Название | Die Blödheit der Anderen |
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Автор произведения | Ben Worthmann |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847684015 |
Während es dem Land in seiner kollektiven Borniertheit schnurz ist, wenn blanke Möpse überall auf Werbe-Plakaten kleben, reibt es sich an neu eröffneten Still-Cafés auf. Ich kann von Glück reden, dass ich mir vom vielen Kopfschütteln nicht irgendwas ausgerenkt habe, einen Halswirbel womöglich oder gleich das ganze Gehirn.
Ich entschließe mich, schleunigst weiter zu gehen, bevor der Wahnsinn mit mir durchgeht. Dachte ich doch allen Ernstes: Demnächst eröffnen sie hier noch Cafés, wo man gemeinsam (Nein, ich sage es nicht, ich spreche es nicht aus!) ...kann. Ich habe wirklich Angst, dass jemand diesen, meinen Gedanken für ein neues Hipster-Geschäftsmodell halten könnte und demnächst beim Arbeitsamt (neumodisch: Jobcenter) einen Business-Plan einreicht. Ich bin sicher, im Prenzlauer Berg würden sie das sogar genehmigen. Werbeslogan: Scheiß dich glücklich! (Denn die Cafés: "Kauf dich glücklich" und "Stillen macht glücklich" gibt’s ja bereits) Nicht, dass mir das einer der Leser klaut. Warnung: Ich werde die Idee patentieren lassen! Findet Ihr mich auch so unglaublich intolerant?
fragt Greta.
***
Liebe Greta,
Du weißt ja, wir Männer sind ein bisschen anders, neigen eher zum Theoretisieren und Analysieren und wollen alles verstehen und ergründen, während Ihr Frauen Euch meist mit Ausflügen in Eure eigene Welt der hormongesteuerten Emotionen begnügt. Das ist einfach so und hat nichts mit Alter und Herkunft zu tun, sondern einzig und allein mit dem spezifisch männlichen Ticken der evolutionsbiologischen (Eier)-Uhr (entschuldige bitte den kleinen platten Scherz). Wir möchten den großen Zusammenhang begreifen. Und was den nun betrifft, so sage ich gleich vorweg, dass mich das Vorhandensein dieser sogenannten Still-Cafés kein bisschen überrascht.
Ich könnte jetzt ziemlich weit ausholen zu einem Exkurs in die Kulturgeschichte. Die wimmelt ja von Beispielen dafür, was schon so alles an intimen Verrichtungen vor den Augen einer mehr oder minder großen Öffentlichkeit stattgefunden hat. Könige und Kaiser hielten Hof, während sie auf dem Lokus saßen, Hochzeitsnächte wurden regelrecht dokumentiert, öffentliche Badehäuser waren die reinsten Swingerclubs - nicht zu reden von den alten Griechen, bei denen die Olympiateilnehmer nackt waren und in deren Gymnasien so manches abging, was relativ wenig mit der Bildung von Körper und Geist zu tun hatte. An dieser Stelle könnte ich jetzt auch noch etwas zum Themenbereich Päpste/Putin/Homophobie einflechten, aber das würde nun tatsächlich etwas zu weit führen.
Lieber erwähne ich zwecks Herstellung des großen Zusammenhangs Alice Schwarzer, auch wenn die noch nie in einem Still-Café aktiv geworden sein dürfte. Denn letztlich geht es auch hier um Gesellschaftspolitik - um die Wechselwirkung und Trennung bzw. Nicht-Trennung zwischen Politischem und Privatem. In jenen Zeiten, da sich Frau Schwarzer ihre unbestrittenen Verdienste - und zwar die, die sich nicht in Geldbeträgen ermessen ließen - erwarb, galt bekanntlich die progressive These, dass das Private politisch sei und umgekehrt. Heute sagte Frau Schwarzer, ihr Schwarzgeld sei ihre Privatangelegenheit. Und gleichzeitig finden Millionen und Abermillionen Menschen längst nichts mehr dabei, ihr Privatleben via Internet oder, sofern sie aufgrund einer wie immer gearteten B-, C- oder D-Prominenz irgendwelche Deals mit dem Boulevard gemacht haben, per TV oder in Klatschblättern öffentlich zu machen.
