Название | Irma |
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Автор произведения | Michael Tycher |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847662587 |
„Ich wünsche euch eine schöne Zeit hier, ich muss noch einige Vorbereitungen treffen, mein Job soll professionell erledigt werden.“
Der Code „Pl02jslkB23 2903“ beruht auf einem System, dass nur sehr wenige Verbindungsleute auf der Welt kennen. Und Pierce ändert ihn in unregelmäßigen Abständen. Sicherheit ist alles, ganz besonders bei diesem Beruf. Die Ziffern bedeuten: Neuer Auftrag, Dringlichkeitsstufe bis drei Wochen, Details hinterlegt in Singapur, Bukit Brown Cemetery, Grabnummer.
Pierce sollte diesen Übergabeort für zukünftige Aufträge baldigst ändern. Hier heißt es: Dreißig Zentimeter hinter dem benannten Grab findet er in zwanzig Zentimeter Tiefe ein zusammengerolltes und eingeschweißtes Dokument mit Informationen zur Zielperson und dem Ort. Caiden wird alles perfekt und unauffällig abgelegt haben, der Job kann beginnen. Und er wird auch schon die Anzahlung auf seinem Konto haben, Caiden hält sich penibelst an die Regeln. Ein Blick mit dem Tablet auf sein Cayman-Konto bestätigt seine Annahme: 100.000 US-Dollar, Eingang gestern.
Hamburg
„Schatz! Ist das Trägerlose nicht ein wenig mutig?“
Britta sieht darin aus wie ein Traum. Lars weiß gar nicht, warum sich Frauen zum Ausgehen immer so elegant, reizend und toll rausputzen, dass man vor lauter Appetit am liebsten gleich daheim zur Hauptspeise schreiten möchte. Doch leider ist es dann oft so, dass der Abend interessant ist und lang dauert und schließlich fällt die Erotik der Müdigkeit zum Opfer.
„Du sieht damit hinreißend aus, meine Liebste, ich würde es anbehalten und wenn du nur einen Gedanken daran verschwendest, es jetzt wechseln zu wollen, dann hole ich es dir vom Leib, das geht dann schneller und wir sollten sodann beide etwas Aufregendes davon haben.“
Britta schlüpft in ihre Pumps.
„Heute Nacht, mein Süßer, wir müssen los, wir sind spät dran.“
Es geht mir, seit ich von Berlin nach Hamburg in Brittas große Eppendorfer Altbauwohnung gezogen bin, richtig gut, denkt Lars erfreut. Britta kennt er schon seit ihrer gemeinsamen Studienzeit, hat sie aber zwischenzeitlich aus den Augen verloren. Erst als er in Schwierigkeiten gekommen ist, weil quasi vor seinen Augen ein Fahrgast abgeknallt wurde, sind sie sich nähergekommen. Die Erinnerungen an diesen Pharma-Fall kommen Lars immer mal wieder. Wie gut, dass er damals Britta an seiner Seite hatte. Aber auch die Juristen Bert und Johann, die beiden anderen Studienfreunde, halfen mit vollem Einsatz bei der Lösung des Falles.
„Herr Chauffeur! Können wir heute den Polo nehmen oder steht da wieder so eine Angeberkutsche?“
Britta stichelt ganz gerne, wenn es um Lars Arbeitsgerät geht. Oft nimmt Lars die großen schwarzen Limousinen mit zu Britta. Meist, wenn die Aufträge nahtlos ineinander übergehen oder er einen Fahrgast für längere Zeit betreut und dieser den Chauffeur gerade nicht benötigt.
„Da muss sich die Starjournalistin mit ihrem Trägerlosen in den Polo setzen, sorry. Zurzeit herrscht Auftragsflaute in Hamburg. Aber am Horizont rollt schon eine Riesenwelle Arbeit auf mich zu. Deshalb genieße ich die autofreie Zeit. Übrigens, würde es mich in höchste Freude versetzen, wenn du das Vehikel fahren würdest. Nicht, dass du das Fahren gänzlich verlernst.“
„Wie fürsorglich du bist, das kann nicht unwidersprochen bleiben, mein Lieber. An deinem Sakko fehlt ein Knopf, ich würde es wechseln. Okay, ich fahre.“
Lars betastet das braune Sakko.
„Tatsächlich, ich ziehe das graue an, wenn es recht ist?“ Schwarze Anzüge kann Lars in seiner Freizeit nicht mehr sehen, es ist seine Berufskleidung.
„Klar, aber Tempo, wenn ich bitten darf.“
Mit dem Polo geht es zügig in Richtung Hamburger Rathaus. Der prächtige Bau beherbergt die Hamburger Bürgerschaft und den Senat. Britta steuert das Kfz problemlos durch die von Autos geplagte Innenstadt.
