Regen am Nil. Rainer Kilian

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Название Regen am Nil
Автор произведения Rainer Kilian
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847628927



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wir Frauen sind nur da, um Kinder zu gebären?“ Wenn er ehrlich war, fiel ihm im Moment sonst nicht viel mehr ein. „Hast du noch nie von Pharao Nitokris gehört?“

      „Nein“, gab er kleinlaut zu. „Dann werde ich dein Wissen auffüllen. Nitokris war eine Frau! Es mag wohl siebenhundert Schemus her sein, da beherrschte sie den Thron der beiden Länder alleine. Ihr Mann war von feigen Mördern hinterrücks erschlagen worden. Sie hat abgewartet, bis die Bande ihren vermeintlichen Sieg gefeiert hat. Dann ließ sie den Raum versiegeln und hat ihn vom Nil fluten lassen. Wie die Ratten sind sie ertrunken!“

      Staunend hörte Senenmut zu. „Woher weißt du das alles?“, wollte er wissen.

      „Aus dem Kemit!“, bekannte sie stolz.

      Senenmut kam aus dem Staunen nicht heraus. „Das Kemit ist ein fünfhundert Schemu altes Buch! Und du kannst es lesen?“

      „Du meinst, weil ich eine Frau bin, darf ich nicht wissen, was vor unserer Zeit alles passiert ist? Hast du die Pyramiden gesehen? Vor über eintausend Schemus wurden sie erbaut. Aber kein ägyptischer Baumeister ist heute mehr in der Lage, so etwas zu konstruieren. Das ist eine so große Dummheit! Wenn unsere Vorfahren ihr Wissen mit mehr Menschen geteilt hätten, wäre es nicht verloren gegangen!“

      „Amun sei Dank, dass nicht alles vergessen ist“, trumpfte Senenmut auf. „Wer kennt nicht die Geschichte von Neferet-Sobek?“, holte er zu einem Seitenhieb aus. „Sie war auch eine Frau. Sie glaubte, als Pharao regieren zu können. Doch sie war schwach. Die Hyksos hätten Ägypten beinahe zerstört! So lange Zeit haben sie unser Land beherrscht und geplündert. Erst unter Ahmose gelang es uns, sie endgültig zu vertreiben! Aber das weißt du bestimmt auch. Du magst gute Lehrer gehabt haben. Aber glaube mir, es ist besser, wenn man sich als Frau aus Dingen heraushält, für die man nicht bestimmt ist. Ich möchte gerne wissen, wer dir diese Ideen in den Kopf gesetzt hat.“

      „Mein Vater ist es gewesen. So wie der deine hat er mich gelehrt, neugierig zu sein. Aber ich habe es schon gemerkt, du wirst kein Interesse daran haben, mich weiter zu unterrichten.“

      Sie erhob sich und klopfte sich den Staub von ihrem Gewand. Als sie sich ohne ein weiteres Wort zum Gehen wendete, überwog in Senenmut doch die Angst, sie nicht mehr sehen zu können.

      „Bitte warte noch!“ Er hielt sie am Arm fest. Sie drehte sich noch einmal um und sah ihn erwartungsvoll an. Nichts wünschte er sich mehr, als sie immer sehen zu können. Er suchte nach einem Weg, nicht sein Gesicht zu verlieren.

      „Ich bin bereit, dich zu unterrichten! Aber erst will ich deinen Vater um Erlaubnis bitten. Und ich werde ihn rügen, dass er seiner Tochter nicht so viele Dummheiten in den Kopf setzen soll. Sage mir, wo ich ihn finde!“ Er wartete darauf, dass sie wieder wütend werden würde, aber statt dessen brach sie in schallendes Gelächter aus.

      „Du musst dich noch etwas gedulden!“, rief sie lachend. „Er wird in den nächsten Tagen hier eintreffen, um mit uns zusammen das Talfest und den Sieg über die Mitanni zu feiern. Er wird an Bord der Horusbarke sein!“ Sie konnte sich kaum halten vor Lachen. „Aber sei milde mit ihm, er wird es nicht gewohnt sein, mit einem Schreiber über die Erziehung seiner Tochter zu streiten!“ Senenmut verstand nicht, was sie so zum Lachen brachte.

      „Die Horusbarke ist das Schiff des Pharaos!“, stellte er fest. Demnach musste ihr Vater ein hoher Beamter sein. Das erklärte auch, warum sie sich einen Lehrer leisten konnte. „Gehört er zum Hofstaat des Pharaos?“, hakte er nach. Sie schüttelte sich in einem Lachkrampf und hielt ihren Bauch fest.

      „Die Horusbarke ist SEIN Boot!“, rief sie aus und klopfte sich auf die Schenkel vor Lachen. Senenmut schwankte der Boden unter den Füßen. Er konnte kaum aussprechen, was er erkannte.

      „Du bist, du bist ...“, stotterte er.

      „Hatschepsut!“

      „Die Tochter von, von ...“

      „Thutmosis I., dem Pharao!“ Senenmut wurde blass vor Schreck. Er ließ sich auf die Knie fallen und senkte den Kopf tief in den Staub.

