Der Weg nach Afrika. Helmut Lauschke

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Название Der Weg nach Afrika
Автор произведения Helmut Lauschke
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783753185613



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Er sprach das reine Afrikaans der Buren, sprach ohne stotternde Hindernisse und stellte alles in Frage, bis es den Prüfern zu dumm wurde, sie die entsprechenden Rechnungsbelege aus ihren Taschen zogen und dem 'Sekretaris' auf den Tisch legten, der wiederum ins Grimassieren geriet, das Gesichtskenner ihm dann zuschrieben, wenn er zwischen Nichtverstehenwollen und dem Graben der ersten Verteidigungslinie zu entscheiden hatte.

      Es kam heraus, dass dieser Ford-Kleinlader vor zwei Jahren nach einem Unfall mit angeblichem Totalschaden verschrottet, auf das entfernte Nummerschild jedoch die jährlich anfallenden Strassengebühren weitergezahlt wurden. "Wo sind denn die Motoren und die vierfachen Reifensätze, die für diesen Kleinlader in Rechnung gestellt wurden?", fragten die Buchprüfer. Die Bestimmtheit ihres Fragens brachte den 'Sekretaris' und die anderen, aufrecht Sitzenden in die Verlegenheit der Beweisnot. Die Gesichter wurden blass und das Stottern des 'Sekretaris' unerträglich. Tatsache war, dass die Rechnungsbelege auf dem Tisch lagen, die bezahlten Motoren und Reifensätze sich jedoch in der Luft aufgelöst hatten. Diejenigen, die es wissen sollten, schwiegen sich aus. Andere kamen mit ausfahrenden Reden, aber keiner mit einer einleuchtenden Erklärung.

      Die Buchprüfer insistierten: "Das nimmt Ihnen doch keiner ab" und machten sich eine Notiz. Der 'Sekretaris', dessen Gesicht rot angelaufen war, gab dem Buren des Fuhrparks keine Schützenhilfe; er liess ihn wie eine heisse Kartoffel fallen, obwohl der ihm so manchen Gefallen zum Nulltarif getan hatte. Er sollte allein aus dieser ‘Scheisse’ herauskommen, was ihm natürlich nicht gelang. Ihm wurde ein Disziplinarverfahren vorhergesagt, das allerdings nicht kam, weil es keinen gab, der nicht Dreck am Stecken hatte, von dem die anderen üblen Genossen nicht auch wussten. So verlief auch diese schamlose Geschichte der betrügerischen Bereicherung im Sande, dessen Spuren die Zeit verwischte, worauf diese Typen bauten. Das Schwarze des Verdachts, weswegen sie kamen, verschwand dann auch mit dem verwaschenen Grau der korrupten Grauzone. Die Buchprüfer hatten sich vom blütenreinen Weiss der unbeschriebenen Blätter in den Bilanzbüchern überzeugt. Sie kehrten in die gehobenen Etagen der Verwaltungspyramide zurück, verfassten ihren Report an den glashart polierten Schreibtischen mit dem verordneten Kopfnicken beim pretorianischen Fensterblick.

      Der Report mit dem negativen Grauausgang einer Buchprüfung wurde unverzüglich von der höchsten Etage mit dem schwarz-weissen Karreemuster der Wände und den dicklehnigen Ledersesseln und angenehm federnden Metallstühlen, die wiederum in einem Silbergrau waren, abgesegnet und gegengezeichnet. Dann verschwand aus erhöhtem Sicherheitsbedürfnis die gesamte Akte mit dem unterschriebenen und gegengezeichneten Report in den unergründlichen Tiefen des Vergessensollens mit dem unersättlichen Schlund für die Dinge der dunklen Geschmäcker, die nie aufgeklärt wurden und niemals ans Tageslicht einer späteren Nachprüfung zurückkehrten. Damit entfielen nach menschlichem Ermessen auch die gefürchteten "Rechtsunsicherheiten", die theoretisch zu unliebsamen gerichtlichen Folgen führen konnten, wenn das Beweismaterial nicht gut genug weggestaut, besser, vernichtet war. Zum Dilemma der Verweigerung von Verantwortung und der Verschleierung, was da in die aufgehaltenen Taschen reingeschoben wurde, kam dann der pretorianische Hackgesang dazu, jene verspätete, stilistisch abgesackte Verknüpfung von gregorianischer Pentatonik altgriechischer Melancholie mit den manisch-depressiven Hüpf- und Seitensprüngen in Quarten, Quinten und Oktaven, dass da wieder die Eulen nach Athen getragen wurden, während die meisten Vögel schon nach Norden flogen. Es gab nächtliche Schwanengesänge, in die eingestimmt wurde, dass einem nichts Gutes schwante, wo dann noch die kapitolinischen Schnattergänse, von denen es hier genug gab, mit arrhythmisch zerhackten Aushalteparolen des Querformats dazwischenschnatterten. Es war eine überspannte Zeit, die gruselig zugleich war, als hätte man auf einem turmhoch gespannten Drahtseil ohne Netz und Balanzierstange die Gehprobe des Lebens zu bestehen, um vom Ende der Verwilderung zum Anfang der Zivilisation zurückzukehren.

