Название | NEW PASSION |
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Автор произведения | Katie Pain |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783745085693 |
Erst mal versuche ich, die Zeit mit einem Klatschblatt schnell verstreichen zu lassen. Nach dreißig Minuten blättern bin ich dermaßen gelangweilt, dass ich doch zu meinem Handy greife. Eigentlich sind Handys nicht erwünscht, aber ich habe meins auf lautlos und Krankenzimmer mit irgendwelchen Geräten, die auf Strahlung reagieren, sind auch nicht in der Nähe.
Freude kommt in mir auf. Liam hat geschrieben.
Hey, wie geht’s dir heute?
Sitze gerade in der Notaufnahme.
Er ist online. Juhu!
So schlimm?
Ja, es wurde leider nicht besser, sondern ganz im Gegenteil. Nun bekomme ich hoffentlich Antibiotikum verschrieben und dann sollte es besser werden. Aber ich hasse es, Tabletten einnehmen zu müssen.
Kann ich verstehen. Ich war vor Jahren das letzte Mal beim Arzt. Halte von Ärzten recht wenig. Wenn ich krank bin, was so gut wie nie vorkommt, lege ich mich hin, schlafe und trinke viel.
Sei froh, dass du bisher so gut davon gekommen bist.
Bin ich auch. Und musst du noch lange warten?
Hoffentlich nicht. Ich sitze bald eine Stunde hier rum, mit dem Gefühl die ganze Zeit pinkeln zu müssen.
Das ist doof. Ich muss dann auch mal los. Habe noch einen Job. Kannst dich ja später melden.
Alles klar. Viel Spaß.
Danke.
Und weg ist er. Viel Zeit ist nicht umgegangen, aber immerhin war es eine kleine Ablenkung.
In dem Moment sehe ich Joshi durch den Eingang kommen. Ich winke ihm zu.
„Hey, was machst du denn hier?“, frage ich ihn neugierig.
„Mama und Papa meinten, dass du hier bist und ich weiß ja, dass man hier gut einige Stunden sitzen kann und deshalb wollte ich dir Gesellschaft leisten.“
Ich nehme ihn in den Arm und drücke ihn einmal ganz doll zur Begrüßung.
„Das ist total lieb von dir! Ablenkung tut mir echt gut. Ansonsten treibt mich meine Blase noch in den Wahnsinn.“
„Sag mal … wie hast du dir die Entzündung eigentlich mal wieder eingefangen?“, fragt mich mein kleiner, lieber Bruder mit einem frechen Grinsen im Gesicht. Als schelmisch könnte man es auch beschreiben. Ich verdrehe die Augen.
„Als kennst du die Antwort nicht schon längst.“
„Natürlich, aber wer ist dafür verantwortlich. Mama wollte nichts verraten und Papa hat auch dicht gehalten.“
„Du kennst ihn nicht.“
„Dass es nicht David ist, ist mir klar. Erzähl mal, wer er ist. Muss doch wissen, mit wem ich mich anlegen muss, wenn er meiner Schwester das Herz bricht.“
„Kleiner Bruder plötzlich ganz groß.“ Ich lache herzhaft.
„Du wolltest doch immer einen älteren Bruder.“
„Wann habe ich das denn gesagt? Ich bin mit dir mehr als zufrieden.“ Er quiekt kurz auf, als ihm liebevoll in den Arm zwicke.
„Los, erzähl.“
„Du bist ganz schön neugierig, Josh.“
„Hey, ich soll dich doch ablenken. Und wenn ich dabei die neuesten Infos erfahre, haben wir beide was davon.“ Wo er recht hat …
„Er ist Stripper.“ Josh lässt mich nicht weiterreden.
„Mel, du hast dir einen Stripper klargemacht? Haha, nein. Wie geil ist das denn? Das glaube ich nicht! Das hätte ich dir nie zugetraut.“
Ich weiß, dass Josh David die Story gerne unter die Nase reiben würde. Er hat Joshi damals ein Geheimnis erzählt und ihn damit unglaublich belastet, weil dieses Geheimnis für mich unbeschreiblichen Schmerz bedeutete. Es handelt sich um die Wahrheit der Lüge, die er mir aufgetischt hatte. Letztendlich konnte mein kleiner Bruder es nicht mehr alleine tragen und vertraute sich meinen Eltern an. Allerdings habe ich auf eine andere unschöne Weise von der Wahrheit erfahren.