Kurz: Die Maßstäbe auf diesem Gebiet sind total verrutscht. Der öffentliche Raum ist durch und durch pornografisiert, aber das hindert bestimmte Leute nicht daran, sich über den Anblick einer zum Zweck der Kleinkindernährung gezückten Mutterbrustwarze zu echauffieren. Frau Schwarzer kämpft gegen die Prostitution, fand aber nichts dabei, für die BILD zu kolumnieren, ein Blatt, das Sex-Inserate und Fotos aus der Abteilung weibliche Fleischbeschau druckt und nicht gerade für linke Gleichberechtigungspropaganda bekannt ist.
Überhaupt habe ich den Eindruck, dass auf dieser Welt das Widersprüchliche, Paradoxe, Unangemessene immer mehr Lebensbereiche erobert. Um noch mal auf die Still-Cafés zurückzukommen: Ja, doch, mich stört es schon, dass es so etwas gibt, und zwar insofern, als diese Lokalitäten ein Zeichen dafür sind, welch ein Bohai heute manche um die schlichte Tatsache einer geglückten Fortpflanzung machen - so als sei das Kinderkriegen nicht die natürlichste Sache der Welt Sie zelebrieren ihre Mutter- bzw. Elternschaft förmlich und machen daraus eine neuartige Religion um ihr heiliges Kind. Die stillende Mutter im Café wird somit fast zu einer Art trivialem Abklatsch der Pieta, wobei ihr Kind im Unterschied zur echten Pieta allerdings lebendig ist - zum Glück.
Die amtierenden deutschen Politiker geben aus Sorge um die Rentenkassen allenthalben Parolen zur Vermehrung aus - so als gäbe es nicht jede Menge Länder, denen es mit wesentlich weniger Einwohnern als Deutschland sehr gut geht. Aber längst nicht einmal allen Kindern, die in Deutschland geboren werden, geht es wirklich gut. Und vielen, sehr vielen Kindern, die irgendwo sonst zur Welt kommen, geht es dermaßen beschissen, dass man ihnen beinahe wünschen würde, sie wären gar nicht erst geboren, weil in ihrer Heimat Not und Krieg herrschen.
Währenddessen machen sich unsere sogenannten politischen Eliten neuerdings einen Kopf darüber, ob nicht mehr deutsche Soldaten hinaus geschickt werden müssten, um überall für Recht und Ordnung zu sorgen. Dabeisein ist bekanntlich alles, nicht nur bei Olympia, sondern auch im Krieg. Und die stark mutterkreuzverdächtige deutsche Verteidigungsministerin - ob die ihre siebenköpfige Brut mit Warze oder Flasche großgekriegt hat, sei dahingestellt - träumt polit-programmatisch von einer besseren Vereinbarkeit des Soldatenberufs mit familiären Belangen. Vermutlich müssen wir uns den familienfreundlichen deutschen Soldaten der Zukunft so vorstellen, dass er vormittags irgendwo in der Welt ein paar Erwachsene totschießt und damit einige Kinder zu Waisen macht und nachmittags seinen eigenen Nachwuchs aus der Kita abholt oder ein Handyfoto von seiner stillenden Gattin auf Facebook postet, das aber von Herrn Zuckerberg prompt gelöscht wird, weil sich so etwas nun mal einfach nicht gehört.
Manchmal träume ich davon, dass die Menschheit etwas normaler wäre.
In diesem Sinne und mit besten Grüßen
Ben
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Lieber Ben, liebe Leser,
manchmal könnte ich mich ohne Punkt und Komma aufregen, pausenlos. Immerzu. Nicht selten über die Medien im Allgemeinen oder die Berichte über Michael Schumacher im Besonderen. Michael Schumacher, der berühmte Rennfahrer, den alle und jeder zu kennen meint, die Person des öffentlichen Lebens, der als Mensch aber gar nicht mehr wahrgenommen wird. Michael Schumacher hatte einen schweren Unfall. Das wissen alle. Das ist schlimm, und es ist traurig, genauso wie es traurig ist, wenn so etwas einem Unbekannten passiert. Aber diese Medien, nein diese Medien! Was sind deren Macher doch für ein widerliches, penetrantes Volk! Und was sind wir doch für ein widerliches, penetrantes Volk, rund um die Uhr zu glauben, Medien konsumieren zu müssen. Weil heutzutage ja alles so schnell sein muss. Weil unsere Gehirne ja mit Infos geflutet werden müssen. Und unter dem Deckmäntelchen der Information erlauben wir boulevardesken Arschkrampen uns Dreistigkeiten, dass es einem übel wird. Die Familie von Michael Schumacher hat um die Achtung