Название | Grüße von Charon |
---|---|
Автор произведения | Reinhold Vollbom |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738062595 |
Auf dem Gesicht von Kommissar Palmut breitete sich ein mitfühlendes Lächeln aus. »Wir haben den Täter bereits, Herr Schröter. Sie haben gegenüber dem Abteilungsleiter geäußert, dass Ihnen im Treppenhaus ein Techniker begegnete. Dieser soll schulterlange blonde Haare, einen grauen Overall und eine Tragetasche bei sich gehabt haben. Aber wie konnten Sie das Aussehen des Täters beschreiben? Denn dieser versteckte kurz zuvor den Overall, die blonde Perücke und die Tragetasche in der Aufzugskabine …?«
Unerwarteter Besuch
»Du unverbesserlicher Taugenichts«, schimpfte Melanie Fiebig vor sich hin. Die Worte waren an ihren Freund Marko gerichtet. Da dieser nicht anwesend war, konnte er die vielen Verwünschungen seiner Freundin nicht hören.
Ein weiteres Mal fühlte sich Melanie von Marko im Stich gelassen. Es wurde Zeit die Freundschaft zu beenden, fand sie. Das konnte allerdings nicht problemlos geschehen. Denn ihr Freund und sie waren ein eingespieltes Team. Zumindest beim Abschöpfen verfügbaren Reichtums. So jedenfalls drückte sich Melanie aus, wenn in einer Villa ein prall gefüllter Tresor vorhanden war. Da, wo ihr Freund versagte, führte oft ihr Fingerspitzengefühl zum Erfolg. Als Team waren sie unschlagbar.
Vorrangig hatten die beiden es auf Bargeld und Schmuck in den Geldschränken gut betuchter Bewohner abgesehen. Und im überwiegenden Teil der Villen waren irgendwo Safes eingebaut. Ausgerechnet heute, am Sonntag, wo sich ihnen die Möglichkeit bot, einen sicheren Coup zu landen, da ließ Marko sie erneut sitzen. Ärgerlich.
Gestern Morgen, auf dem Markt, fasste sie den Entschluss in die exklusive Villa der Vogts einzusteigen. Marlene Vogt stand gern im Mittelpunkt des Geschehens. Auch auf dem Wochenmarkt. So war es für viele Vorbeieilende zu hören, dass ihr Wachhund überraschend gestorben sei, die neue Alarmanlage jedoch erst am Montag installiert werden konnte. »Herrje, und wenn nun übers Wochenende bei uns jemand einbricht?«, gab sie mit künstlicher Angst lautstark von sich. »Schließlich sind mein Gatte und ich von Sonntag bis Montagmorgen nicht zu Hause. Wissen Sie, wir sind auf einer für uns äußerst wichtigen Veranstaltung…«
Melanie Fiebig hatte bei diesen Worten ihr Obst eingepackt und schritt nun schlendernd an den anderen Ständen vorbei. Sie hatte genug gehört. Jedenfalls so viel, um bei den Vogts abzuschöpfen. Ein Schmunzeln konnte sie sich nicht verkneifen. Am nächsten Markttag würde Marlene Vogt bestimmt ein anderes Thema lautstark zum Besten geben. Der Einbruch, Sonntagnacht, in ihrer Villa …
Melanies Gesichtsausdruck verfinsterte sich. Sollte sie tatsächlich wegen des unzuverlässigen Marko auf diese günstige Gelegenheit verzichten? Nein! Ich muss es halt allein probieren, schoss es ihr durch den Kopf. Und wenn mir der Coup gelingt, werde ich zukünftig immer ohne ihn arbeiten. Ihr Entschluss stand außer Zweifel.
◊
Melanie Fiebig warf einen flüchtigen Blick auf Ihre Armbanduhr. Es war kurz vor Mitternacht. Vor ihr lag, wie ausgestorben, die Straße, an deren Ende sich das Haus vom Ehepaar Vogt befand.
Mit gleichmäßigen Schritten bewegte sie sich in Richtung der Villa. Ihre Turnschuhe verursachten nicht das geringste Geräusch. Die schwarze hautenge Hose und das gleichfarbige Sweatshirt, verliehen ihr etwas gespenstisch Schattenhaftes. Das schulterlange blonde Haar gab ihr, in dieser Aufmachung, noch mehr Ausstrahlung. Nur der schwarze Rucksack, in einer ihrer Hände, wollte nicht so recht zu der Erscheinung passen.
Nachdem sie das Gartentor der Villa erreicht hatte, verlangsamte sich ihr Gang. Nur nicht durch ein Tor gehen, hatte ihr Freund ihr immer wieder erklärt. Solche Dinger quietschen meist. Und Nachbarn haben ihre Ohren und Augen überall, wusste er zu berichten. Diese Vorsichtsmaßnahme berücksichtigte sie. Wenige Meter weiter blieb sie für einen kurzen Augenblick stehen. Sie vergewisserte sich nach allen Seiten, dass sie niemand beobachtete. Sofort darauf kletterte Melanie Fiebig flugs über den nicht hohen Gartenzaun. Niemals durch den Vordereingang. Auch das war ein fester Grundsatz ihres Freundes. Also begab sie sich zum hinteren Teil des Grundstückes.