„Was steht da heute eigentlich an? Du hast dich ja ziemlich aufgebrezelt.“
Lars kommt öfter mit zu Brittas Presseterminen, er findet es interessant, wie sie ihre Arbeit macht, und beobachtet gerne die Menschen, die sich dort wichtig tun oder sich einfach für Dinge rechtfertigen, die sie verbockt haben. Bei heiklen Terminen darf er nicht mit, dann sind nur akkreditierte Pressevertreter zugelassen, aber oft genug klappt es. Britta hatte Lars schon mal als ihren Assistenten ausgegeben, das funktionierte problemlos. Wenn es Häppchen oder ein Glas Sekt gratis gibt, dann sagt er nicht nein.
„Im Rathaus wird heute eine Ausstellung eröffnet. Wir als großes deutsches Nachrichtenmagazin stehen automatisch auf der Presseliste. Wir werden sicher nicht sofort darüber berichten, aber Anwesenheit, gerade bei diesem sensiblen Thema, ist von der Chefredaktion erwünscht.“
„Was für ein Thema? Das klingt ja geheimnisvoll.“
„Die versteckten Juden in Hamburg“, erklärt Britta.
„Während der NS-Gewaltherrschaft wurden die deutschen Juden in die Vernichtungslager nach Osten deportiert. Das Reich sollte judenfrei sein, so wollten es Hitler und seine Mörderbande. Die meisten hat es dann auch erwischt. Entweder sind sie freiwillig zu den Sammelpunkten gekommen und wollten an einen Arbeitseinsatz im Osten glauben oder die Gestapo hat sie gewaltsam abgeholt.“
„Halt Moment mal, es handelt sich also um ein NS-Thema, richtig?“
„Ja, Herr Chauffeur, sie haben es erkannt. Ich hoffe, das führt weder bei ihnen zu einer intellektuellen Überforderung noch zu dem ‚Ich kann es nicht mehr hören, außerdem war ich nicht dabei.“
Lars fühlt sich ertappt. Genau in diese Richtung wollte er gerade lospoltern. Doch auch er hatte als Chauffeur in Berlin viel mit Juden und Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem Holocaust zu tun gehabt. Er erinnert sich an ein altes Pärchen, das er durch die Ausstellung der Wannsee-Villa geführt hatte. Dabei blieb ihm oft fast die Luft weg, als er schwarz auf weiß in den Protokollen der Wannsee-Konferenz nachlesen konnte, wie eiskalt logistisch der Mord an Menschen mit jüdischem Glauben durchgeführt worden ist. Ein paar Tage später ist Lars wieder in die Wannsee-Villa gefahren und hat weitere Dokumente gelesen, diesmal alleine.
Lars legt eine ernste Miene auf.
„Nein, das geht schon in Ordnung, ich war bloß nicht auf dieses Thema vorbereitet, aber jetzt bin ich bereit. Du musst also nichts über diese Ausstellung schreiben, sondern nur Präsenz zeigen? Habe ich das richtig verstanden?“
„Nicht so ganz, ich werde etwas für unseren Recherche-Pool schreiben. Du weißt doch, wir sammeln und sammeln bis endlich eine Geschichte daraus wird. So arbeitet dieses Nachrichtenmagazin schon seit Jahrzehnten. Wichtig ist heute, wer da ist und wer welche Reden hält. Immerhin heißt es, dass der Bundespräsident auch kommen soll.“
„Wow, und ich fahre ihn nicht, da hat er was versäumt. Aber halt, setze mich doch bitte weiter ins Licht. Was heißt: Die versteckten Juden in Hamburg?“
Britta hält die Augen auf, denn ein Parkplatz muss her.
„Nicht alle Juden wurden in die Vernichtungslager deportiert. Es gab mutige Hamburger, die sie bei sich in der Wohnung oder im Garten versteckt haben, und das über Jahre. Sie haben sie verpflegt und ihnen Mut zugesprochen. Einige haben überlebt, andere nicht. Sie sind durch Verrat aufgeflogen oder bei der Bombardierung durch die Amerikaner und Briten getötet worden. Sie konnten ja schließlich nicht mit in den Luftschutzkeller. Aber, es waren nur ganz wenige Deutsche, das muss auch deutlich gesagt werden, die so ein Risiko eingegangen sind.“
„Du meinst, man sollte aufpassen hier nicht den Gutdeutschen zu verkaufen?“
„Genau das ist der Knackpunkt, der politische. Es gibt inzwischen sogar die Vermutung, dass die Menschen, die deutsche Juden, also fast ihre Nachbarn, versteckt haben, miteinander in Verbindung standen. Sie haben sozusagen ein Netzwerk gebildet.“
„Hochinteressant! Warum parkst