Aus dem Leben einer Wanderhure. Walter Brendel

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Название Aus dem Leben einer Wanderhure
Автор произведения Walter Brendel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754155608



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Karl V. mit der Reichsacht. Unter dem Schutz Friedrichs des Weisen von Sachsen konnte er sich zurückziehen und unter anderem eine vollständige Neuübersetzung des Neuen Testaments ins Deutsche anfertigen, die 1534 um eine Neuübersetzung des Alten Testaments ergänzt wurde.

      Für viele weltliche Fürsten war die Reformation eine willkommene Gelegenheit, ihren Besitz und Einfluss zu vergrößern, auch das städtische Bürgertum und Bauern konnten von ihr profitieren. Gegen die Reformation wendete sich die katholische Gegenreformation. Europa war nun geteilt in den protestantischen Norden und den katholischen Süden, Grundlage der Religionskriege des 16. und 17. Jahrhunderts.

      Die Menschen im Mittelalter hatten einen gänzlich anderen Umgang mit dem Tod als wir ihn heute kennen. Vom Zeitpunkt der Geburt an galt er als allgegenwärtig und unabwendbar. Entsprechend war auch die Lebenserwartung in jener Epoche sehr niedrig. Frauen starben aufgrund der erhöhten Risiken von Schwangerschaft und Geburt im Durchschnitt deutlich früher als Männer. Nur wenige wurden schlussendlich tatsächlich vom Alter dahingerafft.

      Ursachen für einen vorzeitigen Tod waren neben Unfällen oftmals Krankheiten wie Lepra, Malaria, Tuberkulose, Diphtherie und Cholera, die meist mit dem Tod endeten. Die sich im Spätmittelalter rasant ausbreitende Pest tat ihr übriges.

      Zudem wurden Krankheiten und Gebrechen als von Gott gesandt angesehen und galten vielfach als Strafe für Sünden und Vergehen.

      Das Wissen um Behandlung und Arznei beschränkte sich vor allem während des Frühmittelalters auf mehr oder minder wirkungsvolle Lebensmittel, Kräuter und Gebete. Hinzu kamen Behandlungen wie den allseits angewandten Aderlass und ähnliche obskure Methoden, die den Patient oft eher schwächten, denn zu seiner Genesung beitrugen.

      Des Weiteren war der Mensch Mittelalter beinahe schutzlos seiner Umwelt und der Natur ausgesetzt. So erlagen viele ihrer Armut und verhungerten, verdursteten oder erfroren im Winter. Einer Kurzgeschichte aus dem 13. Jahrhundert kann folgendes entnommen werden:

      „Der Mensch ist ein Knecht des Todes ... da er dem Tod nicht entrinnen kann und weil dieser ihm alle Tage und alle Arbeit nimmt ... der Mensch ist ein Wanderer, ob er gerade schläft oder wach ist, ob er nun gerade isst oder trinkt, immer eilt er dem Tod entgegen ... der Mensch lebt mit sieben Gefährten, die ihn immer bedrängen. Diese Gefährten sind der Hunger und der Durst, es sind Hitze und Kälte und Müdigkeit und Krankheit und schließlich der Tod.“.

      Durch das weitgehende Fehlen von medizinischem Wissen und entsprechenden Gerätschaften stellte sich der Tod oft elendiglich langsam und grausam ein. Ohne große Aussicht auf Heilung oder Besserung war das Volk ihm ausgeliefert. Die Religion stellte deshalb meist die einzige Stütze und verbliebene Hoffnung dar.

      So war der Glaube an ein Leben nach dem Tod fest in den Köpfen eines jeden verankert. Im Himmel schließlich sollte alles Leiden, das der Mensch in seinem Leben hatte erdulden müssen, vergütet werden. Dies kam vor allem den Armen zugute, weshalb es unter den Reicheren des ausgehenden Mittelalters üblich war sich sein „Seelenheil“ durch das Erwerben eines Ablassbriefes zu erkaufen. Dieser Ablasshandel, der wohl vorwiegend dazu diente die Kasse der katholischen Kirche zu füllen, war insbesondere dem Reformator Martin Luther ein Dorn im Auge. 1567 hob schließlich Papst Pius V. alle Almosenablässe auf und verfügte drei Jahre darauf die Exkommunikation auf jeglichen weiteren Handel mit den umstrittenen Briefen.

      Die Bildende Kunst erfuhr im Spätmittelalter eine enorme Weiterentwicklung. Im frühen 14. Jahrhundert entstanden die Werke Giottos als Vorläufer der Renaissance. In der Malerei spricht man von der nördlichen Renaissance mit Zentrum in den Niederen Landen und der italienischen Renaissance mit Florenz als Angelpunkt. Während die nördliche Kunst mehr auf Muster und Oberflächen gerichtet war, etwa die Gemälde des Jan van Eyck, erforschten italienische Maler auch Bereiche wie Anatomie und Geometrie. Die Entdeckung der Fluchtpunkt-Perspektive (Zentralprojektion), die Brunelleschi zugeschrieben wird, war ein wichtiger Schritt zu optisch realistischen Darstellungen. Die italienische Renaissance erreichte ihren Höhepunkt mit der Kunst Leonardo da Vincis, Michelangelos und Raffaels. Während die gotische Kathedrale in den nordeuropäischen Ländern sehr in Mode blieb, konnte sich dieser Baustil in Italien nie recht durchsetzen. Hier ließen sich die Architekten der Renaissance von klassischen Gebäuden inspirieren, das Meisterwerk dieser Zeit war Brunelleschis Dom Santa Maria del Fiore in Florenz.

