Название | Die Wächter der Insel |
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Автор произведения | Juliett L. Carpenter |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847612865 |
"Hat's dir versprochen, was?", meinte die Frau mit einem mitleidigen Lächeln. "Die Masche kenn ich. Warum lässt du dich so auf die Folter spannen?"
"Nein, nein, er ist wirklich nicht die Art Mensch, die du meinst. Er hat's wahrscheinlich nur vergessen."
Marge schüttelte nur traurig den Kopf. "Kerle sind so, Süße. Du darfst nicht enttäuscht sein. Und das würdest du Anthony doch auch nicht antun, oder?"
"Können wir über was anderes reden?", bat Lindy müde. Sie fühlte sich niedergeschlagen und gedemütigt. Das hatte man davon, wenn man sich mit Ex-Freunden einließ! Vermutlich hatte er es sich wieder anders überlegt. Oder aber ... nein, sie wollte nicht daran denken. Eine Gänsehaut kroch Lindys Arme empor, als sich wieder einmal ungebeten das Bild eines zerfetzten Kleinflugzeugs vor ihr inneres Auge schob. Sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass Unzuverlässigkeit häufiger vorkam als ein Flugunfall.
Je länger sie an Robin dachte, desto mehr Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit kamen zurück. Es waren nicht nur gute Erinnerungen – Robin räumte nur selten einen Gegenstand weg, nachdem er ihn benutzt hatte. Ihr Apartment hatte meist ausgesehen wie nach einer Hausdurchsuchung durch die Polizei. Manchmal hatte er sie damit fast zum Wahnsinn getrieben, und da Lindys Schmerzgrenze im Bereich Ordnung niedriger lag als die Robins, war meist sie es gewesen, an der die Aufräumerei hängengeblieben war. Aber irgendwie hatte es meistens genügend Dinge gegeben, die das aufgewogen hatten. Und zuverlässig war er. Er kam zwar häufig zu spät, aber er rief jedesmal an, um Bescheid zu sagen. Konnte diese Angewohnheit im allgemeinen Chaos seines Lebens untergegangen sein, aufgefressen von diesen drei Jahren auf diesem scheußlichen Buschflugplatz im Outback?
Ein Kollege ihres Freundes kam heran und hockte sich auf die Armlehne der Couch. "Na, ihr beiden Hübschen? Möchte eine von euch tanzen?"
"Jetzt gerade nicht, Steve", meinte Lindy und rang sich ein Lächeln ab. "Holst du mir noch eine Bloody Mary?"
"Kommt sofort", sagte Steve galant und verschwand Richtung Getränketisch. Sobald er außer Sicht war, vergass Lindy seine Existenz.
"Ach, zur Hölle damit, weißt du, was ich machen werde, Marge?"
"Du wirst doch nicht etwa ihn anrufen, oder?"
"Nein, werde ich nicht. Kann ich gar nicht, ich habe keine Nummer von ihm. Aber ich kann den Flugplatz anrufen, von dem aus er gestartet ist. Vielleicht wissen die was."
Zum Glück war der Flur, wo das Telefon stand, relativ leer. Wenn sie die Zwischentür schloss, drang der Krach von der Stereoanlage kaum noch durch. Sie schlug die Nummer des Flugplatzes von Newcastle nach und wählte.
"Guten Abend. Tut mir leid, dass ich noch so spät anrufe. Ich weiß nicht, ob Sie mir helfen können ... es geht um einen Piloten namens Robin Cameron. Er wollte von Ihrem Flugplatz aus nach Neuseeland fliegen, und ich würde gerne wissen, ob er da gut angekommen ist. Ich glaube, er ist in einer Cessna geflogen ..."
"Da müsste ich nachsehen, ob er seinen Flugplan hat schließen lassen", kam zur Antwort. "Einen Moment bitte."
Eine halbe Minute verging. Lindy trommelte ungeduldig mit den Fingern auf das Telefonbuch. Konnten die nicht ein bisschen schneller nachsehen? Sie konnte hören, dass Steve drinnen nach ihr rief.
"Sagten Sie eine Cessna auf dem Weg nach Neuseeland? Könnten Sie den Namen des Piloten noch einmal wiederholen?"
"Cameron", wiederholte Lindy.
Ein kurzes Schweigen am anderen Ende der Leitung. Im Wohnzimmer wurde eine Platte von One Republic aufgelegt, und jemand drehte die Anlage auf. Lindy holte den Hörer dichter heran und presste die Hand auf das andere Ohr.
"Es tut mir wirklich sehr leid", sagte der Mann am anderen Ende der Leitung. "Diese Cessna hat am Nachmittag einen Notruf gesendet und musste wegen Motorproblemen auf halber Strecke notwassern. Haben Sie's nicht mitbekommen? Die Meldung ging doch schon durch die Medien ..."