      Dr. Ferdinand wurde manchmal angst und bange, weil er sich vornahm, die Augen offenzuhalten, wenn andere sie verschlossen, sich das Zuquetschen der Nase zu untersagen, wenn er in die vollgeschissenen Toilettentrichter sah, und das Ohr zum Hören hinzuhalten, wenn andere es mit aufgepresster Hand zuhielten, um sich dem Ruf der Verantwortung nicht durch Feigheit zu entziehen, das hier als eine nicht angebrachte, bequeme Gewissenlosigkeit angesehen werden musste. Es war die Geschichte einer Zeit des Umbruchs, die ihn das Gruseln lehrte, weil sie in allen Dingen dem ordentlichen Ablauf des täglichen Lebens oder eines aufgeräumten Hospitals aufs Heftigste widersprach. Dass die Menschen dennoch von diesem Hospital, das den Abbruch wegen Auszehrung und vergammelter Altersschwäche längst verdient hatte, Gebrauch machten, lag schlichtweg daran, dass sie im Durcheinander, das ihnen der Krieg der aufgezwungenen Apartheid bescherte, keine Alternative sahen, auch dann nicht, wenn sie körperlich verpeitscht, angeschossen oder zerschlagen waren, oder ihnen der Arm oder das Bein oder beides von einer hochgegangenen Mine abgerissen wurde.

      Härteste Donnerschläge mit wild gleissenden Blitzen

      In der Nacht vom Samstag auf Sonntag der zweiten Februarwoche gab es einen Wolkenbruch, dessen Schwere Dr. Ferdinand noch nicht erlebt hatte. Die Gewitter schlugen mit unerhörten Stakkatos von felsiger Härte herab, rasten in schneller Folge, durchsetzt von bebenden Tremolos mächtigster Paukenschläge hintereinander her, liessen Mark und Bein erzittern, während die Sturzgüsse des Himmels im Nu das Gefurchte und Durchlöcherte flutartig zuschüttete, und die ergossene Last wie ein Meer das Beben erdrückte. Herabzuckende Blitze gleissten gespenstig und winklig über den Bodenschwamm, zertrennten Aststämme von ungewöhnlicher Dicke mit einem Schlag, durchschlugen den noch dickeren Mutterstamm, als wäre das alles nichts, durchrasten die Krale, verschockten im Bruchteil der Sekunde die zusammenliegenden Ziegen und Rinder und brannten das Fleisch bis auf die verkohlten Knochen weg. Das gleissende Todeszischen der unbändigsten Spannung, das sich mit dem Licht verzuckte, war hörbar, anders und stärker als das Zischen der tausend Pythons, als sich im Kurzschluss die Pole in der Krone eines alten Baumes entluden, ihm die mannsdicken Aststämme abschlugen und den Mutterstamm zerrissen. Die Donnerschläge fuhren wuchtig wie urgewaltige Hämmer auf den Amboss der Erde nieder, der den Schlag schluckte und verhallte, dessen Schlagwellen so kraftvoll rollten, dass das Fundament bebte und solange zitterte, bis sie sich in der Ferne verrollten und auf dem dicken Wasserteppich der Nacht endlich zur Ruhe kamen.

      Der Schlafentrissene, der sich noch im Traum als Schiffbrüchiger in den Weiten des Meeres von den aufgebrachten Wellen treiben und schlagen liess und dem gewittrigen Grollen beim Wachwerden folgte, hielt die geträumten Bedenken der menschlichen Winzigkeit und Ohnmacht im Gedächtnis, als er sich zusammenrollte, um die Seele vor dem Riss des Ertrinkens zu bewahren. Er spürte jedesmal die Erleichterung, wenn die verdonnerten Stosswellen nach dem hart versetzten Aufschlag sich in der Ferne verrollten. Da hatte er jedesmal das Gefühl, mit dem Leben noch einmal davongekommen zu sein, wofür er der Vorsehung dankte, ohne deshalb grösseren umwegartig gedanklichen Ausschweifungen zu folgen. Die Donnerschläge hatten den Nachthimmel aufgerissen, wo das Wetterleuchten über die versetzten Wolkenbänke reihemweise entlangblitzte und sich im Zickzack uferlos verstreckte. Ob das Wetterleuchten eine Botschaft des Friedens war, die sich in hellgelb-rosanen Farben ankündigte, oder durch die blutrote Beimischung das Feuerzeichen des Infernos auf der Zunge hatte, diese Frage drückte sich auf, während Dr. Ferdinand durch das Fenster in den durchtobten Nachthimmel schaut und auf weitere Zeichen wartet, die nicht kamen.

      Friedensengel oder zur Weissglut gebrachte Eisen, die zum Kriegsgerät geschmiedet wurden, diese Blitzbilder der nächtlichen Erleuchtung hatte er, als es draussen still geworden war und er nicht einschlafen konnte, weil ihm die Frage von Krieg und Frieden unbeantwortet nicht aus dem Kopf gehen wollte. Als ihm klar wurde, dass er das Wetterleuchten weder zur einen, noch zur anderen Richtung hin interpretieren konnte, drehte er sich schlafsuchend auf die Seite und versuchte, dem begrenzten Verstand für den Rest der Nacht die Ruhe zu geben und ihm nicht das Unfassbare weiter zuzumuten, und auch das sein zu lassen, was er nicht ändern konnte.

      Kristofina, das Mädchen, das vom Blitz getroffen wurde

      Dr. Ferdinand war auf dem Wege des Einschlafens, als er sein Bewusstsein sinken liess und die ersten Schwimmschritte des Abtauchens hinter sich hatte, dass das Telefon gegen drei Uhr morgens klingelte,