Geliebtes Carapuhr. Billy Remie

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Название Geliebtes Carapuhr
Автор произведения Billy Remie
Жанр Языкознание
Серия Chroniken der Bruderschaft 3
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752909692



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ein Wunder, dass er nicht getroffen und zermalmt wurde. Die Erde bebte. Er hielt die Augen und Ohren geschlossen, krümmte sich zu einem Kloß zusammen und hoffte naiverweise, sich klein genug machen zu können, dass der Drache einfach über ihn hinweglaufen würde.

      »Bitte, bitte, bitte…«, stammelte er tonlos vor sich hin, die Angst hatte ihm Stimme und Atem geraubt, sein Herz schlug so schnell, dass er befürchtete, es würde in seiner flatternden Brust einfach in unzählige Splitter zerspringen.

      Ich hätte ihn nie verfolgen sollen. Nicht zum ersten Mal in den letzten Jahren dachte er genau das, aber wie hätte er einfach umkehren können? Wie hätte er ihn im Stich lassen können, wobei er jäh spürte, dass es keinerlei Verbindung mehr zu dem Mann gab, der dem Drachen innewohnte.

      Desith versteinerte, obwohl er zuvor noch gezittert hatte wie Espenlaub. Im Nacken spürte er den heißen Atem des Drachen, und sein leises Grollen vibrierte über Desiths Rücken.

      Für einen Moment konnte Desith sich nicht bewegen, dann nahm er langsam die Hände von den Ohren und drehte zögerlich den Kopf mit geweiteten und blutunterlaufenen Augen herum.

      Der Drache thronte direkt hinter ihm, die schwarzen Schuppen matt, die Stacheln auf seinem Kamm aufgestellt. Drohend hoben sich die Lippen und entblößten eine Reihe weißer Reißzähne.

      Desith überkam eine Woge Trauer, er verzog das Gesicht und wimmerte: »Rick, bitte…«

      Aber er erkannte ihn nicht, schon lange nicht mehr. Der Drache hob den Kopf, um den Hals zu beugen, und sog regelrecht die Luft um Desith herum in seinen Rachen. Das, was folgen würde, brauchte Desith sich nicht auszumalen, er wusste es. Sein Überlebensinstinkt war stärker als es jede Jugendliebe hätte sein können. Er rollte sich zur Seite, sprang auf und rannte los. Der blaue Strahl aus Geistfeuer explodierte auf der Stelle, wo er zuvor noch gekniet hatte, versengte alles und hinterließ einen schwarzen, toten Fleck. Wütendes Gebrüll erhob sich, als er dem Biest abermals entkam. Mit einem giftigen Fauchen warf der Drache jedoch den Kopf herum und spie Desith einen weiteren Feuerstoß hinterher. Die Spitzen der Flammen holten ihn im vollen Lauf ein, eine regelrechte Druckwelle riss ihn von den Füßen, als hätte ein Sturm ihn von hinten erfasst.

      Desith brüllte auf, obwohl er den Schmerz noch gar nicht spürte, aber er sah die Flammen, die sich seinen Arm hinauf schlängelten. Schreiend warf er sich hin und her, rollte sich hektisch über den Boden, während er mit der Hand auf sein brennendes Hemd einschlug. Es roch nach Rauch, versengtem Stoff und verbranntem Fleisch.

      Die Flammen waren noch nicht gänzlich erstickt, als der Drache auf ihn zuhielt. Desith stolperte auf die Füße und floh vorwärts, mit panischem Blick über die Schulter. Er rutschte unter einem umgestürzten Baumstamm hindurch, der Drachenkopf schnappte nach ihm, blieb aber stecken. Das brachte ihm für wertvolle Augenblicke einen Vorsprung ein.

      Nur der Schatten des Biestes war zwischen den Bäumen zu erkennen, aber er holte schnell auf. Brennende Blätter schwebten durch die Luft, es knisterte im Dschungel, während Desith Haken wie ein junges Kaninchen schlug und durch riesige, dichte Blätterwände preschte, ihm peitschte allerlei Geäst um die Ohren, sodass sein Gesicht bald aussah, als hätte er mit einem Puma gerungen.

      Noch immer klopfte er auf die blauen Flammen, die sich nicht löschen lassen wollten. Bis er in seiner blinden Hast über eine Wurzel stolperte und vornüber einen Hang hinabfiel. Er überschlug sich mehrfach, brach sich mindestens eine Rippe und verdrehte sich den Arm. Der aufkommende Schmerz war nicht mehr zu beschreiben, es fühlte sich an, als müsste er sterben.

      Als er endlich gegen einen Baum krachte, der seinen Fall abrupt gebremst hatte, blutete er aus einer Stirnwunde und übergab sich.

      Der Drache wütete noch immer. Benommen und völlig erschöpft sah Desith den Hang hinauf, er konnte das viele Grün nur noch verschwommen wahrnehmen, immer wieder blitzte Schwärze vor seinen Augen auf, alles drehte sich. Der Schwanz der Flugechse zuckte flüchtig über die Schlucht, dann erklang das schwere Pochen seiner Schwingen, das Blätterdach raschelte und sein wütendes Brüllen entfernte sich. Er hatte wohl nicht mitangesehen, dass Desith den Hang hinabgestürzt war. Oder er hatte etwas Größeres gewittert. Vermutlich war es letzteres. Desith konnte die anderen Drachen in der Nähe rufen hören, es war Paarungszeit und sie suchten ihre Partner. Vielleicht lenkte auch das Rick ab.