***
Als die Gäste endlich gegangen waren, warf Lindy Deggendorf einen kleinen Koffer auf ihr Bett und begann dann, Kleidungsstücke aus einem Schrank herauszuziehen. Mit hastigen Bewegungen stopfte sie alles in den Koffer, was hineinging. Ihr Freund Anthony, ein hochgewachsener Mittdreissiger im grauen Rollkragenpullover und Jakett, lehnte in der Tür und sah ihr zu. Er hatte volles blondes Haar, auf das er sehr stolz war, und eine etwas zu breite Nase. Nach ein paar Drinks behauptete er meist, dass sie ihm bei einem Boxmatch in diese Form geschlagen worden war. Mitleidig schüttelte er den Kopf, als er sah, wie seine Freundin in der Eile Sachen erwischte, die nicht einmal zusammenpassten.
"Wieso beruhigst du dich nicht, Lin? Wenn der Kerl sowieso tot ist, brauchst du dich nicht mehr zu beeilen."
"Ich habe nicht gesagt, dass er tot ist – ich habe gesagt, dass er vermutlich tot ist", sagte Lindy, und er spürte, dass sie sich mühsam beherrschte. "Oder anders ausgedrückt, er könnte noch leben!"
"Na und? Glaubst du wirklich, dass du ihm helfen kannst, wenn du jetzt nach Newcastle hinausstürzt?"
"Vielleicht nicht. Aber ich habe erfahren, dass eine Search & Rescue-Einheit von dort aus arbeitet. Vielleicht können sie Hilfe gebrauchen. Ich kann jetzt nicht einfach herumsitzen, verstehst du das nicht?"
Mit einem Lächeln schüttelte Anthony den Kopf. "Ich sollte wirklich eifersüchtig sein. Du hast mich mit diesem Burschen doch nicht betrogen, oder?"
"Du bist grässlich!", sagte Lindy. "Würdest du nicht das gleiche tun, wenn ein Freund von dir in Schwierigkeiten wäre?"
Anthony sah zu seinem Erstaunen, wie sie rot wurde. Verbarg sich da etwas? Ex-Freunde konnten zum Problem werden.
"Ich würde die Leute von Search & Rescue in Ruhe ihre Arbeit tun lassen. Und wenn du mal nachdenken und auf deine Vernunft hören würdest, dann würdest du das gleiche tun. Lass doch den Koffer – du setzt dich jetzt aufs Sofa und ich bringe dir einen ordentlichen Drink! Du wirst sehen, das rückt die Dinge wieder ins Lot."
Er hatte zwar auf der Party einiges gebechert, aber er merkte es noch nicht sehr und hatte jetzt gerade Appetit auf einen Bourbon. Lindy würde ja wohl nichts einzuwenden haben, wenn er sich selbst auch einen genehmigte. Er legte ihr den Arm um die Schultern und wollte sie sanft in Richtung des Wohnzimmers drücken. Doch Lindy riss sich los, warf einen Armvoll Blusen in den Koffer und schleuderte noch ein Paar Pumps hinterher.
Anthony merkte, dass er etwas falsch gemacht hatte. Einen Moment lang hatte er vergessen, dass Widerstand gegen ihre Pläne Lindy höchstens noch starrsinniger machte. Er musste es auf andere Art versuchen.
"Du hast heute noch eine wichtige Besprechung und müsstest Dutzende von Terminen absagen, wenn du heute nach Newcastle fahren würdest", sagte er. "Hast du dir überhaupt schon freigenommen?"
Als sie mitten in der Bewegung innehielt, wusste er, dass er endlich zu ihr durchgedrungen war. Sie richtete sich auf und sah ihn mit gerunzelter Stirn an, überlegte.
"Ich werde anrufen", sagte sie abwesend. "Um acht sind die ersten Leute im Büro, vorher erreiche ich niemanden."
Anthony beeilte sich, noch einmal in die gleiche Kerbe zu hauen. "Mit vielen Eskapaden dieser Art wirst du nicht davonkommen. Da du noch nicht so lange bei Lloyd Andrews bist, wirst du immer noch genau beobachtet. Einen guten Eindruck macht so etwas nicht!"
"Nein", gab Lindy zu. "Diese Besprechung ... verdammt! Da sind alle dabei, von der Werbeagentur bis hin zu einem Vertreter der Geschäftsführung ... Weißt du, die Marktanalyse hat ergeben, dass wir für die Verpackung von ´Eco-Shine` wahrscheinlich ein anderes Design brauchen, vielleicht muss sogar der Name geändert werden ... auf der Sitzung werde ich das neue Konzept vorstellen."
Beinahe hätte Anthony gelächelt. "Das ist eine tolle Chance, die kannst du nicht einfach wegwerfen. Es wäre doch keine Schande, wenn du erst morgen zum Flugplatz fährst. Du kannst ja heute jede Stunde dort anrufen und fragen, ob es schon Neuigkeiten gibt. Sicher haben sie ihn morgen sowieso schon gefunden. Sie wissen ja genau, wo er abgestürzt