Название | Magic Stoner |
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Автор произведения | Frank Pfeifer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753189765 |
Es gibt Menschen, die ihre Rechner freiwillig zur Verfügung stellen. Digitale Anarchisten, die sich zusammen getan hatten, um der Kontrolle durch den Staat etwas entgegensetzen zu können. Der Tipp dazu kam natürlich von Dieter.
Schau doch mal auf Open Live, hatte er mir vorgeschlagen. Dass Menschen auf Open Live ihr gesamtes Leben ausbreiten, war für mich persönlich nicht nachvollziehbar. Allerdings hatte das seinen Preis. Man gewährte Open Live Zugriff auf all seine veröffentlichten Daten, damit diese dann ein verhaltensorientiertes Kundenprofil weiterverkaufen konnten. Erzählte man also seiner Community vom leckeren Salat, den es zu Weihnachten gegeben hatte, bekam man danach Werbung von Zamaon Food und einer Diät-Firma angeboten.
Und dort, in einer Welt, die nur im Internet existierte, sollte ich jemanden finden, der mir sagen konnte, wie man das Internet hackt? Das hätte mir schon damals verdächtig vorkommen sollen. Wer hält sich denn seinen eigenen Trojaner?
Aber tatsächlich fand ich dort die Zombie-Armee. Eine Community auf Open Live, die ihre Rechner zur Verfügung stellte, um Botnet-Angriffe durchzuführen. Die dazugehörige Software gab es bei einer weiteren Netzwerk-Community: Glitterknot. Glitterknot war ein Zusammenschluss von Programmierern, der Open-Source-Software entwickelte. Von Textverarbeitung bis Spezialanwendung für die Raumfahrttechnologie. Von Programmierern für Programmierer. Und ein Hacker war was? Genau! Ein Programmierer! Seltsamerweise war Glitterknot Teil von Minipro, dem größten Software-Unternehmen des Planeten. Hallo? Sollten da nicht alle Alarmglocken läuten? Das weltweit größte Software-Unternehmen unterhält eine Plattform für ein Netzwerk von Hackern? Aber, ach, Scheiß darauf, das wird schon in Ordnung sein. Ein kühles FUCKING-BIER-INTERNATIONAL und alles ist wieder normal. Augen zu und durch. Der Zweck heiligt die Mittel. Dann eben der Pakt mit dem Teufel. Nein, nein, der ist nett, der Teufel. Netter Kerl. Echt.
Also egal. Auf Glitterknot gab es ganze Software-Pakete, um sich Botnets zu bauen. Also der linke Arm verkauft mir den PC, der rechte Arm die Software, um diesen PC zu hacken. Logik?
Darüber in diesem Moment nachzudenken, war mir viel zu stressig. Ich hatte ein Ziel. Ich hatte eine Aufgabe. Nach ein paar Schlucken FUCKING-BIER-INTERNATIONAL lief alles wie geschmiert.
Als alles installiert war, rief ich Nana. Auf meinem Bildschirm leuchtete ein großer roter Button. Attack! Daneben die URL: zamaon.com. Ich hatte ungefähr 1800 Zombies rekrutiert. 1800 Rechner, die jetzt darauf warteten, unendlich viele Anfragen an die von mir bestimmte IP-Adresse zu senden.
Nana nahm die Maus in die Hand, führte den Zeiger über den Button. Ihr Atem wurde tiefer. Ihr Blick glasig. Dann zuckte ihr Zeigefinger leicht.
Die Zombies begannen das Einkaufszentrum zu überrennen. Auf einem anderen Bildschirm hatten wir die Webseite von Zamaon geöffnet. Irgendetwas musste gleich passieren.
Ich sah die Anzahl der Pings, die von dem Botnet verschickt wurden. Es waren Millionen. Ein Heer gefügiger digitaler Sklaven, die seelenlos ihre Arbeit verrichteten. Diese Masse von Anfragen konnte der Server unmöglich verarbeiten. Es sollte nur einige Sekunden dauern, bis das ganze System in sich zusammenbrach.
Natürlich wechselte Zamaon die eigene IP-Adresse. Der Angriff unserer Zombie-Armee verlief im Leeren. Aber auch auf diese vorhersehbare Strategie hatte es im Baukasten-System von Glitterknot eine passende Antwort gegeben. Innerhalb weniger Sekunden wechselte auch unsere Zombie-Armee ihr Angriffsziel. Das konnte ja nicht ewig so weiter gehen. Irgendwann musste dieses verkackte System doch mal zusammenbrechen.
Aber die Webseite von Zamaon zeigte ihr unverändertes Bild. Wie das Abbild eines Gottes, das seit Jahrtausenden Wind und Wetter trotzt und von einer unheilvollen Macht kündet.
Vielleicht Anubis? Gott des Todes, der Gott mit dem Schakalkopf. Der Schakal war der Bruder des Wolfes.
