Название | Schattenkriege |
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Автор произведения | H.L. Thomas |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754129814 |
„Zählst du jetzt jede Pille mit, die ich schlucke? Ich habe Kopfschmerzen und ich möchte nicht den ganzen Abend verschlafen, wo wir uns endlich mal wiedersehen. Was hast du damit für ein Problem?“
Tank hob abwehrend die Hände. „Baby, jetzt reg dich doch nicht direkt auf. Ich mache mir einfach Sorgen. Du bist weiß wie ’ne Leinwand, zitterst und hast Ringe unter den Augen. Du wirfst dir das Zeug rein, als seien es Smarties. Ja, du hast so was auch früher schon genommen, aber nicht so.“
Musste der Kerl so maßlos übertreiben? Er tat so, als leide sie an einem absoluten Kontrollverlust.
„Ich finde, wir sollten diese Unterhaltung lassen. Das führt zu nichts. Ich habe alles unter Kontrolle, okay?“
„Den Satz kenne ich. Habe ich schon oft von Leuten gehört und am Ende gehen sie vor die Hunde oder sehen weiße Mäuse!“
Jane holte tief Luft. „Du unterstellst mir also, ich sehe Dinge, die nicht da sind? Ich sehe weiße Mäuse? Ich sehe Dämonenfratzen? Sagt ausgerechnet der Mann, der sich bei Fehlzündungen in Deckung wirft, weil er denkt, neben ihm geht ’ne Bombe hoch? Ich glaube, wir sollten mal ernsthaft darüber reden, wer hier ein Problem hat! Ich habe mich nicht nach Nebraska verkrochen!“
Tank unterdrückte den dringenden Wunsch, Jane durchzuschütteln. Dieser Vergleich war mehr als unfair. Schön, wenn sie das Gefühl vergessen hatte, wie es ist, wenn jederzeit und überall eine Sprengladung hochgehen konnte. Er lebte jeden Tag damit. Jeden Tag kämpfte er dagegen an, und zwar ohne zu saufen oder irgendwelche Pillen zu schlucken. Und ja, wenn sie schon dabei waren: Jane sah Dinge, die nicht da waren!
„Wenn du mich so fragst, ja, ich unterstelle dir, dass du Dinge siehst, die nicht da sind. Ich wollte nicht auf Seattle zu sprechen kommen, weil ich mir denken kann, wie furchtbar das für dich war. Ich habe es auf deine überreizten Nerven geschoben. Wenn ich es aber recht überlege, hattest du da bereits eine Armada von Pillen im Schrank.“ Seine Stimme war sehr ruhig. „Erwarte nicht von mir, dass ich zusehe, wie du dich damit kaputt machst, ohne dass ich ein Wort dazu verliere.“
Jane sah aus, als würde sie ihn jeden Moment anspringen. Er hatte sie noch nie so wütend gesehen.
„Ich bin vollkommen normal, Tank! Du hast doch gar keine Ahnung, wie mein Leben aussieht. Du warst nicht da. Du warst nicht da, als sie mich gefeuert haben. Du warst nicht da, als ich damit klarkommen musste, dass meine Familie verschwunden ist. Du hast dich in den hinterletzten Winkel dieser Welt zurückgezogen. Und jetzt meinst du, du könntest mir vorschreiben, wie ich zu leben habe?“ Ihre Stimme wurde schrill.
„Ich war nicht da? Ich habe dich allein gelassen? So siehst du das?“ Tank wusste, dass er bereuen würde, was er jetzt sagte, aber es war zu spät. „Dann werde ich dir jetzt was sagen. Eigentlich wollte ich nicht, dass du es je erfährst. Als du in Seattle in den Flieger gestiegen bist, bin ich zu Officer Wagmann vom Seattle Police Department gefahren. Wir haben gemeinsam ein paar Nachforschungen angestellt. Wir sind bis zur kanadischen Grenze hochgefahren. Wir haben deine Familie gefunden, sechs Fuß unter der Erde.“
Janes Hand klatschte in Tanks Gesicht. Er erstarrte. Verflucht, er hätte sich besser die Zunge abbeißen sollen.
„Du hast mir nichts gesagt! Du wusstest, dass sie tot sind. Du wusstest es und hast mir nichts gesagt. Wieso?“ Sie schrie die Worte heraus, während sie mit den Fäusten auf ihn losging.
Es gelang ihm mit Mühe, sie festzuhalten.
