Название | In der zweiten Reihe |
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Автор произведения | Kathrin Thiemann |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754137383 |
»Ja, das habe ich auch gemerkt und ich habe deshalb lange überlegt, wie ich Ihnen das sagen sollte. Aber ich finde keinen anderen Ausweg und sagen muss ich es. Es ist das Schlimmste für eine junge Frau, wenn sie ihren guten Ruf verliert.«
»Gut, ich gebe es an ihn weiter, aber es wird ihm weh tun. Sehen Sie, ich treffe Sie fast täglich im Kolleg und kann mit Ihnen sprechen. Er sieht Sie doch so selten. Darauf freut er sich immer. Es hat sich nun einmal unsere Bekanntschaft so entwickelt und da tut es weh, wenn sie droht abzubrechen. Machen Sie ihm doch die Freude, lassen Sie sich von ihm nach Hause begleiten oder setzen Sie sich in den Andachten neben ihn. Dann sieht er Sie auch zuweilen.«
Ich hörte es gerne, dass Ernst ein Interesse an mir hatte. Er gefiel mir, weil bei ihm mein Humor ein Echo fand. Wie Bälle flogen unsere Scherze manchmal zwischen uns hin und her. Er lachte oft laut über meine Witze von Tünnes und Schääl. Da ich in Köln aufgewachsen bin, habe ich diese beiden verinnerlicht. Mein Lieblingswitz ist:
»Guck mal, da is dinne Aahl. – Für dich immer noch das Fräulein Schmidt.«
Oder den, den meine Schulfreundin Gerti so gerne erzählte:
»Was gucken Sie mich so an? Ich habe mich heute für lange Ärmel gewaschen und musste dann kurze anziehen.«
Eines Tages wurden Ernst und ich von Elisabeth Dauner, der Frau unseres Professors, zum Kaffee eingeladen. Sie schaute mit prüfenden Augen zwischen uns hin und her. Ich fühlte mich nicht ganz wohl dabei. Was dachte sie und wie dachte sie über mich? Das Gespräch verlief jedoch sehr freundlich und ebenso verabschiedete sie uns auch.
Anschließend machten wir einen langen Spaziergang am Rhein entlang, meinem Rhein, der mir von Kindesbeinen an ein guter Freund war. Stundenlang konnte ich dem Vorbeiziehen des Wassers zusehen, ich hatte das Gefühl, meine Sorgen spülte er von mir und nahm sie mit sich fort. Im Moment allerdings hatte ich keine Sorgen, jetzt war ich zufrieden mit Ernst an meiner Seite.
Am nächsten Tag bekam ich eine Nachricht von Frau Dauner, dass sie mich gerne besuchen wolle. Das überraschte mich, doch natürlich empfing ich sie. Ich hatte mich in ihrem prüfenden Blick also doch nicht getäuscht. Zunächst sprach sie ganz allgemein.
»Ein Mädchen kennt keine Kameradschaft zwischen Mädchen und Jungen«, erklärte sie mir. »Zumindest im Unterbewußtsein spricht das Sehnen eine Rolle, das auf eine innigste, dauernde Verbindung zugehen will. Wenn es einmal durchbricht, gibt es kein Zurück mehr. Dann ist es, als hätten sie ihr Herz nicht mehr in Händen. Sie haben es jemand anderem gegeben. Will er es nicht, dann fällt es hin und zerbricht. Mädchen haben nicht die physische Kraft, über solch einen Bruch hinweg zu kommen. Sie brechen dann zusammen und sind für ihr Leben unglücklich.«
Worauf wollte sie hinaus? Ich hörte ihr aufmerksam weiter zu.
»Herr Franke muss sich sehr hüten im Umgang mit Ihnen, damit er nicht die Verantwortung für einen Zusammenbruch tragen muss.«
Das überraschte mich.
»Wie kommen Sie darauf, dass er es ernst oder auch nicht ernst mit mir meinen könnte?«
Darauf antwortete sie ganz eindringlich.
»Herr Franke hat eine ganz eigene Ansicht über das Verhältnis zwischen Mädchen und Jungen. Ich hörte, dass er in Ihnen einen guten Kameraden sieht, mit dem er ein paar Schritte Wegs gemeinsam gehen möchte. Wollen Sie das auch, ein paar Schritte Wegs gemeinsam?«
Ich überlegte schweigend. Noch bevor ich antworten konnte, fuhr sie fort.
»Es gibt jemanden, der nicht ein paar Schritte, sondern durch das ganze Leben mit Ihnen gehen möchte. Sie wissen, von wem ich spreche?«
Ich nickte.
