Kreuzweg zu anderen Ufern. Wolfgang Bendick

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Название Kreuzweg zu anderen Ufern
Автор произведения Wolfgang Bendick
Жанр Языкознание
Серия Zu Wasser und zu Lande
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753196336



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Nichtbeteiligung eines männlichen Wesens beim Zeugungsakt und das ‚Empfangen ohne Sünde‘, also ohne ficken. Soeben hatte die Kuh noch gedacht wie damals die Maria, als der Engel aufgetaucht war: „Wie soll das geschehen, da ich hier im Stall keinen Stier erkenne? Und hops, schon ist sie schwanger. „Das macht 5 Mark!“, sagte der Tierarzt, und der Bauer gab ihm die Münze. Ich sinnierte weiter und sagte zum Freund: „Es muss da logischerweise irgendwo jemanden geben, der Stiere melkt und dann das Sperma in kleinen Portionen abfüllt und verkauft. Muss ja ein geiler Job sein! Hätte Lust, sowas mal als Ferienjob zu machen! Was meinst du, die Strichjungen, verdienen die so ihr Geld? Doch was macht man mit dem vielen Sperma“, ging es mir im Kopf um, „verkaufen?“...

      Mein Freund hielt meine Ausführungen sicherlich für eine Erfindung meines von Pubertätshormonen überfluteten Gehirnes, bestenfalls für eine Übertreibung oder Aufschneiderei, mit der ich ihm imponieren wollte. Sicherlich hielt er es für mein Seelenheil als dringlicher, mal zu beichten und mich von solchen Vorstellungen, wie ich sie ihm soeben geschildert hatte, abzubringen. „Du weißt ja, die Priester sind an das Beichtgeheimnis gebunden! Nie würden sie etwas ausplaudern, was sie gehört haben, es gibt da genügend Beispiele in der Heiligengeschichte…“, kam er auf sein Thema Nummer 1 zurück. „Trotzdem hab´ ich keine Lust mehr, meine Schandtaten unserem Pfarrer ins Ohr zu flüstern, das ist halt so. Die kann ich doch Gott direkt beichten. Und, genau gesehen, ist das eigentlich gar nicht notwendig, denn der kennt sie eh alle, wahrscheinlich sogar schon im Voraus!“ „Du kannst sie ja dem alten Pfarrer beichten, der ist schon halb taub und vergesslich. Letztens, bei der Frühmesse, als ich ministriert habe, hatte er sogar mal den Faden verloren und ich habe ihm sagen müssen, was als nächstes zu tun war“. „Da frage ich mich, ob so eine Beichte dann überhaupt gültig ist, wenn er dich gar nicht verstanden hat. Stell dir vor, da denkst du, du bist frei von Sünden. Und plötzlich stirbst du, und kommst gar nicht in den Himmel, weil deine letzte Beichte ungültig war!“, gab ich zurück, halb scherzend, halb im Ernst.

      DER ROLLENDE BEICHTSTUHL

      „Hast du schon mal was vom PS gehört, oder vom rollenden Beichtstuhl?“, wollte er wissen. „PS sollen wohl Pferdestärken sein, und ein rollender Beichtstuhl? Dabei kommt mir eher ein Rollstuhl in den Sinn, ein beichtender Rollstuhl, finde ich lustig!“ „PS heißt Pankraz Schmid, das ist der Name meines Religionslehrers in der Berufsschule. Und der kommt auf Anruf mit seinem Auto hier raus und nimmt die Beichte ab. Nächsten Freitagnachmittag um drei Uhr kommt er. Ich habe schon alles organisiert, wenn du Lust hast, dann komm um diese Zeit auf den Parkplatz vorm ‚Hasen‘“. „Ist denn so eine Beichte überhaupt gültig? Ich könnte mir denken, dass unser Pfarrer ganz und gar nicht mit einer Konkurrenz in seinem Revier einverstanden ist! Der bringt es fertig und verweigert dir die Kommunion, weil du nicht hier gebeichtet hast“. „Das baucht der ja gar nicht zu wissen. Du kannst ja genauso gut in der Stadt zum Beichten gehen!“

      Alleine schon aus Neugierde fand ich mich am Freitag auf dem Parkplatz ein. Und dann kam ein weißer VW-Käfer angefahren. Ihm entstieg jemand, den ich auch kannte, gesellte sich zu uns, und schon war es an mir. Etwas zögernd stieg ich ein, wusste ich doch nicht, wie das ablaufen würde. Außerdem hatte einer meiner evangelischen Freunde gesagt, als ich ihm vom rollenden Beichtstuhl erzählt hatte: „Pass ja auf, dass der dir nicht an die Eier fasst! Ich habe von einem Kumpel an der Berufsschule gehört, dass der PS ein Schwuler ist, einer ‚vom anderen Ufer‘!“ Und schon ging die Fahrt los. Ich suchte noch nach den formelhaften Worten, mit denen man eine Beichte beginnt, als der Pfarrer, ein eher kleiner, etwas dicklicher Mann, schon die erste Frage stellte, ganz locker, ohne sich an die Regeln, die in einem Beichtstuhl gelten, zu halten. Das fand ich toll und das Beichten verlief eher wie eine Unterhaltung. Vor allem stellte er keine blöden Fragen.