David war nämlich so klug – Achtung Ironie – und hat es einem Bekannten seinerseits erzählt, der gut mit einer meiner Freundinnen befreundet ist. Sie wohnt mittlerweile nicht mehr in Hamburg, daher sehen wir uns leider viel zu selten. Jedenfalls erzählte ihr dieser die Story und als wir alle gemeinsam, auch David, auf einer Hausparty von dem Bekannten waren, nahm mich meine Freundin zur Seite und erzählte mir das, was Joshi viel zu lange tragen musste. Eine Welt brach für mich zusammen. Ich bewundere mich immer noch dafür, dass ich die Fassung bewahren konnte. David spürte, dass irgendetwas nicht stimmt und verließ vorzeitig die Party.
In der Zeit lief es eh nicht gut zwischen uns. Wir hatten eine kleine Beziehungspause eingelegt. Ich wollte dann natürlich auch schnellstmöglich nach Hause. Meine Freundin schloss sich mir an. Leider fuhr sie nur drei U-Bahn Stationen mit mir und konnte mich somit nicht weiterablenken. Ich kämpfte die ganze Fahrt über mit den Tränen. Als ich zu Hause war, schaffte ich es kaum in mein Zimmer.
Nachdem ich meine Zimmertür geschlossen hatte, warf ich mich aufs Bett und brach in ein hysterisches Heulen aus. Noch nie in meinem Leben habe ich so geweint. Ich war noch nie dermaßen enttäuscht von einem Menschen. Ich fing an, zu hyperventilieren. Bekam kaum Luft. Ich weiß noch, wie ich mir dann Kopfhörer in die Ohren steckte, von Limp Bizkit Break Stuff anmachte und den Text wutentbrannt mitsang. Singen konnte man das natürlich nicht nennen. Meine Eltern bekamen somit Wind davon, dass irgendetwas nicht stimmte und kamen zu mir ins Zimmer. Sie waren leicht geschockt, als sie mich in einem derartigen Zustand sahen. Meine Mom nahm mich sofort in den Arm. Ich brauchte die Geschichte nicht erzählen, weil sie die schon längst kannten. Da brach nochmals eine Welt für mich zusammen. Ich war unsagbar sauer, dass David meinen Bruder damit belastet hat. Wenn ich daran denke, kommt es mir heute noch hoch. Um mich nicht auf diese Gedanken einzulassen, erzähle ich Josh mehr über Liam.
„Woah, cool, dass er auch fitnessbegeistert ist! Scheint ein guter Kerl zu sein.“
„Ja, aber irgendwie ist er auch komisch. Mal sehen, was ich noch über ihn erfahren werde.“
„Du machst das schon, Mel.“ Und dann wird endlich mein Name aufgerufen.
„Melina Stevens. Bitte in Behandlungsraum Nummer Zehn.“
„Joshi, du kannst ruhig schon nach Hause gehen. Danke, dass du mit mir gewartet hast.“
„Alles, klar. Wir sehen uns nachher. Es war mir eine Freude.“ Er zwinkert mir zu und begleitet mich bis zum Ausgang. Ich winke ihm noch einmal zu.
Im Behandlungsraum muss ich weiterhin warten. Gefühlte Stunden verbringe ich nun schon in diesem Krankenhaus. Und nur, um ein doofes Rezept zu bekommen.
Die „Behandlung“ dauert geschlagene drei Minuten. Mit einem Rezept für ein Antibiotikum in der Hand mache ich mich auf den Weg zur Apotheke, die sich gegenüber von dem Krankenhaus befindet. Das Glück ist nicht auf meiner Seite. Sie haben das Medikament nicht vorrätig. Ich setze meinen Bitte-bemitleide-mich-Blick auf und da mich ein Apotheker bedient, hat er seine Wirkung. Er ruft bei der nächsten Apotheke an und fragt nach, ob es dort vorrätig ist. Glück im Unglück. Die nächste Apotheke hat es da. Ich bedanke mich mit einem zuckersüßen Lächeln und mache mich auf dem Weg zur nächsten Apotheke, die nur drei Busstationen entfernt liegt.
Langsam brauche ich eine Toilette, aber ich weiß, dass mich meine Blase verarscht und leer ist. Ich habe nämlich seit dem letzten Klogang nichts mehr getrunken.
Mit dem Antibiotikum in der Tasche gehe ich zum Croqueladen um die Ecke. Wenn ich schon mal hier bin, kann ich mir auch gleich etwas zum Essen mitnehmen.
Zu Hause