Mehr als jemals zuvor verstand ich Nanas Gefühl der Ohnmacht und die Sehnsucht nach Kontrolle.
Auf meinem Bildschirm tauchten nun Werbeangebote für Zombie-Filme und Fischernetze auf. Der Algorithmus des verhaltensorientierten Marketings lag ziemlich genau. Statt mir mit drakonischen Strafen zu drohen, weil ich das System angriff, wurde ich mit passenden Werbebannern beschossen. Ich sollte satt werden. Ich sollte mich satt essen an all dem, was ich begehrte. Ich sollte fressen, bis nichts mehr in mich hinein ging. Bis ich bewegungsunfähig war.
Der Wolf isst nur das, was er braucht, um zu überleben.
Spaßeshalber klickte ich auf ein Banner von der 11. Staffel von »The Walking Dead«.
»Hey cool, Nana, schau mal. Ich glaube, in der Staffel stiehlt Malcolm von den Whistlern die Karte zu ihrem Versteck.« Im gleichen Augenblick hätte ich mir auf die Zunge beißen können. Mist, ich hatte den Köder geschluckt.
Nana starrte nur auf die Seite von Zamaon. In ihrem Warenkorb lagen Schmink-Utensilien, Autozubehör, Spielsachen, Computerteile, Unterwäsche. Die Frequenz der Werbebanner in ihrem Browser war extrem hoch. Im Hintergrund tobte ein wahrer Krieg um ihre Aufmerksamkeit. Jeder wollte teilhaben an ihrem Kaufrausch. Beste Ware, feinstes Dope, versuch doch auch mal Kokain. Resigniert drückte sie auf den Kaufen-Button. In diesem Moment wurde unsere IP-Adresse gesperrt.
Das Sicherheitsteam von Zamaon hatte also nicht nur unsere Botnet-Attacke ohne Mühe abgewehrt, sondern auch den General der Zombie-Armee ausgeschaltet. Ich war mir ziemlich sicher, dass man aufgrund der IP-Adresse nicht unsere physikalische Adresse herausbekommen würde. Wenigstens nicht so schnell. Falls unser Angriff überhaupt zu einer Kategorie gehörte, die der Shopping-Riese erhöhte Aufmerksamkeit schenkte. Aber das Herz der heutigen Gesellschaft war besinnungsloser Konsum. Da war unsere Tat so etwas wie ein Angriff auf die Grundfesten. Eine Art Gotteslästerung. Eine Bedrohung des inneren Friedens.
Nana blickte noch eine Weile auf den Bildschirm. Im grauen Browserfenster war zu lesen, dass keine Verbindung zum Internet bestand. Eine Lüge. Als wir uns mit einer neuen Identität über Tor verbanden, lief alles wie geschmiert.
Nana lächelte. Ein müdes Lächeln, aber immerhin ein Lächeln. Wieder hatte sie eine Antwort bekommen. Ihr Schrei war erhört worden. Zwar wollten sie letztendlich die Bestie zum Schweigen bringen, aber das war ihr in diesem Moment egal.
Scheiß darauf, wollte ich sagen. Vergiss den ganzen Müll. Nimm einen Schluck kühles FUCKING-BIER-INTERNATIONAL und dann zurück in den Alltag. Wen kümmert schon dieses verfickte Shoppingportal. Das Leben hat noch andere Seiten.
Aber ich hielt die Klappe. Nicht nur, weil ich wusste, dass es Nana sowieso nicht interessiert hätte. Sondern auch, weil ich wütend war. Es war die Wut des Ohnmächtigen. Es war die Wut des Kindes, das mit dem Fuß aufstampft, weil es nicht das bekommt, was es will. In einigen Minuten würde ich mich wieder beruhigt haben. Erwachsen sein. Aber irgendwo in meinem Inneren würde dieses wütende Kind weiter seine Runde drehen. Bei Nana mochte es ein anderes Kind sein. Und es war viel mächtiger. Das Gefühl der Ohnmacht bestimmte ihre ganze Existenz. Irgendetwas musste geschehen. Wir waren noch nicht am Ende.
4
Es schien kein Weg daran vorbeizuführen, Spezialisten mit der Konstruktion einer Angriffsstrategie - wir nannten es nur noch das Virus - zu beauftragen. Was bei dem uns notwendig erscheinenden Grad der Verheimlichung ein überaus gewichtiges Problem war. Nana würde es bei Dieter versuchen. Er hatte Kontakte zur linken wie zur rechten Szene. Die sich natürlich auch im Darknet herumtummelte. Das Problem war, dass man einen Leumund brauchte, der für die eigene Integrität bürgte. Wenn man einen Klasse-A-Hacker buchen wollte, gegen den schon eine Spezialeinheit des INTERNATIONALEN POLIZISTEN ermittelte, konnte man nicht einfach Hallo sagen. Und selbst wenn man dann den Kontakt hatte, wäre das eine teure