Geliebter Unhold. Billy Remie

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Название Geliebter Unhold
Автор произведения Billy Remie
Жанр Языкознание
Серия Chroniken der Bruderschaft 4
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753189772



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denkst du heute über alles?«

      »Ich bin froh, dass das Gift ihn nicht getötet hat«, sagte Lexi und Kacey glaubte ihm. Er glaubte ihm, weil sie in dieser Sache nicht einer Meinung waren, doch das behielt er für sich. »Auch wenn ich denke, dass dieses Bündnis mit Carapuhr Vater den Tod bringen wird. Riath wollte den Kaiser schützen…« Er brach ab, sah zur Seite und runzelte die Stirn. »Zumindest hat er das gesagt.«

      »Vielleicht«, stimmte Kacey zu. Er lehnte sich wieder zurück und nippte grübelnd an seinem Kelch.

      »Ich beantworte Riaths Briefe nicht mehr«, begann Lexi zögerlich zu erklären und suchte mit schüchternen Augen Kaceys Blick. Er ersuchte ihn um Hilfe.

      Endlich.

      »Ich will damit nichts mehr zu tun haben«, gestand er, seine Stimme schwankte, wurde dünn, er leckte sich die Lippen und sah wieder in seinen Kelch. »All das hat mich fast zu einem Brudermörder gemacht – und Vatermörder. Dabei wollte ich Vater beschützen. Ich will… ich will nicht mehr bei diesen Machenschaften mitmischen. Ich hielt mich für klug und erwachsen und Riath hat mich behandelt, als wäre ich etwas Besonderes. Sein genialer, kleiner Spion.« Er schnaubte über sich selbst, schien sich unglaublich dumm zu fühlen. Kacey kannte das Gefühl, nur zu gut. Das schaffte nur Riath. »Aber das bin ich nicht.« Lexi schien nicht darüber in Trauer, dass er kein kaltblütiger Intrigant war, er zuckte mit den Achseln. »Vielleicht ist es gut, dass es kam, wie es kam. Ich habe nicht das Zeug dazu, Kaiser zu sein, Kacey. Ich bin … ich bin vielleicht feige, ja, aber was soll´s? Ich möchte für Faith da sein, ich möchte ihm helfen, Kaiser zu werden, möchte ihm dienen. Aber ich möchte es nicht selbst sein, denn ich bin zu leicht zu manipulieren.«

      Kacey nickte langsam, zwang sich zu einem Lächeln, obwohl seine Gedanken um etwas völlig anderes kreisten. »Ich wollte dir auch nur mitteilen, dass ich dafür sorgen werde, dass Prinz Riath dich nicht mehr belästigt.«

      Lexi nagte an seiner Lippe, schwieg einen Moment, dann sah er auf und beobachtete, wie Kacey aus seinem Kelch trank. »Er hat mir geschrieben, dass du und er euch austauscht.«

      »Bezüglich der Magier, ja«, gestand Kacey.

      Lexi überlegte einen Moment. Dann flüsterte er besorgt: »Sei vorsichtig.«

      Liebevoll lächelte Kacey ihn an. »Nur keine Sorge, Lexi, wie wir mit Riath verfahren, entscheidet der Kaiser, wenn er zurück ist.«

      Das schien den jungen Prinzen zu beruhigen, er nickte und drehte sich wieder um, ließ den Blick über die Stadt schweifen.

      So, so, dachte Kacey bei sich und trank noch einen Schluck Saft. Riath, verdammter Unhold, M`Shier gab anderen also gern das Gefühl, etwas Besonderes für ihn zu sein.

       Sei mein Wort und mein Wille.

      Mistkerl.

      Manipulativer Drecksack!

      »Das ist beängstigend, nicht wahr?« Durchbrach Lexis Stimme Kaceys inneren, fluchenden Monolog.

      Verwirrt blickte Kacey auf, folgte Lexis Blick und erblickte zwei Rauchsäulen. Stirnrunzelnd stand er auf und trat neben seinen Bruder.

      Unten in der Stadt brannten große Feuer auf den Marktplätzen, Fackeln wurden angezündet und Demonstranten machten sich, eskortiert von Stadtwachen, auf den Weg, durch die Straßen zu streifen und auszurufen, dass Magier das personifizierte Böse waren.

      »Es heißt, ohne Magie wäre der Vorfall mit dem Portal nie geschehen«, erklärte Lexi, »ich beobachte sie schon seit zwei Tagen, Politiker kommen zu privaten Audienzen zu Mutter und sprechen darüber, dass so etwas, wie diese göttliche Magie, die willenlose Sklaven erschuf – Sklaven, die stark und fast unbesiegbar waren, furchtlos – dass so etwas wieder passiert, wenn wir die Magier nicht einsperren.«

      Kacey starrte auf die Stadt hinab, seine Finger drückten in den Kelch, bis ihm fast alle Knochen in der Hand zerbarsten.