      „Verzeiht mir mein ungebührliches Verhalten und meine Anmaßung, Prinzessin! Ich lege mein Leben in Eure Hand. Wenn der Pharao erfährt, wie ich mich Euch gegenüber verhalten habe, lässt er mich den heiligen Krokodilen zum Fraß vorwerfen. Bitte gewährt mir Gnade!“

      Sie hatte aufgehört zu lachen und stemmte ärgerlich die Arme in die Hüften. „Steh auf und benimm dich wie ein Mann! Ich werde bestimmt niemandem verraten, was passiert ist. Aber steh endlich auf und rede um Hathors Willen wieder mit mir wie zuvor! Ich kann alle diese Höflinge nicht ausstehen, die unentwegt vor mir im Staub kriechen! Und wenn du noch einmal die Anrede Prinzessin gebrauchst, solange wir alleine sind, werde ICH dich höchstpersönlich zu den Krokodilen schicken. Ich heiße HATSCHEPSUT!“

      Senenmut erhob sich. Ihm war nicht mehr ganz wohl in seiner Haut. Allein mit der Tochter des Pharaos, dafür hätte ihn die Leibwache des Pharaos schon zerstückelt.

      „Wo sind denn Eure, ich meine, deine Wachen?“, erkundigte er sich besorgt.

      „Sie warten auf mich am Nilufer. Ich kann es nicht leiden, wenn sie mir wie Hunde auf jedem meiner Schritte folgen. Aber gut, dass du mich erinnerst, ich war länger weg als geplant. Sie werden mich suchen. Ich muss zurück. Aber komm mit mir, du kannst mit meiner Barke nach Theben zurückfahren.“

      Senenmut folgte ihr eher widerwillig. Der Gedanke an ihre Leibwache schmeckte ihm nicht. Tatsächlich kamen sie ihnen auf halbem Weg entgegen. Ein riesiger, grimmig dreinblickender Nubier zog sein Schwert und kam auf Senenmut zu, aber Hatschepsut gebot ihm Einhalt. So gingen sie zurück ans Nilufer zu einer wartenden Barke, die das Zeichen des Horus trug, argwöhnisch beäugt von ihren Wachen. Am Ufer kam ihnen eine Frau entgegen gelaufen.

      „Hatschepsut, mein Kind, was ist mit dir geschehen?“, rief sie. „Keine Sorge, Inet, es ist nichts passiert. Dieser tapfere Priester hat mich vor einem herabstürzenden Felsen gerettet. Ich verdanke ihm mein Leben.“ Sie zwinkerte ihm aufmunternd zu.

      Inet ging auf ihn zu. „Du musst Senenmut sein, der Sohn von Ramose! Du siehst deinem Vater sehr ähnlich. Ich bin Inet, die Amme von Hatschepsut. Ich danke dir, dass du mir das Licht meines Lebens heil zurückbringst.“ Sie bestiegen die Barke und setzten über zur östlichen Seite nach Theben.

      Am Ufer verabschiedete sich Hatschepsut von ihm. „Ich danke dir, Senenmut. Wir sehen uns bald wieder.“ Dann ging sie fröhlich plappernd mit Inet ihres Weges. Senenmut ließ einen tiefen Seufzer und ging zum Tempel des Amun zurück.

       Noda

      Gnadenlos um Punkt 7 Uhr schrillte das Telefon. „Xipniste, parakalo! Stehen sie auf, bitte!“, riss mich der Portier aus meinem Schlaf. Ich hatte SIE gesehen, das war direkt zu einer „Lieblingserinnerung“ von mir geworden. Wie immer hatte ich meine Probleme, in die Gegenwart zurückzufinden. Ich taumelte mehr ins Bad und duschte kalt, um ins Leben zurückzukommen. Anschließend bereitete ich alles vor zur Abreise und ging nach unten zum Frühstück. Diesmal war es genauso reichhaltig, wie ich es mir wünschte. Die „Jajoula“ war aber nirgendwo zu sehen.

      Wie bereits am Tag zuvor beendete das Hupen des Reisebusses mein Frühstück. Diesmal machte die Reiseleiterin ein etwas fröhlicheres Gesicht. „Gute und schlechte Nachrichten habe ich für sie. Die Gute ist, die Fähren fahren wieder. Die Schlechte ist, dass wir damit rechnen müssen, dass nicht alle auf einmal mitkommen, wir haben etlichen Rückstau auf der Insel. Aber wir fahren jetzt zum Hafen und schauen einmal, was geht.“ So stiegen wir ein und sagten dem Hotel Amaryllis Auf Wiedersehen.

      Schon auf dem Weg zum Hafen konnten wir erahnen, was dort los war. Wir steckten fest, in einem fast endlosen Stau an Reisebussen, Lkws und privaten Pkws. Der Fahrplan war sowieso zu einer reinen Absichtserklärung geworden. Die Fähren, die im Hafen festgemacht hatten, waren restlos überladen. Die nächsten Fähren warteten schon weiter draußen auf einen frei werdenden Anlegeplatz. Dazwischen tummelten sich die Fischerboote der Santoriner und von einigen benachbarten Inseln, die ebenfalls im Getümmel mitmischten.