      Desith schaffte es noch, sich bis zu einem nahen Fluss zu schleppen, am Ufer brach er jedoch zusammen. Sein rechter Arm hing schlaff hinab, er konnte ihn nicht mehr bewegen, bei dem Sturz musste er ihn sich ausgekugelt haben. Jeder Atemzug, sei er noch so flach, stach so heftig wie ein Dolch, der in seinen Rippen steckte. Noch immer sah er nur verschwommen und immer wieder musste er sich übergeben. Seine rechte Seite war versengt, regelrecht verkohlt, er traute sich gar nicht, hinzusehen, umklammerte den verletzten Arm mit der anderen Hand.

      Die Verbrennung fühlte sich seltsam an, nicht wie von normalen Flammen, mehr wie eine Eisverbrennung. Desiths Haut war abgeplatzt, aber darunter herrschte nur Kälte und eine schreckliche Leere, als ob das Feuer ihm den Teil der Seele ausgebrannt hatte, die in seinem Arm gewohnt hatte. Da war kein Gefühl mehr – und das nicht nur, weil der Arm verdreht war.

      Von der Leere und der Wut in seinem Herzen ganz zu schweigen.

      Rick … war fort.

      Seine Knie sanken tief ins feuchte Ufer, als er sich vorbeugte und Wasser schöpfen wollte, doch da übermannte ihn der Schmerz und die Erschöpfung, die Enttäuschung und die Leere. Mit dem Gesicht voran fiel er in den Fluss und es gelang ihm gerade noch, sich im Wasser auf den Rücken zu drehen, bevor ihn die sanfte Strömung einige Flussmeilen mit sich schleppte. Es war ein sachtes Wiegen, das ihn schläfrig machte, und das kühle Nass linderte den Schmerz seiner zahlreichen Wunden. Sein Körper war nur noch ein Haufen zerstochenes, versengtes, gebrochenes Fleisch.

      Als er wieder aufwachte, hatte sich sein Fuß in etwas verfangen, und das sanfte Wiegen war zu einem beständigen Strom ausgewachsen. Er blinzelte, sah verschwommen das Dach des Dschungels über sich, und da bemerkte er auch, dass er nicht mehr im Fluss trieb, sondern er über den Boden geschleift wurde wie ein Sack Mehl.

      Er bewegte leicht den Kopf hin und her, in seinem Schädel hämmerte es dumpf, und der Schmerz verursachte ihm sofort wieder Übelkeit. Verdammt, wenn ihn die Stämme erwischt hatten, war es vorbei. Nicht alle Stämme duldeten Fremde in ihrem Wald, so tief im Osten Zadests waren sie stets nur auf feindlich gesinnte Kriegerinnen gestoßen, die alle Arten von Männern lieber tot oder versklavt sahen, als frei herumstreifen zulassen.

      Doch die Worte, die er dann vernahm, klangen klar und deutlich zu ihm durch. Sie entstammten der Sprache des Westens. »Er ist wach«, sagte eine monotone Stimme über ihm.

      Desith blinzelte erneut, als er grob abgelegt wurde und dunkle Schatten auf ihn fielen. Sofort riss er die Augen auf, war jedoch zu schwach, um zurückzuweichen. Drei – vielleicht gab es noch mehr – in dunkle Umhänge gewandete Gestalten beugten sich über ihn, an ihren Oberarmen trugen sie purpurne Bänder, und unter ihren Kapuzen lag nur Finsternis, keine Gesichter. »Lest seine Erinnerungen«, sagte ein anderer gefühllos, seine Stimme klang nicht wie von dieser Welt, mehr wie ein raues, kaltes Flüstern, das einem Alptraum entsprungen war. »Tötet ihn, wenn ihr wisst, wo der andere ist.«

      Desiths Herz machte einen Satz, er wollte sich wehren, wollte vor diesen gesichtslosen Dämonen davonkriechen, aber er war schlicht zu geschwächt. Sein Verstand versagte ihm den Dienst, er verdrehte die Augen, als sich eine in Leder gehüllte Hand nach seinem Gesicht ausstreckte, als wollte sie ihn verschlingen.

      Dann wurde es schwarz.

      Etwas schlug ihm hart ins Gesicht.

      Erschrocken fuhr er auf, die Augen geweitet. Sofort packte ihn wieder die Angst mit kalten Klauen, aber nun sah er klarer, und die Dämonen waren fort. Ein Gesicht schwebte über seinem. Weiße Haut, ein Barbarenzopf und tiefbraune Augen mit purpurnen Sprenkeln.

      »Wir haben ihn gefunden! Er lebt!«, rief jemand in seiner Nähe, dann hörte er viele Schritte um sich herum, und das Rascheln der Sträucher.

      Hatte er nur geträumt? Träumte er jetzt?

      »Desith!«