Mordsschock!. Gaby Hoffmann

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Название Mordsschock!
Автор произведения Gaby Hoffmann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847656647



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er Schlange? Nein, so tief ging ich nicht in die Knie!

      „An den richtigen Stellen ist es ja gut gefüllt“, setzte er seine anzüglichen Anspielungen fort.

      „Bei Ihnen dagegen scheint an der entscheidenden Stelle gähnende Leere zu herrschen“, platzte ich heraus. Ups! Der Sekt löste meine Zunge. Innerlich gratulierte ich mir, mich aus seinem Bann befreit zu haben, gleichzeitig wusste ich natürlich, dass diese Beleidigung fehl am Platze war.

      Ken Winter brach in dröhnendes Gelächter aus.

      Diplomatisch lachte ich mit, um so unsere gesellschaftlichen Fauxpas zu überspielen. Wenigstens hatten wir sie gemeinsam begangen!

      Das Gelächter zog die Leute in der Nähe an, die neugierig wissen wollten, was es so Witziges gebe.

      „Bleibt unser Geheimnis!“, erklärte Winter.

      „Ja, mein Mann kann hinreißend sein. Trotzdem möchte ich jede Frau vor ihm warnen!“ Unbemerkt war Sylvie Winter hinter mich getreten.

      Erstaunt gaffte ich sie an. War sie eifersüchtig?

      Aber sie drehte sich in Richtung Büfett um und stolzierte auf ihren Pradaletten davon.

      „Die Winters leben in Scheidung“, wisperte eine aus der Stewardessen-Fraktion hinter meinem Rücken. Sie hatte die Bemerkung der Gastgeberin aufgeschnappt, weil sie und ihre Geschlechtsgenossinnen sich inzwischen beharrlich um Ken Winter scharten. Aha, auch diese heile Welt hatte einen Sprung!

      Winter veranstaltete eben ein kleines Wetttrinken gegen einen jungen Parteifreund, das er zum Jubel der Damen gewann.

      „Ken macht die besten Partys.“ Eine ‚Stewardess‘, die sich als gesundheitspolitische Sprecherin entpuppte und momentan den verklärten Gesichtsausdruck eines Bravo-Girls trug, seufzte filmreif. Offensichtlich himmelte sie ihren stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden an.

      Ich guckte mich nach dem Chef der Konservativen um, entdeckte von Stetten aber nirgends. Stattdessen traf ich Matthias Ehrhardt, den jugendlichen Charmeur alter Schule, den ich ebenfalls auf der Sitzung kennengelernt hatte.

      „Darf ich sagen, dass Ihnen dieses Kleid fantastisch steht?“ Mit schiefgelegtem Kopf lächelte Ehrhardt an mir vorbei und plauderte über das Wetter. Als er auf seine Partei zu sprechen kam, geriet er ins Schwärmen. Als wäre er Mitglied einer Sekte mit Ludwig von Stetten als Guru. „Wir arbeiten an einer infrastrukturellen Gesamtverbesserung Rosenhagens. Sie werden sehen, Ludwig ist auf dem richtigen Weg. Er hat alles im Griff, und man findet immer ein offenes Ohr bei ihm.“

      Ich nutzte die Gelegenheit, um ihn thematisch festzunageln. „Ich habe gehört, in Sachen ‚Gottesanger‘ gibt es Probleme.“

      „Probleme? Das ist mir neu.“

      „Es soll bei der Grundstücksverteilung nicht mit rechten Dingen zugehen“, tastete ich mich langsam vor.

      Anscheinend war ich an der falschen Adresse, denn Ehrhardt blickte mich verständnislos an.

      „Bereits jetzt, bevor die Bewerbungsfrist abgelaufen ist, sind abschlägige Bescheide an Bürger rausgegangen.“

      Ehrhardt schnappte nach Luft.

      „Erkundigen Sie sich mal über den Bürgermeister und seine Freunde!“, lenkte ich ihn auf die politischen Gegner.

      Den Happen schluckte er. Als hoffnungsvoller Nachwuchspolitiker, der an seiner Karriere bastelte, würde er jede Chance nutzen, um sich zu profilieren. „Interessant! Ich werde mich gerne mal ein bisschen umhören und Sie anrufen“, versprach er eifrig mit einer kleinen altmodischen Verbeugung. „Oh, dort kommt unser baupolitischer Sprecher. Gestatten Sie, dass ich Ihnen Bernd Herder vorstelle?“

      Ein kräftiger Typ mit buschigen Augenbrauen, schwarzem Schnauzer und an den Seiten bereits leicht angegrautem dunklem Haar begrüßte mich. Er hatte einen festen Händedruck. Der zarte Lavendelduft, der seine Kleidung umwehte, passte eher zu einer alten Dame. Wahrscheinlich hängte seine Frau Beutelchen getrockneter Lavendelblüten zwischen die Wäsche in den Schrank.

