Neubeginn. Stephanie Carle

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Название Neubeginn
Автор произведения Stephanie Carle
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783746774978



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wenn sie mit dir ins Bett gehen soll.“

      „Eine Bordsteinschwalbe also. Hätt ich mir ja denken können.“

      „Nein, nein“, wehrte Berry ab. „Ein Junkie, keine Nutte. Käuflich, aber keine Bitch. Du kennst doch hoffentlich den Unterschied?“

      „Hm“, brummte Chris. Wenn eine Frau mit einem Mann gegen Bezahlung ins Bett ging, dann war sie eine Prostituierte, auch wenn es nicht ihr Hauptberuf war. „Und der Kerl? Ihr Freier?“

      „Nein!“, verbesserte ihn Berry. „Ihr One-Night-Stand. Keine Ahnung. Kein Latino jedenfalls.“

      „Schwarz?“

      „Politisch korrekt heißt das glaube ich jetzt anders, aber ja. War sehr angetan der Kerl. Dicke Hose. Du weißt schon. Konnte jeder sehen, als er aufgestanden ist. Flinke Fingerchen diese Lucía.“

      „Und wenn ich mehr über ihre Zunge in Erfahrung bringen möchte, dann wende ich mich an…“ Chris ließ den Satz unvollendet und hob fragend die Brauen.

      „Mackie, wen sonst“, sagte Berry leichthin.

      Chris stieß ein paar lautlose Flüche aus. „Mackie, wen sonst“, wiederholte er und leerte sein Glas auf Ex.

      Berry schaute ihm dabei aufmerksam zu und nickte dann anerkennend. „Respekt, Mann. Soll ich nochmal auffüllen?“

      „Nein, danke“, lehnte Chris ab. Wenn ihm auch nur der Hauch von Alkohol anhängen sollte, würde Detective Cromworth ihm zweifellos unverzüglich eine schriftliche Abmahnung zukommen lassen.

      „Ach komm, das geht aufs Haus“, erklärte Berry, als Chris sein Portemonnaie aus der Hosentasche zog.

      „Ich schulde dir was, Alter!“, bedankte sich Chris und verließ das PomPom, bevor Berry den Versuch unternahm, mit ihm in vergangenen Zeiten zu schwelgen.

       Dienstag, 10. November, 08.45 Uhr

      Abgesehen davon, dass Tom Bishop, der Leiter der Spurensicherung eine Kanne mit heißem Kaffee mitgebracht hatte, über den Hope und Adrian nur zu gerne hergefallen waren, konnte er ihnen ad hoc leider auch keine nützlichen Informationen geben. Nachdem er dann auch noch ausgeplaudert hatte, dass der Kaffee koffeinfrei und mit Sojamilch zubereitet worden war, hatten Hope und Adrian sich unauffällig verflüchtigt.

      Beim nächsten Starbucks Store holte Adrian ihnen einen heißen Cappuccino mit einer Extraportion dampfendem Milchschaum. Während sie stillschweigend und müde daran nippten, fuhr Hope langsam durch die dunklen Straßen Shreveports und setzte Adrian schließlich direkt vor seinem Haus ab. Durch die Rollladenritze schien Licht auf die Straße und als ihr Kollege die Tür öffnete, konnte Hope beobachten, wie er von einer hübschen, braunhaarigen Frau im Morgenmantel empfangen und umarmt wurde. Sie seufzte.

      In ihrer Wohnung wartete keiner auf sie.

      Dennoch setzte sie den Wagen wieder in Bewegung, denn die Zeit drängte. Bereits um halb zehn hatte sie das Meeting mit der gesamten Truppe angesetzt und eine halbe Stunde vorher stand das Gespräch mit Christian Taylor an. Wie peinlich wäre es, wenn sie zu spät käme.

      Leider war es, als sie schließlich immer noch müde ihren Wohnungsschlüssel umdrehte, schon so spät, dass es sich nicht mehr gelohnt hätte, sich noch einmal für ein paar Minuten hinzulegen. So hatte Hope lediglich schnell geduscht, sich einen raschen Obstsalat zusammengeschnippelt und ihren Laptop gepackt, bevor sie sich wieder in den Verkehr stürzte.

      Nun war es kurz vor neun und sie saß in ihrem Büro, das immer noch aus jedem noch so kleinen Winkel den Namen seines Vorbesitzers zu schreien schien. Dass Conrad mit allem Grünzeug auf Kriegsfuß gestanden hatte, sah man an den verwelkten Blumen in staubigen Töpfen, die sich auf der langgedehnten Fensterbank aneinanderreihten. Selbst die Erde war in einigen Töpfen bereits angeschimmelt. Hope beschloss, sich dieser Nische als erstes zu widmen und die toten Pflanzen gegen irgendwelche Bilderrahmen mit lustigen Sprüchen auszutauschen. Tausche Tristesse gegen Fröhlichkeit, notierte sie sich auf ihrer gedanklichen To-do-Liste, auf der bereits die Beantragung der tatsächlichen Personalakte ihres neuen Kollegen stand.

