Geliebtes Carapuhr. Billy Remie

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Название Geliebtes Carapuhr
Автор произведения Billy Remie
Жанр Языкознание
Серия Chroniken der Bruderschaft 3
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752909692



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du mich? Wo ist Derrick, Desith? Wo ist er?«

      »Rick…?«, hauchte er, aber er wusste nicht, ob er wirklich sprach oder es einfach nur dachte, denn seinem Körper entglitt jegliches Gefühl. »Rick … ist … ver … verloren.«

      Er wollte mehr antworten, aber die Schwärze holte ihn zurück. Seine Augen verdrehten sich, sodass der Prinz von Carapuhr langsam verschwand. »Holt den verdammten Schamanen hierher!«, hörte er Vynsu wütend brüllen, doch seine Stimme klang gedämpft, als hätte Desith Wasser in den Ohren.

      »Desith!« Vynsu – nun besorgt – entfernte sich immer weiter. »Desith, bleib bei mir. Alles ist gut, wir sind jetzt hier. Wir bringen dich heim.« Er sagte noch mehr, doch das verstand Desith nicht, er versank tiefer und tiefer im Traum. Noch spürte er die große Hand, die sich vorsichtig unter seinen Kopf schob, um ihn zu stützen, aber auch sie nahm er bald nicht mehr wahr. Er wollte nur noch … heim. Und dann wachte er für eine ganze Weile nicht mehr auf.

      Kapitel 2

      Erst als es dunkelte, kehrte der Großkönig mit seinen Barbarenkriegern aus dem Dickicht des Dschungels zurück. Riesige, halbnackte Männer in Lederhosen, die fellbesetzte Schulterplatten trugen. An ihren Hüften baumelten Breitschwerter oder Äxte, auf ihren Rücken schaukelten Rundschilde mit eisernen Buckeln. Einzig Großkönig Melecay Wiglaf von Carapuhr trug seine Bärenlederrüstung vollständig am Leibe, obwohl ihm der Schweiß über die rasierten Seiten seines strohblonden Schopfes rann, als stünde er unter einem Sturzbach.

      Die Schar kam grölend wie ein Haufen wilder Hunde ins Lager gestampft, das versteckt in einer Senke im Unterholz lag, die Männer waren blutüberströmt, dreckig und übersät mit Bissen und Kratzern, viele tote Tiere wurden auf Schultern getragen, gepunktete Jaguare, schwarze Panther, selbst Krokodile. Der süße Gestank des Todes kehrte mit ihnen zwischen die Zelte und an die Feuerstellen zurück. Dienstmägde und Knechte schrien auf, als die Barbaren sie knurrend und hämisch lachend von hinten packten, von ihrer Arbeit wegzerrten und noch vor aller Augen ihre Röcke rafften oder Hosen runterrissen.

      Dabei gab es nichts zu feiern, denn ein Drache war nicht unter den Trophäen dabei, was bedeutete, dass sie noch mindestens einen weiteren Tag in dieser feuchten, heißen Hölle verbringen mussten. Doch solange der Met noch in Strömen floss, konnte nichts diesen rauen Hunden die Feierlaune verderben.

      Vynsu spuckte die Knochenreste in seine hölzerne Suppenschale, stellte sie auf den Boden und sprang von seinem winzigen Hocker vor dem Zelteingang des Schamanen.

      »Onkel!«

      Der Großkönig blieb nicht stehen, würdigte ihn nicht einmal eines Blickes. »Habe gehört, dass ihr was im Wald gefunden habt«, sagte er regelrecht gelangweilt, während er sich die blutverschmierten Kampfhandschuhe mit den Zähnen von den Fingern zog. »Erwartest du Lorbeeren, Bursche? Soll ich dir Beifallklatschen, einen Knicks vollführen?«

      Vynsu war über fünfundzwanzig Sommer alt, aber sein Onkel nannte ihn noch immer einen Burschen! Er biss ärgerlich die Zähne zusammen, wagte aber nicht, über die offensichtliche Herabsetzung seiner Person zornig das Wort zu erheben. Mit dem Großkönig stritt man bekanntlich nicht, wenn man seinen Kopf behalten wollte. Also musste er solche Spitzen über sich ergehen lassen.

      Er folgte den immer größer werdenden Schritten des Großkönigs weiterhin, blieb aber hinter ihm, wie es sich für einen Hund wie ihn gehörte.

      »Es ist Desith«, berichtete Vynsu. »Wir sahen auch Derrick.« Bei diesen Worten musste er jedoch sofort stocken und kleinlaut einlenken. »Nun ja, zumindest glauben wir, dass er es war. Die Beschreibung passt auf den Drachen. Schwarz, matt, mit einer feurigen Unterseite, Stacheln … allerdings scheint er etwas gewachsen zu sein.«

      Das war untertrieben, im Vergleich zu dem wendigen, kutschengroßen Drachen, den Augenzeugen gesehen haben wollten, war er ein ausgewachsenes, fettes Monstrum geworden, wenn man Vynsu nach seiner Meinung fragte.