„Weil ich mir verdammt noch mal Sorgen mache und nicht wollte, dass du etwas Dummes tust. Weil du vollkommen fertig warst und ohnehin nichts hättest tun können. Du bist in Seattle gerade noch einer üblen Falle entgangen und du wärest ein zweites Mal hineingerannt. Du hast Feinde, Jane, und ich weiß nicht, warum.“
Jane hörte auf, sich zu wehren. „Du hättest es mir sagen müssen, Tank. Ich habe dir immer rückhaltlos vertraut. Immer, vom ersten Tag an. Wie konntest du mich so hintergehen? Ausgerechnet du?“ Ihr Blick war leer und verloren. „Du solltest mich jetzt besser zum Busbahnhof zurückbringen.“
„Es ist mitten in der Nacht, Jane. Bitte, bleib! Morgen reden wir darüber.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich möchte gehen. Muss ich mir ein Taxi rufen?“
„Du würdest hier um diese Zeit keines bekommen. Ich fahre dich.“
Sie sprachen kein Wort, während der schwarze Ford Torino sie durch die Nacht trug. Tank verfluchte seine Worte mindestens tausendmal. Was hatte er nur angerichtet. Er wollte nicht, dass sie ging. Nicht so. Er sah die Entschlossenheit in ihrem Gesicht. Es würde ihm nicht gelingen, sie zurückzuhalten.
Er öffnete die Tür. „Soll ich deine Tasche nehmen?“
„Nicht nötig! Semper Fi, Tank.“
Tank saß in seinem Wagen und schaute Jane nach, wie sie entschlossen davonstapfte. Er stützte die Ellenbogen auf das Lenkrad und barg sein Gesicht in den Händen. Wie zum Teufel konnte alles so schiefgehen? Er hatte sich unglaublich auf dieses Wochenende gefreut. Jane! Er hatte sie so vermisst. Vielleicht war er naiv gewesen. Die Zeit hatte sie beide verändert, sie einander entfremdet. Wenn sie nicht einmal mehr verstand, dass er sich um sie sorgte, dass sie der einzige Mensch auf der Welt war, der ihm wirklich alles bedeutete … Wenn es nicht einmal mehr dieses Band zwischen ihnen gab, dann war es wohl sinnlos.
Er schluckte und startete den Motor. Im Radio spielten sie „We gotta get out of this Place“ von den Animals. Einer der Songs, die ihm in Verbindung mit dem Foto von Jane geholfen hatten, den Krieg durchzustehen. Jetzt konnte er ihn nicht ertragen. Er drehte das Radio aus.
***
Drei Wochen später
Jane warf die Tür ins Schloss, lehnte sich mit dem Rücken daran und atmete tief durch. Ein neuer Job und – wow – endlich mal einer, der diesen Namen auch verdiente. Keine Verkehrsunfälle, geliftete Politikergattinnen auf Abwegen oder Promi-Partys. Ein richtiger Job. Sie würde für die Capital Tribune nach Chile gehen. Ein Informant hatte der Zeitung ungeheuerliche Berichte zukommen lassen, die sie nachprüfen und am besten mit Bildmaterial belegen sollte. Es war ihr vollkommen egal, was sie über die Begleitumstände erfuhr. Zwei Kollegen vom Independant und von TIME-Magazine waren unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen. Der Chefredakteur der Capital Tribune, Lou Brant bot ihr den Job nur an, weil keiner von seinen Leuten lebensmüde war. Jane sei ja kriegserprobt, ob sie Lust habe? 5.000 $ plus Spesen.
Jane ließ sich nicht zweimal bitten. Es war nicht das Geld. Sie wusste in dem Moment, als sie zusagte, wie sehr ihr der Kick gefehlt hatte, das Adrenalin, das Leben in der Gefahrenzone, das Kribbeln in ihren Adern. Es war, als komme sie nach Hause. Vermutlich war sie verrückt, aber das störte sie kein bisschen.
Sie öffnete den Umschlag mit dem Briefing. Scheinbar führte der Geheimdienst eine verdeckte Operation in Chile durch, um die Installation einer Militärdiktatur zu unterstützen. Das war nichts Neues. Ganz Mittel- und Südamerika galt als wichtig für die Sicherung amerikanischer Interessen. In den meisten Ländern unterstützte die Regierung mehr oder minder fähige Generäle und Diktatoren. In Chile hatten die Menschen es gewagt, den Sozialisten Allende zu wählen. Als der seine Wahlversprechen in die Tat umsetzte und die ersten Großgrundbesitzer enteignete, war das vermutlich der Beginn des Weltuntergangs. Zumindest stand es amerikanischen Geschäftsinteressen entgegen. Jane konnte sich vorstellen, wie die Sache weitergehen würde. Es lief immer nach demselben Schema ab. Man schickte militärische Berater, unterstützte die Opposition und sorgte für Unruhen. Jane hatte in Vietnam vieles über das System gelernt. Es ging immer nur um Geld und Macht. Leider. Immerhin versprach die Sache, spannend zu werden.
Die zentrale Figur in dieser Operation war ein Captain a.D. James Dinnort, Angehöriger der US-Botschaft in Santiago de Chile, ziviler Berater. Er war seit 1969 im Land, also schon deutlich vor der Wahl Allendes. Was genau