Название | Ein ganz böser Fehler? |
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Автор произведения | Mike Scholz |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754131794 |
»Übertreibn is besser as untertreibn!« Provokation wiedermal.
»Aber wenn dir was passiert, du dadurch wieder zurückgeworfen wirst?!«, wird eingewendet.
Doch zum Antworten komme ich nicht mehr, auch nicht zum Darüber–Nachdenken und damit vielleicht zum Knie–Schlottern. Dr. Frisch erscheint auf der Bildfläche. Ich sehe ihn kommen, lehne mich deshalb in Erwartung an die Wand; mit heiterem Gesicht, denn mir ist klar, was gleich folgen wird: eine Schimpfkanonade, die mich aber juckt wie Buirmann das Schreien seiner Opfer.
»Herr Scholz, habe ich ihnen nicht gesagt, Sie sollen für heute drin bleiben?«
»Ja, hamSie.«
»So! Und warum tun Sie's dann nicht?« Er klingt erregt, wird immer lauter. Vielleicht übt er gerade die chromatische Tonleiter.
Ich bleibe ruhig und gelassen: »Weil Ses mir empfohln ham, denn die Zeit der Befehlis vorbei. Und ouch, wennSeda anderer Meinung sind – ich besitz eeneignen Kopp zum Dekken. Und derhat mir gesagt: Mach weiter! Solche Flige haste ganzeenfach einzukal-kal-kalkuliern, sons wird nischt. Außerdem isses für mich noch unerforsches Gelände. Und wie heeßes so schön: Jemand, der noch nie vom Pferd gefalln is, kann ni reiten. Ende der Durchsage.«
»Mit dem Pferd meine ich natürlich nicht Ihre Frau!«, will sich aus mir noch hinausschleichen, aber ich kann es geradeso noch hinunterschlucken. Wobei es ja meistens so ist: extrem dünn, extrem dick. Aber das wäre wohl des Guten zu viel gewesen, denn er ist sowieso schon platt. Nichts mehr sagend, nur noch kopfschüttelnd, tritt er den Rückzug an.
Dafür kommt Marika: »Siehst du, Mike, habe ich dir nicht gesagt, dass du bis Frühling wieder laufen kannst – mindestens so gut wie Vogel? Nun, wir haben noch keinen Frühling, aber du kannst es schon!«
»Äh hmm – eeh«, wehre ich ab und zeige dabei auf mein rechtes Augenlid, »übertreib ni. Ich habis jetz grademaan Anfang geschafft.«
»Aber besser als Vogel läufst Du schon!«
»Neee, Vogel lief ohne Krückn, der konnts garni mitn. Unzum Freistilloufn willch erst hin, kriegs aber nochni off die Reihe.«
»Das schaffst du auch noch, dessen bin ich mir gewiss!«
Ist sie nicht zufällig ein Weissager oder so? Aber ich will mich nicht mehr gegen ihre Orakel stemmen, glaube ihr voll und ganz. Denn mit ihrer Prophezeiung, dass ich wieder aus dem Rollstuhl komme, hatte sie ja Recht.
»Da waroch nowas«, fällt mir eben noch ein. »Marika, hammer nium irjendwas gewettet? Ne Schachtel Kippen oer so, ni? Ich bin zwar froh drüber, ni gewonnn zu ham – zumerstn Mal übigens – aber der Verlierer der Wette binch trotzdem! Und desegen …«
»Vergiss die Wette. Ich habe sie doch nur abgeschlossen, um dich anzustacheln. Ich hatte auch nie vor, äh, den Gewinn der Wette einzustreichen. Denn dass du verlierst, war mir völlig klar.«
»Daanke, daanke, hähä. Ich kanni behauptn, dassch dich erschlagn werde, um dirde Schach–Schachtel aufzudrängn.«
»Gut, dann lässt du mich also am Leben. Na, dann werde ich jetzt mal vorsichtshalber in mein Zimmer verschwinden. Übe weiter wie bisher, damit du den Rest auch noch schaffst.« Sie lächelt mich noch einmal an und geht.
Ja, schon um sie nicht zu enttäuschen, musste ich es einfach schaffen; ich war es ihr schuldig! Aber ich bin es auch noch einer anderen schuldig: Jacqueline! Und deswegen stand ich von Anfang an und stehe auch immer noch unter Zwang; und unter Zwang etwas zu leisten, da sind dem Erfolg keine Grenzen gesetzt!
2
Freitag, 18. Januar. Nach 16:00 Uhr.
Auf dem Weg, meine neue Brille zu holen.