      Er war in Zivil gekleidet, hatte aber eine Stola um den Hals gelegt, wohl als legales Zeichen seines Amtes. Wir fuhren die B 19 in Richtung Oberdorf. Beim Schalten näherte sich seine Hand verdächtig meinem linken Knie, das ich bewusst weit zur anderen Seite gelegt hatte, um auch nicht zufällig berührt zu werden. Außerdem hatte ich mir vorsichtshalber eine Jeans angezogen und keine Short. An der Abzweigung nach Niedersonthofen angekommen, war ich schon mit dem Beichten fertig. Er bog ab, drehte um. Während er die Absolution sprach, schaltete er hoch und seine rechte Hand beschrieb das Kreuzzeichen, während er den Schalthebel betätigte. „Ego te absolvo a peccatis tuis, in nomine patris, et filii et spiritus sancti!“ „Aha, H-Schaltung!“, kam es mir ungewollt in den Sinn, während ich „Amen!“ sagte. Die Buße bekam ich auf der Rückfahrt auferlegt. Auf dem Parkplatz angekommen, hatte ich schon meine drei ‚Vater Unser‘ und ‚Gegrüßet seist du Maria‘ abgeleistet und stieg irgendwie erleichtert aus. Nicht nur, weil nichts passiert war. Endlich mal wieder frei von Sünden! „Wenn du jetzt sterben würdest, kämst du gleich in den Himmel!“, empfing mich mein Freund und stieg selber in den Wagen. Doch mit dem Himmel hatte ich es in keiner Weise eilig! Momentan war mir die Erde lieber! Und ganz frei von Sünden zu sein, machte das alles noch schöner.

      Weiter entfernt, unter den Kastanienbäumen sah ich meine evangelischen Freunde stehen, mit denen ich über mein Vorhaben gesprochen hatte. „Na, wie wars?“, feixten sie. „Dufte, besser als eine normale Beichte. Aber davon versteht ihr ja nichts!“ „Und, hat er?“ „Natürlich hat er mir meine Sünden nachgelassen, und bei der Menge ist das schon eine schöne Leistung!“ Ich dachte an das, was mir die Freunde über die Gemeinschaftsbeichte bei ihnen erzählt hatten. Alle zusammen im Gemeindesaal. In meinen Augen war das eine ‚Trockenbeichte‘, wie ein Pauschalangebot für eine Reisegruppe. Dahingegen war eine katholische Beichte im Beichtstuhl wie eine Inquisition. Denn hauptsächlich ging es da, unserem Alter entsprechend, um das sechste Gebot. Vor allem, wie oft man ‚Es‘ gemacht hatte. Nach einer Stunde Beichte hören musste dem Priester die gebeichtete Wichse schier bis zu den Knöcheln stehen (natürlich im übertragenen Sinn)! Für mich war das eine ‚feuchte Beichte‘, so wie er uns ja auch nach ‚feuchten Träumen‘ ausfragte. Anfangs wusste ich nicht, wovon er redete. Vielleicht wenn man beim Träumen schwitzte? Meine evangelischen Freunde konnten mich aufklären, die waren ja auch etwas älter als ich und deren Pastor pflegte eine offene Sprache, er redete nicht um den Brei herum. „Das ist, wenn du was richtig schön Schweinisches träumst und dir dabei einer abgeht. Wenn dir in der Früh das Nachthemd am Bauch festklebt“, meinte Berndi, „Aber das kann doch keine Sünde sein“, sinnierte er weiter, „das ist doch nur ein Traum und keine Absicht!“ „Aber in unserem Beichtspiegel steht ‚Unkeusches zugelassen, in Gedanken, Worten und Werken‘. Und was ist ein Traum anderes als Gedanken?“, erklärte ich. „Frag deinen Pfarrer doch mal danach!“, feixte Nori. „Sonst noch was! Das wäre sicherlich gleich eine ‚Zulassung von Unkeuschem in Worten‘!“

      „Dazu fällt mir gerade etwas ein, kennt ihr den Witz mit dem 3-5-er ?“, meinte Milou, der schon im zweiten Jahr einer Klempnerlehre steckte und angeblich schon mal richtig ‚Löchle gestopft‘ hatte, „bis auf den Knochen!“, wie er stolz erklärte. „Knochen“? In einer Möse ist doch kein Knochen!“, hatte einer bemerkt. „Doch, wenn dein Schwanz lang genug ist, so wie meiner, dann stößt er an einen Knochen, wohl das Steißbein!“, „Das Scheißbein, willst du wohl sagen, weil es gleich beim Arschloch sitzt!“, hatte Nori ihn berichtigt und war vor Freude über seine treffende Bemerkung herumgehüpft. „Hört zu, den Witz hat mein Geselle letztens bei der Brotzeit erzählt: Also, es treffen sich zwei beim Pissen an der Pissrinne in einer Kneipe. Der eine sieht, wie der andere sich auf die Hose pisst. „Das ist mir früher auch oft passiert“, tröstet er ihn, „Deshalb mach ich das jetzt ganz systematisch: 1. Hosenladen auf, 2. Schwanz raus, 3. Vorhaut zurück, 4. Wasser lassen, 5. Vorhaut wieder nach vorne, 6. Pimmel in die Hose, 7. Hosenfalle zuknöpfen!“ Darauf meint der andere: „Das ist mir alles zu lang. Da mache ich lieber nur das 3-5, 3-5, 3-5. Das ist viel schöner!“ Alle, auch ich, brachen in so grölendes Gelächter aus, dass sogar die auf den rollenden Beichtstuhl Wartenden sich nach uns umdrehten. Ich versuchte verzweifelt, den Witz zu begreifen. „Was ist denn daran so witzig?“, fragte ich Nori, mit dem ich am vertrautesten war, „so ungefähr mache ich es doch auch!“ „Geht mal etwas auf die Seite!“, rief Nori den anderen zu, „ihr steht auf der Leitung von ‚Kleen-Bendick‘! Also