      Vor einem Kessel, der über einem Feuer kochte, blieb der Großkönig stehen. »Lebt Desith noch?«

      Vynsu zuckte zurück, als sein Onkel den eingedrehten, blonden Zopf nach hinten warf, bevor er sich zur Schöpfkelle beugte und sich die heiße Brühe gleich aus dem Kessel einverleibte.

      »Mehr oder weniger, der Schamane tut sein Möglichstes. Er hat einige Brüche, Vergiftungen, hohes Fieber, Krämpfe und ziemlich üble Verbrennungen. Wenn der Allvater ihm gnädig gestimmt ist…«

      »Ach pff… der Allvater schert sich nicht um ein Stück sterbendes Fleisch«, spottete der Großkönig. Vynsu musste sich sehr fest auf die Zunge beißen, um nicht zu widersprechen. »Alles Göttliche hat uns längst verlassen. Und wenn es nach mir ginge, dürfte der liebe Gott mir ohnehin gern die Eier lutschen, aber mein Schicksal würd ich nicht in seine Hand legen, und das solltest du auch nicht mit dem Leben des Sohn des Kaisers tun!«

      Dazu sagte Vynsu nichts, er schwieg einfach.

      Melecay stieß gereizt den Atem aus, er war auch bei guter Laune bereits mit Vorsicht zu begegnen, aber diese Hitze machte ihn zu einem spuckenden Feuerberg, der jeder Zeit drohte, seine tödliche, heiße Lava über alle zu ergießen.

      »Wo habt ihr die beiden gefunden?«

      »Am Fluss, nordöstlich von hier«, antwortete Vynsu. »Wir haben den Ort auf der Karte markiert, ebenso die Richtung, in die Derrick davonflog. Zwei Späher sind ihm nach, aber…«, Vynsu senkte matt die Stimme, »… sie kamen nicht mehr zurück.«

      »Hätte ich mir denken können«, murrte der Großkönig und drückte mit Daumen und Zeigefinger sein krummes Nasenbein, als hätte er Probleme mit dem Sehen. »Noch weiter östlich, noch tiefer rein in dieses heiße Scheißloch. Aber immerhin zwei Mäuler weniger zu stopfen, nicht wahr? Hoffe nur, sie haben Derrick gemundet.«

      Er meinte das vollkommen ernst, so etwas wie Mitleid kannte der Großkönig nicht, er war mehr praktisch veranlagt. Man munkelte, dass er ohne Herz geboren wurde. Vynsu wäre nicht überrascht, wenn an diesem Gerücht etwas wahr wäre.

      »Mit Eurer Erlaubnis, Onkel, würden meine Freunde und ich-«

      »Du meinst, meine Männer«, unterbrach sein Onkel ihn mit heimtückischer Freundlichkeit. Er drehte sich zu Vynsu um, ein falsches Lächeln auf den Lippen. »Oder bin ich nicht mehr der Großkönig von Carapuhr? Verzeih, unterstehen deine Hunde nicht in erster Linie mir?«

      »Doch, Onkel…«

      »Dann verschwende nicht meine Zeit und lass die Karte zu meinen Spähern bringen, damit ich meinen Erben zurückholen kann.«

      Es war nur ein winziger Stich, aber er traf ihn tief ins Herz. Vynsu schlug die Augen nieder, aber sein Kopf blieb hocherhoben. »Ich würde gern ein paar Männer nehmen und Derrick verfolgen, die Nacht könnte uns Schutz gewähren, vielleicht kommen wir so näher an ihn heran…«

      »Nein, ich suche höchstpersönlich nach ihm.« Der Großkönig riss an den Riemen seines Harnischs, um sich Luft unter der stickigen Rüstung zu verschaffen. Er roch wie ein Iltis, aber Vynsus eigener Geruch war keinen Deut besser. »Ich erledige das lieber selbst.«

      »Aber…«, wandte Vynsu ein, »Onkel, wir waren so nah an ihm dran…«

      »Und habt ihn wieder verloren.« Des Großkönigs blaue Augen blitzten warnend auf.

      Vynsu reckte stolz sein kantiges Kinn, aber unter der Fassade machte sein Herz einen Satz. Er hatte seinen Onkel schon immer gefürchtet. Bewundert, gewiss, aber ebenso gefürchtet.

      »Ich ließ Derrick ziehen, weil wir Desith ins Lager bringen mussten. Ich habe nur Euren Befehl befolgt, Onkel: Desith lebend zu finden.« Er hätte den kleinen Wildfang nicht sterben lassen können, selbst wenn es Melecay gleich gewesen wäre. Derrick war Vynsus Bruder, wenn auch nur im Geiste, und er hätte es Vynsu nie vergeben, wenn er Desith seinem Schicksal überlassen hätte.

      Melecay schnaubte und eine abschätzige Musterung folgte, die Vynsu ebenso stolz über sich ergehen