      Detective Taylor hatte sie heute früh beinahe zur Weißglut gebracht, doch als Vorgesetzte durfte sie sich ein solches Verhalten eigentlich nicht erlauben. Captain Conrad Harper war zwar mindestens zehn Mal an einem gewöhnlichen Arbeitstag ausgerastet, doch niemals gegen sein Team. Meistens gingen die Angriffe gegen Journalisten. Mit der Presse stand er ebenso auf Kriegsfuß wie mit seinem Grünzeug.

      Hope war gerade damit beschäftigt, auf der Internetseite des Milwaukee Police Departments zu surfen und sich nach einem geeigneten Ansprechpartner für ihr Gesuch umzusehen, als es an ihre Tür klopfte. Punkt neun. Hope konnte sich ein Siegeslächeln nicht verkneifen. Ob er vor ihrem Büro gewartet hatte, bis der große Zeiger tatsächlich auf die zwölf gehopst war?

      „Ja, bitte!“, sagte sie mit lauter Stimme und schloss den Browser mit der verräterischen Internetseite.

      „Detective Christian Taylor, melde mich zum Dienst.“

      Hope schnaubte. Fand er das etwa witzig? „Sie haben das Sir vergessen“, kritisierte sie belehrend.

      Taylor hob die Brauen und seine Mundwinkel wanderten kampfeslustig nach oben, als ob sie ihm gerade eine ungeheure Steilvorlage geboten hätte. Was ihn so erheiterte, behielt er jedoch für sich und fragte stattdessen, ob er sich setzen dürfe.

      „Selbstverständlich“, sagte Hope, während sie versuchte, ihren erneuten Ärger über seine Überheblichkeit, einen bissigen Kommentar zu denken, aber dann doch nicht laut zu äußern, zu verbergen. Und dann ärgerte sie sich über die Tatsache, dass sie sich überhaupt darüber ärgerte, dass sie gerne gewusst hätte, was Christian Taylor in diesem Moment dachte. Du liebe Zeit, Hope! Du bist doch kein sechzehnjähriges Schulmädchen mehr! „In Ihrer Personalakte ist nicht aufgeführt, dass Sie ein notorischer Zuspätkommer sind“, wagte Hope eine Feststellung und blätterte die dürftige Akte vor seinen Augen durch. „Dennoch scheint es mir, dass Sie Ihre Dienstbereitschaft hier nicht ganz so ernst nehmen. Oder ist es in Milwaukee normal, dass man sein Handy abstellt, um einen ungestörten Schlaf genießen zu können?“

      „Ich wohne jetzt seit knapp einer Woche hier“, versuchte Taylor sein Verhalten zu entschuldigen. „In Milwaukee wurde einem wenigstens eine Eingewöhnungsfrist zugestanden.“

      Hope hätte am liebsten laut gelacht und ihm gesagt, dass so etwas auch auf ihrer Wunschliste gestanden hatte. Chief Solomon Rice jedoch hatte das nicht im Geringsten interessiert. „In Ordnung“, sagte sie stattdessen. „Also wird es in Zukunft nicht mehr vorkommen? Dann vermerke ich das so.“ Sie kritzelte ein paar unleserliche Hieroglyphen auf ein wahlloses Blatt, das praktischerweise gerade in ihrer Reichweite lag. Bestimmt war es auf der Rückseite mit irgendwelchen Notizen von Conrad bestückt, doch zwischen dessen gekrakelter Handschrift, tanzten ihre Symbole hier überhaupt nicht aus der Reihe.

      Sie registrierte, dass Taylor ihre Frage nicht bestätigte, als ob er sie als eine rhetorische aufgefasst hatte. Oder es lag einfach wieder an seiner Arroganz. „Eine Bar zu besuchen anstatt Ihrer Ermittlungsarbeit nachzugehen, ist ebenfalls nicht im Sinne der Shreveporter Polizei. Wie auch immer man das in Milwaukee handhaben mag“, setzte Hope vielleicht ein wenig spitz hinzu. Wenn es ihm in seiner alten Heimat so viel besser gefallen hatte und dort alles so perfekt war, warum um Himmels Willen war er dann hier und machte ihr das Leben zu Hölle? Diesen Job hatten doch andere bereits für sich beansprucht! Wenn sie nur an das Gespräch mit Chief Rice oder an die aufbrausende Königin der Nacht dachte, wurde ihr speiübel.

      „Ein Besuch in einer Bar, kann sich manchmal durchaus als wichtige Ermittlungsarbeit erweisen“, sagte Taylor wissend. Dann schwieg er wieder.

      Sein rechthaberisches Auftreten machte Hope rasend. Offensichtlich hielt er es nicht für nötig, seine Gedanken bei ihr auszuführen, und einen kurzen Augenblick war sie gewillt, ihn direkt mit der Frage zu konfrontieren, ob er denn ein psychisches Problem mit Frauen hatte. Doch dann besann sie sich eines Besseren. Es war ihr vollkommen gleichgültig, ob er Probleme mit