Dann endlich wieder Durchblick. Auch wenn Brille bei mir Scheiße ist. Aber wie sagte Mike Krüger schon: »Sie ist zwar nicht schön, aber man hat Platz.« Damit meinte er allerdings seine Latzhose, nu nu, aber ist eben das gleiche Prinzip.
Allerdings der Weg hier – Gnade!!! Zwar ist er nicht weit, ich schätze mal hundert Meter, denn Saskia und Manolo haben mich vorhin abgeholt und bis zur Post gefahren, aber Fritzl auf einer abschüssigen Seifenbahn ist nichts dagegen. Die Seifenbahn hochzu wäre mir lieber. Nur – ich muss da durch!
Obendrein sehen Saskia und Manolo auch noch zu, dass sie Abstand zu mir gewinnen.
»Ieh, wenn das einer sieht, dass ich mit diesem Krüppel verwandt bin, mein Gott, was da meine Bekannten dazu sagen würden! Nicht auszudenken!«
Hat aber auch seinen Vorteil: Ich fliege allein. Niemand kommt mir in die Quere dabei. Erhöht das meine Überlebenschancen? Ich glaube ja!
Also vorwärts, langsam, unsicher, entschlossen. Und auch meine Eitelkeit dürfte ihr großes-oder-noch-größeres unbrauchbares Kraftpaket wer-weiß-wohin geschnallt haben: Schließlich sähe das diffam aus, wenn man von zwei auf der Straße aufgelesen und fortgetragen werden muss. Und es ist kein Geheimnis, dass ich in Zittau nicht unbekannt bin.
Stöhn, da wäre es fast passiert. Instinktiv mache ich das Richtige, setze die Krücken vor mich hin. Und dazu auch noch mit dem nötigen Abstand. Hätte ich sie näher an mich herangesetzt, wäre wiedermal Krüppel–Stabhochsprung mit garantiert unsanfter Landung angesagt gewesen. Aber so konnte ich mich zurückhalten.
Nachdem ich mich wieder fixiert habe, laufe ich weiter. Vorher noch schnell registriert, dass Saskia und Manolo nichts bemerkt haben. Und dass ich ungefähr die Hälfte des Weges geschafft habe.
Und die zweite Hälfte – die auch noch!
Eine Weile später – wieder: stöhn. Also mein Instinkt ist noch okay, er hat wieder richtig gehandelt. Diesmal ließ er meine Füße einen Viertelkreis rumrutschen, so dass es ausgesehen haben dürfte, als wenn ein gehfähiger Roboter noch Orientierungsprobleme hat.
»Geht es noch, Mike?«, höre ich plötzlich Manolo. Saskia und er haben diesmal mein Taumeln bemerkt und sich zu einem Herspurt aufgerafft.
»Na ja, außer dassmei Glei-Gleichgewich nochab undu Labitität zeit un meie Beene vonner unewohntn Be-Be-Belasung alles andreals begeisert sind, gehsnoch.«
»Willst Du mal eine kurze Pause machen?«
»Hmmmh, okay.«
Saskia schaltet sich ein: «Wir hätten vielleicht doch den Rollstuhl mitnehmen sollen!«
Aggressivität – schnell nach oben – Meine Finger an ihren Hals, langsam zudrücken, dabei immer wieder fragen: 'Was willst du? Was willst du?' – »Wennich de Krücken nizum Stähn bräuchte, würdch miden dei Gesicht eener Scheenheitsopation unterziehn! Dann dürftstals lendendes Eiterfacegom rumloufn!« – Sie ist nicht mehr in der Lage was zu antworten, ihre Zunge sonnt sich soeben, wird dabei aber nicht braun, sondern blau – na ja, vielleicht ist das ja die Zungenbräune – wie auch die Nase, die Lippen, die Wangen, ihr Körper verfällt in arrhythmisches Zucken – blitzschnell (na ja, vielleicht auch weniger blitzschnell) löst sich meine Hand wieder, lässt ihren Körper auf den Boden fallen und ein Dankeslied krächzen.
Eine schwarze Wand zieht vor ihr Gesicht. »Ich gehe schon immer zum Optiker, stelle mich an, damit wir gleich dran sind, wenn ihr kommt.« Hops, weg ist sie.
»Offde Idee midem beim Opiker schonimmer hinstelln hättsouch scho früher komm könn. Wennch michichtg einnen kann, muste madortimmer langoarten!«, beschwere ich mich bei Manolo.
»Na ja, wir haben eben gedacht, dass du schneller bist. Das war ein Fehler von uns, sehe ich ein.«
»Ich bin doch kee Rennpferd!«, knurre ich ihn an. Und weiß nicht so recht, was ich jetzt machen soll – lachen oder heulen?
Eeh, Riesenfrechheit zu denken, dass einer, der sich gerade