»Schlafen Sie noch einmal darüber.«
Wie kompliziert plötzlich alles wurde. Ich wollte doch einfach bloß mit den beiden befreundet sein und ansonsten vor allem studieren. Warum sollte ich mich entscheiden müssen? Welch eine Sackgasse. Ich fand doch beide so klug, so belesen und fleißig. Ernst war außerdem sehr witzig, Wilhelm dagegen eher besonnen, allerdings auch ein Romantiker.
Ich fühlte mich überrumpelt und war auch erschrocken. Hatte ich etwa beiden Anlass gegeben, über eine nähere Verbindung nachzudenken? Hatte ich gar geflirtet? Ich wusste doch nicht einmal, wie das geht.
Ja, Ernst konnte flirten. Durch sein helles Lachen und intensives Strahlen hatte er mein Herz tatsächlich ein bisschen erobert. Es klopfte deutlich, wenn ich ihn sah. Ich musste es mir eingestehen. Aber auch Wilhelm war ich zugetan. Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr gefielen sie mir. Beide.
Wieder tauchte die Frage auf, warum ich mich überhaupt entscheiden sollte? Frau Dauner war bei dem Gespräch sehr eindringlich gewesen. Fürchtete sie um den guten Ruf der Fakultät? Sollte es wirklich keine Freundschaft geben können?
Ich überlegte und wägte ab.
Ich sei zwar lustig, aber auch sachlich, nüchtern und unromantisch, hörte ich manchmal. Vielleicht war mir das jetzt hilfreich in meiner Ratlosigkeit. Also entschied ich mich.
Am nächsten Morgen traf ich an der Tür zum Kolleg Wilhelm, der mich erwartungsvoll ansah. Mir schoss das Blut in den Kopf, als ich ihn sah. Ich reichte ihm die Hand zum Gruß und wir gingen hinein. Ich hatte eine Ahnung, dass die beiden Männer sich darüber unterhalten hatten, für wen ich mich wohl entscheiden würde. Es bedeutete also das Glück des Einen das Unglück des Anderen. Was für eine Verantwortung.
Wilhelm setzte sich eine Reihe hinter mich. Seine Anwesenheit so dicht hinter mir machte mich nervös, immer wieder hatte ich das Gefühl, mich umdrehen und ihn aufmunternd anlächeln zu sollen, denn nach vielem Abwägen hatte mich für Ernst entschieden. Das tat mir für Wilhelm wirklich leid. Im Anschluss ließ er sich nicht nehmen, sich mit mir auf die Suche nach meinem verloren gegangenen Schlüssel zu machen, den wir sogar fanden. Er begleitete mich noch ein Stück zum nächsten Kolleg. Wir plauderten über das Wandern und als er Ernst erwähnte, schwieg ich lieber.
Am Nachmittag besuchte mich unerwartet Frau Dauner.
»Nanu«, sagte ich, »Sie kommen ja schon wieder.«
»Ja, ich bin geschickt worden, aber ich wäre ohnehin gekommen. Es muss nun Klarheit geschaffen werden. Die Herzen Ihrer Freunde sind zum Zerreißen angespannt. Wem werden Sie nun Ihr Herz schenken?«
Ich zögerte.
»Ich bin doch noch so jung und weiß nicht, ob es sich um die große Liebe handelt.« Ich hielt inne, atmete tief durch und fuhr fort: »Aber ich denke, es ist Ernst Franke. Deshalb muss ich wohl mit ihm sprechen.«
»Und Herr Simon?«
»Herr Simon ist mir ein lieber Freund und Bruder. Ich habe ihn als Ernst Frankes Freund auch für den meinen gehalten. Das soll er mir auch bleiben. Oder glauben Sie, dass er mehr erwartet hat als Freundschaft?«
»Ja«, sagte sie darauf.
Ich schwieg. So viele Gedanken schwirrten mir durch den Kopf. Dann richtete ich mich auf und sagte: »Er soll mir ein Freund bleiben. Ich will ihm immer mit der entsprechenden Liebe entgegen kommen.«
Eine folgenschwere Entscheidung
Also ließ ich mich nach der nächsten Andacht von Ernst nach Hause begleiten und so kam eines zum anderen.
Von ihm bekam ich neben einem wild klopfenden Herzen meinen ersten Kuss, der mir erstaunlich gut schmeckte. Allerdings erzählte er mir auch, wie sehr Wilhelm für mich schwärmte. Mein etwas schlechtes Gewissen beschloss ich damit gut machen, dass ich Wilhelm das Du anbieten wollte, wenn ich ihn das nächste Mal sah. Ob ihn das wohl versöhnlich stimmen oder gar trösten könnte? Zumindest zeige ich ihm damit seinen Platz, dass er mein Freund bleiben könnte. Ich bat Ernst, es ihm auszurichten.
Am nächsten Abend fand ich vor meiner Tür ein kleines Maiglöckchen-Sträußchen, gebunden mit einem blau-seidenen Bändchen. Daneben lag eine Karte mit den Worten: »Glück auf