiten mitteilt. Sie hat nach Jesses, Flavius‘ und Shacos Rückkehr keine Zeit verloren alle zusammenzurufen.

      Die Gesandten vertrauen ihr, hallt es in meinen Ohren wieder. Nicht ohne Grund. Trish ist absolut zuverlässig und funktioniert bei allen organisatorischen Aufgaben, die in unserem Team zu bewältigen sind, wie ein Uhrwerk. Vermutlich können wir uns deshalb nicht so gut leiden, denn wenn ich eins nicht bin, dann ist es, organisiert zu sein. Vielleicht liegt es auch daran, dass mir ihr Freund Flavius bei sich jeder bietenden Gelegenheit schöne Augen macht. Wäre Trish nicht seine Freundin, vielleicht wären wir dann ein Paar. Aber nur wenn es nach Flavius geht. Er sieht gut aus, das ist unübersehbar. Ist intelligent, gerade hat er einen Scanner entwickelt,