      Lexi sah ihn an und legte ihm eine Hand auf die Schulter, nichts ahnend, welche Wut in seinem sonst sanftmütigen Bruder brodelte. »Keine Angst, Kacey, auch darum wird Vater sich kümmern. Sobald er zurück ist, wird alles wieder seiner Ordnung folgen.«

      »Ja…«, zwang Kacey sich zu sagen.

      ~9~

      Sie blieben den ganzen Tag im feuchten, dunklen Gewölbe unter der Hütte eingesperrt. Glücklicherweise war die Kreatur nicht gerade mit Intelligenz gesegnet, sondern rein auf ihre Instinkte reduziert. Wie ein abgerichteter Hund kannte sie nur die Jagd und das Stellen ihrer Beute. Gut möglich also, dass sie so lange auf den Überresten des Gebäudes sitzen bleiben würde, bis ihr Herr antanzte.

      Das Problem war jedoch, dass das Biest sie nicht sehen, nur wittern konnte, was ihm wohl das Gefühl des Versagens vermittelte, denn es brüllte und schlug mit dem schweren Schwanz auf, kratzte mit den Krallen über den Boden, sodass die Decke über ihren Köpfen bebte und Staub und Geröll herabrieselte. Stunde um Stunde verging. Xaiths flammende Leuchtkugel spendete etwas Licht, wurde aber zunehmend schwächer. Dicke Spinnen, so groß wie Hände, krochen durch den Lärm und die Vibrationen in der Erde aus ihren Löchern, Schaben und Nager huschten umher.

      Sollte das ihr Grab sein?

      Jin saß an einem Regal gelehnt, das in die Lehmwand eingearbeitet worden war und dessen Bretter bereits von der Feuchtigkeit zerfressen und herabgefallen waren, während er die Dielen im Blick behielt, die über den Balken lagen. Einige waren durch den Aufprall der Trümmer gesplittert, aber die Decke schien Stand zu halten. Zumindest noch.

      Tageslicht sickerte durch die Ritzen, doch nicht genug, um die tiefe Dunkelheit zu vertreiben. Hin und wieder konnte er das violette Schimmern eines Federkleids, ebenso von Schuppen erkennen.

      Ein leises Schnarchen weckte seine Aufmerksamkeit, mehr ein lauteres, schnurrendes Einatmen.

      Er blickte an die gegenüberliegende Wand zu den drei anderen. Xaith hatte den Kampf gegen die Erschöpfung vor Stunden verloren, und Jin hatte es nicht über sich gebracht, ihn wach zu halten. An seiner linken Schulter lehnte der Kopf des unbekannten Jungen, unter dessen schmutziger Fischermütze schwarze Strähnen hervorlugten. Er trug lumpige Kleidung, ein weites Hemd und eine weite Weste darüber, und in seinen Armen ruhte ein Kind.

      Alle drei schliefen, trotz des anhaltenden Lärms, tief und fest. Die Ringe unter ihren Augen zeugten von den Strapazen der langen Reise. Und vielleicht sogar von noch mehr.

      Xaith sah… furchtbar aus. Nicht im Sinne von hässlich. Wenn er eines nicht war, dann hässlich, ganz gleich was dieser Dummkopf über sich selbst dachte. Nein, er wirkte ausgelaugt, wie ein Sklave, der dreißig Jahre Zwangsarbeit vollrichtet hatte. Sein schwarzes Haar war gewachsen, die Enden seiner Spitzen sahen ausgefranst aus, als würde er sie nur mit dem Dolch abschneiden, wenn sie zu lang wurden. Er hatte sie zu einem lockeren Zopf zusammengebunden, dünne Strähnen rahmten sein Gesicht ein. Ein schmales, langes Gesicht mit scharfen Kanten und nun hohlen Wangen, die schattig und fahl wirkten. Die zahlreichen Pickel und Beulen von damals hatten seine Haut gezeichnet und pockenartige Narben und Krater auf seiner Haut hinterlassen. Er war gewachsen, noch mehr in die Höhe geschossen, dazu schlank wie eh und je. Schwarzes, offenes Hemd, das einen flachen, aber wohlgeformten Oberkörper preisgab, als wollte er mit diesem Streifen nackter Haut beweisen, dass er nicht überall so vernarbt war wie in seinem Gesicht.

      Er hatte sich kaum verändert, seine geschlitzten, grüngelben Drachenaugen bargen noch immer diese besondere, dicke Mauer – und diesen geflüsterten Ruf nach Hilfe. Letzteres würde er natürlich vehement abstreiten, doch Jin brauchte ihn nur anzusehen und wusste sehr genau, was in ihm vorging. In diesem leicht zerbrechlichen, schreckhaften, zarten Geschöpf, das sich gerne mit Granit ummantelte, aber das unsichere Herz eines Fluchttieres besaß.

      Ein Junge, der viel zu früh gelernt hatte, dass die Welt grausam zu einem war, wenn man in den Augen der Gesellschaft nicht »schön« war. Was so viel hieß wie, wenn man nicht wie eine Marmorstatue aussah und das Lächeln der Sonne besaß, versteckte man sich lieber und schaufelte