      Die wichtigste Entwicklung in der spätmittelalterlichen Literatur war der zunehmende Gebrauch der Volkssprachen gegenüber dem Latein. Beliebt waren Romane, die oft die Legende vom Heiligen Gral zum Thema hatten.

      Der Autor, der vor allen anderen die neue Zeit ankündigte, war Dante Alighieri. Seine Göttliche Komödie, in italienischer Sprache geschrieben, beschreibt zwar eine mittelalterlich-religiöse Weltsicht, in der er auch verankert war, bedient sich aber dazu eines Stils, der auf antiken Vorbildern basiert. Andere Förderer des Italienischen waren Francesco Petrarca, dessen Canzoniere als erste moderne Gedichte gelten, und Giovanni Boccaccio mit seinem Decamerone. In England trug Geoffrey Chaucer mit seinen Canterbury Tales dazu bei, Englisch als Literatursprache zu etablieren. Wie Boccaccio beschäftigte sich Chaucer mehr mit dem alltäglichen Leben als mit religiösen oder mythologischen Themen. In Deutschland wurde schließlich Martin Luthers Übersetzung der Bibel zur Basis für die deutsche Schriftsprache.

      Obwohl aus einem mittelalterlichen Traktat zu entnehmen ist: „Die Luft, darin du wohnst sey liecht, rein von gift und stinke nicht“, dürfte sich dieser Grundsatz dazumal als nicht ganz einfache Aufgabe präsentiert haben. Die Wohnstuben des Mittelalters waren eher karg eingerichtet und zeugten von wenig Gemütlichkeit.

      Da sich lediglich die Reichsten Glasscheiben leisten konnten, sogenannte Butzenscheiben, wurden meist einfache Luken in die Hauswand eingelassen, um wenigstens etwas spärliches Licht in die Stube zu lassen. Kälte und Wind wurden lediglich mit Hilfe von Brettern und Tüchern notdürftig abgehalten. Mit Einzug der kalten Jahreszeit wurden die Fensterluken kurzerhand vernagelt, so dass ständige Finsternis in den Häusern herrschte.

      Auch Privatsphäre war der mittelalterlichen Bevölkerung weitgehend unbekannt. Während sich die Wohlhabenden ihre Häuser mit Dienern und Gefolgsleuten teilten, lebten die Armen oftmals mit ihren Tieren im selben Raum oder doch zumindest auf engstem Raum zusammen. Die für die Hausarbeit zuständige Frau hatte somit beim Reinigen der Räumlichkeiten keine einfache Aufgabe zu bewältigen.

      Durch Zugluft, Kälte und Dunkelheit nistete sich außerdem schnell Feuchtigkeit in Wänden, Decken und Fußböden ein. Erst allmählich bürgerte sich in deutschsprachigen Ländern eine primitive Form des Kachelofens und in Frankreich und südlichen Gebieten, der Kamin ein. Öfters dürfte aber lange Zeit eine einfache offene Feuerstelle anzutreffen gewesen sein.

      Auch die Beleuchtung stellte während des Mittelalters ein nicht unerhebliches Problem dar. Da die Fensterluken meist mit Brettern verschlossen waren, stellten Kienspan und später mit Fett oder Tran gefüllte Lampen (Talglichter) die einzige Lichtquelle in den dunklen Behausungen dar. Diese verursachten aber beträchtlichen Qualm, der Augen und Nasen reizte. Die reinlicheren Wachskerzen konnten sich hingegen nur die besser Situierten Haushalte leisten. Ein weiterer Punkt in der mangelnden Hygiene des Mittelalters stellte das Verrichten der Notdurft dar. Bis ins Spätmittelalter kannten lediglich Klöster und die Häuser und Burgen des Adels einen Abort oder Abtritt, welcher als Erker aus der Außenwand hervorragte. Alle anderen bedienten sich eines Nachttopfes oder verrichteten ihre Notdurft in einem Verschlag vor dem Haus. Nach dem Verrichten der Notdurft dienten Moos, Gras, Blätter oder Stroh zur Reinigung.

      Mancherorts wurden Schächte sogenannter Plumpsklos aus dem Spätmittelalter gefunden, welche die Fäkalien durch die Wand nach außen führten.

      Neben den im Hochmittelalter aufkommenden Latrinen konnten zudem vielerorts irdene Schüsseln, die wohl Wasser zur Reinigung der Hände beinhalteten, gefunden werden.

      Fäkalien und Abfall mussten auf Anordnung der Obrigkeit auf dem eigenen Grundstück beseitigt werden und es gab gar Grabenmeister, welche für die Leerung der Abort-Gruben zuständig waren. Trotzdem ist der Überlieferung zufolge der durch Mensch und Tier entstandene Dreck auf den Straßen der Städte so hoch geworden, dass Stelzenschuhe, sogenannte Trippen, getragen wurden, um von einem Ort zum anderen zu