Название | Unwiederbringlich |
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Автор произведения | Theodor Fontane |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754179307 |
»Du hast recht; es ist das beste so, nicht lange besinnen. Aber du solltest mich begleiten, Christine. Die Hansen drüben hat das ganze Haus, also Überfluß an Raum, und ist eine Wirtin, wie sie nicht besser gedacht werden kann. Und was die Bekanntschaften angeht, so findest du die Schimmelmann und die Schwägerin unserer guten Brockdorff und Helene Moltke. Ich nenne diese drei, weil ich weiß, daß du sie magst. Und dann gibt es doch auch Kirchen in Kopenhagen, und Melbye ist dein Lieblingsmaler, und vor dem alten Grundtvig hast du zeitlebens Respekt gehabt.«
Die Gräfin lächelte. Dann sagte sie: »Ja, Helmuth, da bist du nun wieder ganz du. Noch keine Stunde, daß wir von den Kindern und ihrer Unterbringung gesprochen haben, und schon hast du alles wieder vergessen. Einer muß doch hier sein und das, was zu tun ist, in die rechten Wege leiten. Ich möchte wissen, was dich eigentlich beschäftigt. Alle Körner fallen aus deinem Gedächtnis heraus, und nur die Spreu bleibt zurück. Verzeih, aber ich kann dir diese bittren Worte nicht ersparen. Ich glaube, wenn mein Bruder Alfred stirbt oder vielleicht auch wer, der dir noch nähersteht, und du hast gerad eine Hühnerjagd angesagt, so vergißt du, zum Begräbnis zu fahren.«
Holk biß sich auf die Lippen. »Es glückt mir nicht, dich freundlich zu stimmen und dich aus deinem ewigen Brüten und Ernstnehmen herauszureißen. Ich frage mich, ist es meine Schuld oder ist es deine?«
Diese Worte blieben doch nicht ohne Wirkung auf Christine. Sie nahm seine Hand und sagte: »Schuld ist überall, und vielleicht ist meine die größere. Du bist leichtlebig und schwankend und wandelbar, und ich habe den melancholischen Zug und nehme das Leben schwer. Auch da, wo Leichtnehmen das Bessere wäre. Du hast es nicht gut mit mir getroffen, und ich wünschte dir wohl eine Frau, die mehr zu lachen verstände. Dann und wann versuch ich's, berühme mich auch wohl, daß ich's versucht, aber es glückt nicht recht. Ernst bin ich gewiß und vielleicht auch sentimental. Vergiß, was ich dir vorhin gesagt habe; es war hart und unrecht, und ich habe mich hinreißen lassen. Gewiß, ich klage dich oft an und will es nicht leugnen, aber ich darf auch sagen, ich verklage mich vor mir selber.«
In diesem Augenblicke trat Asta vom Salon her wieder unter die Halle, einen Helgoländerhut über dem linken Arm.
»Wo willst du hin?«
»Zu Elisabeth. Ich will ihr die Notenmappe zurückbringen, die sie gestern hiergelassen.«
»Ah, das trifft sich gut«, sagte Holk, »da begleit ich dich ein Stück Wegs.« Und Asta, die wohl sah, daß ein ernsthaftes Gespräch stattgefunden hatte, grüßte zunächst die Dobschütz und küßte dann der Mutter die Stirn. Und gleich danach nahm sie des Vaters Hand und ging mit ihm die Halle hinunter, auf die Gartenfront des Hauses zu.
Als sie fort waren, sagte die Dobschütz: »Ich möchte beinah glauben, Christine, du hättest die Notenmappe noch gern ein paar Tage hierbehalten? Ich sah gestern abend, welchen Eindruck das Lied auf dich machte.«
»Nicht die Komposition, bloß der Text. Und den hab ich mir im ersten Eifer gleich gestern abgeschrieben. Bitte, liebe Julie, hol ihn mir von meinem Schreibtisch. Ich möchte wohl, du läsest mir das Ganze noch einmal vor oder doch wenigstens die erste Strophe.«
»Die gerade kann ich auswendig«, sagte die Dobschütz.
»Ich vielleicht auch. Aber trotzdem möcht ich sie hören; sage sie mir, und recht langsam.«
Und nun sprach die Dobschütz langsam und leise vor sich hin:
»Die Ruh ist wohl das Beste
Von allem Glück der Welt,
Was bleibt vom Erdenfeste,
Was bleibt uns unvergällt?