      „Passen Sie auf, was Sie sagen! Herder ist im Hauptberuf Kommissar“, flachste Ken Winter dazwischen.

      Der Mann interessierte mich. Glücklicherweise wurden Winter und Ehrhardt in dem Moment von anderen Leuten mit Beschlag belegt, sodass Herder und ich alleine zurückblieben. Ich packte die Gelegenheit beim Schopf. „Dann wissen Sie bestimmt über diese Unfälle in der Kieskuhle Bescheid. Wie schätzen Sie die Situation ein, war es wirklich in beiden Fällen Selbstmord?“

      Herder runzelte die Stirn. Gewiss hatte er nicht damit gerechnet, auf einer lockeren Party über dieses ernste Thema reden zu müssen. Das Lächeln verschwand von seinen Lippen, seine Gesichtszüge versteinerten. „Eine tragische Angelegenheit. Ich habe die Ermittlungen geleitet. Jeder Zweifel ist ausgeschlossen. Sebastian Jensen und Peter Heimann sind freiwillig aus dem Leben geschieden. Es existierten keinerlei Hinweise auf Fremdeinwirkung.“

      „Haben Sie nach Reifenspuren eines weiteren Fahrzeugs gesucht?“

      „Selbstverständlich. Es hatte an beiden Tagen stark geregnet, sodass auf den sandigen Wegen keine Spuren mehr festzustellen waren.“ Herder verzog unwillig die schmalen Lippen, als hätte ich ihn mit meiner dreisten Fragerei beleidigt. „Sie können sich vorstellen, dass wir versucht haben, jede Möglichkeit, die einen Suizid ausschließt, in Betracht zu ziehen. Das tun wir natürlich ohnehin, aber diesmal war ich persönlich besonders betroffen, da es sich um Angehörige unserer Partei handelte.“

      „Finden Sie das nicht seltsam? Beide begehen kurz hintereinander am gleichen Ort Selbstmord?“

      „Zufall! Sie stammten aus verschiedenen Kreisen und waren nicht miteinander befreundet. Sebastian, der Arztsohn, engagierte sich im Kulturausschuss. Ein Feingeist, interessierte sich für Theater, Musik und Literatur. Peter, der Bauernsohn, setzte sich für ökologische Belange ein. Er war Mitglied des Umweltausschusses.“

      „Beide waren im gleichen Alter, Studenten und galten in ihrer politischen Arbeit als ehrgeizig, oder?“

      „Wer studiert heutzutage nicht alles.“ Herders Tonfall klang abwertend. „Man darf nicht zu viel hineininterpretieren. Ich weiß aus meiner langen Dienstzeit, dass weitaus mehr Suizide begangen werden, als man annimmt. Gerade solche jungen, ehrgeizigen, sensiblen Männer, die, durch irgendetwas enttäuscht, auf den rauen Boden der Realität fallen, sind leider treffliche Kandidaten dafür.“

      „Aber worüber verzweifelten Sebastian Jensen und Peter Heimann?“

      „Kann ich Ihnen nicht sagen. Wir haben nichts Konkretes herausgefunden. Vielleicht eine unglückliche Liebe? So was geht schnell! Wenn Sie meine Meinung hören wollen: Man sollte die beiden ruhen lassen und nicht weiter herumstochern. Im Interesse der Angehörigen.“ Herder hielt aus dem Augenwinkel Ausschau nach seiner Frau und seinen beiden Kindern, die gerade um das Büfett jagten und sich wahre Berge auf ihre Teller stapelten. Irgendwann fiel dem Jungen ein, dass es lustiger wäre, auf das Matrosenkleid der blond bezopften Schwester Tomaten zu feuern.

      Prompt schaltete die ihre Sirene an: „Mama, Ernst-August ärgert mich!“

      Die Mutter schüttelte genervt ihre wohlgefönten Dauerwellen und keifte: „Ernst-August Herder, benimm dich gefälligst!“

      „Tu ich doch!“, konterte der kleine Streithansel.

      Im nächsten Moment zerrte ihn sein Vater unsanft am Ärmel vom Büfett weg. Damit war unser Gespräch beendet.

      Etwas abseits von den anderen Leuten unter einem Ahorn mit weit ausladenden Ästen stand eine hübsche, junge Frau. Ihr dunkelblaues Kostüm identifizierte sie als zugehörig zum ‚Club‘. Sie war ungefähr in meinem Alter. Große Rehaugen und ein glänzender schwarzer Zopf, aus dem sich einige Locken vorwitzig herausringelten, verliehen ihr einen mädchenhaften Touch. Versonnen umklammerte sie ein Glas mit Orangensaft.

      Ihre Außenseiterposition machte mich neugierig. Ich schob mich unauffällig näher an sie ran und tat so, als wollte ich unter dem Ahorn in Ruhe