Название | Ragnarök |
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Автор произведения | K.T. Rina |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783750215917 |
Der Eimer platschte auf Wasser auf. „Nur zu, mein Freund. Zieh es hoch und ergötze dich an der Erleuchtung“, sprach Mimir sanft und trat beiseite. Odin schaute hinein und der Eimer schwamm an der Oberfläche, die er problemlos ohne auszustrecken berühren konnte. Er sah sein Auge nirgends noch Spuren von Blut. Er zog den Eimer voll klarem Wasser hoch. Ein Einäugiger starrte in der verschwommenen Oberfläche auf Odin. Er tränkte seine Hände hinein und das Wasser mischte sich mit dem Blut an seinen Händen und färbte sich zinnoberrot. Er schöpfte und trank einen Schluck. Er merkte nichts Außergewöhnliches. Er leerte den Eimer bis zum Boden, doch nichts geschah. Er warf den Eimer wieder hinab in den Brunnen und er platschte beinahe umgehend auf. Abermals zog er ihn hinauf und leerte ihn.
Nichts.
„Was soll das, Mimir? Ich habe mein Auge geopfert!“
„Du hast das Auge eines Joten geopfert, nicht deins. Du hattest dich falsch entschieden.“ Odin hob voll Zorn seinen Speer Gungnir und stieß die Spitze gegen Mimirs Brust, doch stoppte, bevor er ihn berührte. Er verstand nun. Er verstand nun Mimirs Worte: Die Entscheidung war schon längst gefallen. Er kehrte dem Joten den Rücken und ging zum Stamm des Weltenbaums. „Endlich hat das Wasser dich erleuchtet“, rief Mimir ihm hinterher, während er mit dem Eimer aus dem Brunnen schöpfte.
Odin kletterte zurück nach Asgard und wurde von seinem Sohn Thor und Loki begrüßt, die eifrig auf seine Ankunft gewartet hatten. „Was wirst du nun tun, Vater?“ fragte der kleine Thor—Jahrzehnte vergingen, bevor Asen sichtbar älter wurden; Loki befiel dasselbe Schicksal, seit Odin ihm sein Blut schenkte.
Odin lief wortlos an ihnen vorbei und zum Strand im Osten, von dem Wanenheim zu erblicken war. Er hob Gungnir und schmiss den Speer hinüber, der einen Wanen aufspießte und umgehend tötete. „ODIN IST GOTT ALLER GÖTTER“ schrie Odin. Der erste Krieg zwischen Wanen und Asen begann.
Der Krieg war erschöpfend für beide Seiten ohne einen klaren Sieger hervorzuheben. Die Verluste trafen Odin besonders: Er verlor seine Brüder Vili und Ve, und Jord, die Mutter Thors. Die Asen und Wanen besannen sich nach einer Waffenruhe, einem Frieden. Beide Seiten gaben der anderen Geiseln, um den Waffenstillstand zu gewähren. Die Wanen übergaben ihren König Njörd und seine zwei Kinder Frey und Freya, die an Odin vermählt wurde; man erhoffte sich einen währenden Frieden von ihrer Ehe. Die Asen gaben als Zeichen der Versöhnung Odins Speer, Gungnir, und zwei entbehrliche Geiseln: Hönir, einem hübschen Schwätzer, und Mimir, dem Odin seine Opferung des Auges nicht verziehen hatte.
Die Wanen achteten Mimir nicht, da er zum Stamm der Joten angehörte. Hönir hingegen erwies sich als hervorragender Berater. Sie ahnten jedoch nicht, dass er nur die Worte Mimirs nachsprach wie ein Schwätzer es nun mal tat.
Ein Jahr verging in Frieden. Die Wanen in Asgard lebten friedlich mit den Asen. Freya gebar Odin einen Sohn, den sie auf den Krieg anspielend Hermod nannten—Die Rage des Krieges. Er würde seinem Vater in Statur und Gesicht so ähneln, dass man ihn manchmal für den kleinen Odin hielt.
Derweil in Wanenheim missfiel der Rat Hönirs den Göttern dort stets mehr. Er antwortete ihnen auf ihre Nachfragen letztlich stets ehrlich mit: „Fragt jemand anderes.“ Sie wurden zornig, dass die Asen sie getäuscht und für das mächtige Haus des Njörds solch lausige Geiseln erhalten hätten. Sie behielten den Asen Hönir am Leben, um ihn eventuell gegen Frey auszutauschen, und köpften stattdessen Mimir. An Gungnir gebunden schmissen sie seinen Kopf nach Asgard, wie es Odin damals zum Start des ersten Krieges tat. Odin wusste von Freya, dass sie ihren Körper bei den Verbrennungen durch Seidr verwandelt hatte und bat sie nun, Mimirs Körper wiederherzustellen. Sie hatte es oft versucht, doch schaffte es nicht. Ihr gelang es nur dem kahlen Kopf, der mit Gungnir nach Asgard kam, Leben einzuhauchen. „Du Narr“, schimpfte Mimir Odin an, „Hönir, der Schwätzer, hat nun den zweiten Krieg ausgelöst.“
„Dann hab ich alles, was ich wollte“, grinste der Einäugige.