Die Rose welkt in Schauern,
Die uns der Frühling gibt,
Wer haßt, ist zu bedauern,
Und mehr noch fast, wer liebt.«
Die Gräfin ließ von ihrer Arbeit ab, und eine Träne fiel auf ihre Hand. Dann sagte sie: »Eine wunderbare Strophe. Und ich weiß nicht, was schöner ist, die zwei Zeilen, womit sie beginnt, oder die zwei Zeilen, womit sie schließt.«
»Ich glaube, sie gehören zusammen«, sagte die Freundin, »und jedes Zeilenpaar wird schöner durch das andre. ›Wer haßt, ist zu bedauern, und mehr noch fast, wer liebt.‹ Ja, Christine, es ist so. Aber gerade, weil es so wahr ist...«
»Ist das andre, womit die Strophe beginnt, noch wahrer: Die Ruh ist wohl das Beste.«
Siebentes Kapitel
Holk und Asta schritten, während Christine dies Gespräch mit der Dobschütz führte, die Säulenhalle hinunter, und erst als sie hundert Schritte weiter abwärts das mit Rasen überwachsene Rondel erreicht hatten, wo man, wenn Besuch war, Kricket zu spielen pflegte, trennten sie sich, Holk, um sich einem vor einem Treibhause beschäftigten Gärtner zuzuwenden, Asta, um ihren Weg auf der wohlgepflegten Parkchaussee fortzusetzen. Diese senkte sich allmählich und bog schließlich scharf links in eine breite, schon in der Ebene laufende Kastanienallee ein, die sich bis Dorf Holkeby hinzog. Überall lagen Kastanien am Boden oder platzten aus der Schale, wenn sie vor Asta niederfielen. Diese bückte sich nach jeder einzelnen, als aber das Pfarrhaus, das in die Kirchhofsmauer eingebaut war, in Sicht kam, warf sie alles wieder fort und ging in rascherem Schritt auf das Haus zu. Die Tür hatte noch von alter Zeit her einen Klopfer, er schien aber seinen Dienst versagen zu wollen, denn niemand kam. Erst als sie das Klopfen mehrmals wiederholt hatte, wurde geöffnet, und zwar von Pastor Petersen selbst, der augenscheinlich gestört worden war. Als er aber Asta erkannte, verschwand rasch die Mißmutswolke von seiner Stirn, und er nahm ihre Hand und zog sie mit sich in seine Studierstube, deren Tür er offengelassen hatte. Die Fenster gingen auf den ein wenig ansteigenden Kirchhof hinaus, so daß die Grabsteine einander wie über die Schulter sahen. Dazwischen standen Eschen und Trauerweiden, und der Duft von Reseda, trotzdem es schon spät im Jahre war, drang von außen her ein.
»Nimm Platz, Asta«, sagte Petersen. »Ich war eben eingeschlafen. In meinen Jahren geht der Schlaf nicht mehr nach der Uhr; in der Nacht will er nicht kommen, und da kommt er denn bei Tag und überfällt einen. Elisabeth ist bei Schünemanns drüben und bringt der armen Frau, die's, glaub ich, nicht lange mehr machen wird, ein paar Weintrauben, die wir heute früh geschnitten haben. Aber sie muß gleich wieder da sein; Hanna hilft mit draußen auf dem Feld. Und nun trinkst du mit mir ein Glas Malvasier. Das ist Damenwein.«
Und dabei schob er die aufgeschlagene Bibel nach rechts, einen Kasten mit Altertümern aber (denn er war ein Altertümler wie die meisten schleswigschen Pastoren) weit nach links hin und stellte zwei Weingläser auf seinen Arbeitstisch.
»Laß uns anstoßen. Ja, worauf? Nun, auf ein frohes Weihnachten.«
»Ach, das ist noch so lange.«
»Ja dir. Aber ich rechne anders... Und daß das Christkind dir alles erfüllt, was du auf dem Herzen hast.«
Ihre Gläser klangen zusammen, und im selben Augenblicke trat auch Elisabeth ein und sagte: »Da muß ich doch mit anstoßen, wenn ich auch nicht weiß, wem es gilt.«
Und nun erst begrüßten sich die jungen Mädchen, und Asta gab an Elisabeth die Notenmappe zurück und sprach ihr dabei den Dank ihrer Mutter für das schöne Lied aus, das sie gestern abend gesungen.
Dies wurde nur so hingesprochen, denn während Asta die Bestellung