Melanie spürte ihr Herz heftig Pochen, als sie den Saugnapf vorsichtig auf die Scheibe der Terrassentür drückte. Ein leises Sirren des Glasschneiders und gleich darauf öffnete sich die Tür. Der Lichtkegel ihrer Taschenlampe tanzte über die verschiedenen Möbelstücke. Sie musste sich zuerst einen genauen Überblick verschaffen. Der grelle Lichtpunkt tastete hüpfend den Innenraum ab. Hierbei sprang er von Bild zu Bild. Plötzlich hielt sie überrascht inne. Eines der Gemälde war wie eine Tür seitlich befestigt und stand aufgeschlagen von der Wand ab. Hinter dem Bild bemerkte sie eine angelehnte Stahltür: Der Wand-Safe. Mit wenigen Schritten begab sie sich darauf zu. Der Tresor war leer. Sie fluchte halblaut vor sich hin. Scheinbar wollten die Vogts auf Nummer sicher gehen, überlegte sie. Wahrscheinlich brachten sie das Geld für ein paar Tage zur Bank. Die geöffnete Safe-Tür sollte mögliche Einbrecher von der Sinnlosigkeit ihres Vorhabens überzeugen.
Der Lichtstrahl der Taschenlampe beleuchtete die Treppenstufen. Vielleicht ist im oberen Stockwerk Schmuck zu holen, hoffte sie. Im selben Augenblick, als sie die erste Stufe betrat, flammte mit einem Mal Licht auf.
Am oberen Ende der Treppe stand eine männliche Person im Schlafanzug und hielt eine Pistole auf sie gerichtet. »Besuch? Zu so später Stunde?!« Hämisch grinsend sah er die mit offenem Mund dastehende Einbrecherin an. Mit der Waffe gestikulierend, forderte er sie auf hochzukommen. »Was Sie um diese Uhrzeit bei mir zu suchen haben, muss ich wohl nicht fragen, nicht wahr?!« Der Bursche, mit dem braunen lockigen Haar, musterte die unerwartete Besucherin.
»Na los, rufen Sie die Polizei. Worauf warten Sie?« Melanie ärgerte sich. Nicht so sehr darüber, dass sie erwischt wurde, sondern, dass ihr erster allein ausgeführter Coup misslang.
»Was treibt eine hübsche Dame dazu, einem derart schrecklichen Gewerbe nachzugehen?« Der Braunlockige machte kein Geheimnis aus seiner Sympathie für Melanie.
Wären die Umstände anders gewesen, hätte sie dieses Wohlwollen sicherlich erwidert. »Starren Sie mich nicht so an. Ich habe Pech gehabt. Da steht das Telefon.«
»Nicht so eilig«, sprach er freundlich lächelnd. »Vielleicht können wir uns vorher noch ein wenig unterhalten, bis ich die Polizei rufe.«
»Und wozu soll das gut sein?«
Er zuckte mit den Achseln. »Ich finde Sie nett. Da interessiere ich mich schon mal für die näheren Umstände. Zumal Sie gar nicht so einen kriminellen Eindruck machen.«
Sie antwortete nicht. Mit einer kurzen Handbewegung ordnete sie ihr langes blondes Haar. Melanie konnte es nicht leugnen, der andere machte einen angenehmen Eindruck auf sie.
»Ich schlage vor, wir unterhalten uns darüber wie Sie auf die schiefe Bahn gekommen sind …«
»Unterhalten Sie sich mit Ihrer Ehefrau über das Thema«, unterbrach sie ihn.
Für einen Moment schien der Braunlockige irritiert. Dann sprach er kaum hörbar, fast mitfühlend: »Meine Gattin ist heute Abend, genauer gesagt diese Nacht, nicht zu Hause.«
Melanie schien zu ahnen, worauf der andere hinaus wollte. Sollte sie sich bei ihm freikaufen? Oder was waren seine wahren Absichten?
»Vermutlich stört Sie die Pistole.« Er sah entschuldigend auf das schwarze Stück Metall in seiner Hand. Dann richtete er den Blick wieder auf sie. »Nun hören Sie doch auf, mich so anzustarren. Ich schlage vor, Sie gehen in die Küche. Die ist links von Ihnen. Dort nehmen Sie die angebrochene Flasche Champagner aus dem Kühlschrank. Dann bereden wir alles in Ruhe. Wer weiß, vielleicht gibt es eine Lösung die Polizei nicht zu rufen.« Seine Augen tasteten ihren Körper begierig ab. »Ich habe nicht nur zwei Gläser hier, sondern auch das Vertrauen in Sie, dass Sie nicht abhauen. Na los, holen Sie den Schampus.«
Melanie war sichtlich überrascht, über die unerwartete Wendung ihres Einbruchs. Sie drehte sich um und bewegte sich in Richtung Küche. Abhauen? Nein, wozu denn, überlegte sie?! Auch das hatte sie von Marko gelernt. Aus jedem Umstand das Beste machen. Und das hatte sie in diesem Augenblick vor. Sachen