Der zweite Götterkrieg war eher vorbei als es beim ersten der Fall war. Mit dem Fehlen der Familie Njörds waren die Wanen schwächer als die Asen. Sie einigten sich bald auf einen endgültigen Frieden. Keine Geiseln wurden diesmal ausgetauscht. Stattdessen brachte Idun den Anführern und Mächtigsten der beiden Götterrassen ihre gesammelten Beeren. Die zerkauten Früchte wurden dann in einen Kelch gespuckt. Saga füllte den goldenen Behälter mit Wasser aus ihrem Bach in Sökkwabeck, dann rührte Freya die Lösung unter Einwirkung von Seidr. Das Kind einer Asenmutter und eines Wanenvaters wurde auserkoren, den Kelch auszutrinken und als Botschafter zwischen den beiden Göttergeschlechtern zu dienen. Die magische Kraft, die in den Zutaten innewohnte, brachte eine unerreichte Intelligenz im ausgewählten Jungen. Ehrlich und ergiebig konsultierte Kvasir sowohl Asen als auch Wanen mit seinem vermögenden Wissen und seiner geschickten Zunge. So endete der Krieg der Götter und dank Kvasir hielt ihr Frieden.
Die Prophezeiung
Odin, der sich ständig nach mehr Wissen und sogleich Macht sehnte, seit er von Mimirs Brunnen getrunken hatte, ging zu den Nornen, weissagende Frauen, die—ähnlich wie Mimir—an einem Brunnen lebten, dieser jedoch bei den Wurzeln Yggdrasils stand. Odin hoffte, dass ihre Quelle ihn mit Weisheit erfüllen würde ohne ein Opfer von ihm. Je tiefer er den Stamm hinunterkletterte, desto mehr fühlte er seine Kraft nachlassen, seine Wärme schwinden. Die Welt, auf denen die Wurzeln Yggdrasils verankert waren, war genannt Niflheim. Es war ein kalter, trostloser Ort. Die Dimensionen waren schier endlos und niemand, der Niflheims Enden erkunden wollte, war jemals zurückgekehrt. An einem der riesigen herauswirbelten Wurzeln brannte ein Feuer. Odin hörte die Stimme von paar Frauen, eine sprach gellend. Er näherte sich dem Feuer, seine Hand auf der Wurzel aufliegend. Als seine Hand die Wurzel berührte, fühlte er wieder seine Kraft zurückkehren, und als er Yggdrasil losließ, verschwand sie sogleich. Er lief weiter und strich mit seiner Hand über die Wurzel. Er fühlte verschiedene Gravuren darin, eingeschnitzt, nicht natürlich. Die Stimmen der Frauen wurden leiser, je näher er dem Feuer kam, bis sie gänzlich verstummten. Ein kleines Mädchen kam Odin entgegen und blieb ihn begutachtend vor ihm stehen. Ihr blondes Haar war geflochten in zwei Zöpfen, die vor ihren Schultern herabfielen. Sie neigte ihren Kopf und sagte: „Hallo, Odin. Komm, du bist spät dran—wenn es nach Skuld geht.“ Sie nahm ihn bei der Hand und hopste zum Feuer. Eine schwangere Frau stand am Feuer, blickte auf das Holz in ihren Händen, bevor sie es den Flammen fütterte. Ihr braunes Haar fiel flach hinter ihre Schultern; ihr Gesicht glänzte schön im Licht des brennenden Holzes. Eine alte Frau stand daneben und webte an einem Teppich. Ihr Haar war weiß und kurz, dünn und zerbrechlich wie die Frau selbst.
„Urd ist zurück“, sagte die schwangere Frau zur Alten.
„WAS?“ schrie die halbtaube Greisin.
„URD IST ZURÜCK!“ kreischte die Schwangere zurück.
„Endlich!“ erwiderte die alte Norne Skuld. Sie drehte sich zu Verdandi und tastete sich blind zum Feuer. Die Schwangere half ihr auf einem Holzstuhl Platz zu nehmen. Skuld hob ihre Hände über dem wärmenden Feuer. „Urd, sei doch so lieb und schöpf etwas Wasser, ja?“
Das Mädchen ließ Odin los und hopste zum Brunnen, dessen Rand gerade noch von der Feuerstelle sichtbar war. „Setz dich, Ase!“ sagte Verdandi und zeigte auf einen Holzstummel am Feuer. „Du suchst nach Wissen. Oh, ich versteh die Sorgen, die das Sein bereiten“, sagte sie und strich über ihren gewölbten Bauch. „Doch beharre dich nicht auf die Worte, die du gleich vernimmst, sonst wirst du vom Morgen geblendet und fühlst nicht mehr die ungesehenen Wehen des Heute.“ Das Mädchen Urd kam zurück mit einem Krug voll Wasser. Sie schöpfte zuerst einen Schluck heraus, dann übergab sie es Verdandi. Die Schwangere trank ebenfalls, bevor sie den Krug der blinden Skuld in die Hand drückte. Diese schöpfte und verschlang wie eine verdurstende das Wasser von ihren faltigen und zittrigen Händen. „Nun du“, sagte Verdandi und reichte den Krug dem Asen. Odin tränkte seine Hände hinein und trank das Wasser darin. Er merkte nichts, so wie damals bei Mimirs Brunnen.
„Die Geburt des Lichts…“, sprach