Название | Marionette des Teufels |
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Автор произведения | Dagmar Isabell Schmidbauer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783737561884 |
„Du verstehst mich nicht, Dieter, ich kann nicht!“
„Ach was, deine Fische werden schon noch auf dich warten. Und gibt es was Schöneres, als eine lange Kriminalkarriere mit einem richtig großen Fall abzuschließen?“
Brauser schüttelte resigniert den Kopf. Schwertfeger konnte ihn einfach nicht verstehen. Dabei hatten sie schon zusammen Jura studiert, bis Brauser gemerkt hatte, dass es ihm mehr Spaß machte, die Wahrheit zu suchen, statt anderer Leute Lügen zu verteidigen. Er hatte immer seinen Kopf durchsetzen wollen und nicht den anderer retten. Trotzdem waren die beiden natürlich gute Freunde geblieben und, was noch wichtiger war, inzwischen ein gutes Team. Brauser ermittelte, Schwertfeger hielt ihm den Rücken frei. Vor allem wenn er auch einmal unkonventionelle Maßnahmen ergreifen musste. Gemeinsam mit ihren Ehefrauen hatten sie viel unternommen, bis der Staatsanwalt sich von seiner ersten Frau Johanna trennte und Maria mit der Neuen einfach nichts anfangen konnte, wie sie immer wieder betonte.
„Ist alles in Ordnung bei dir zu Hause? Was macht Maria? Ich habe sie lange nicht gesehen.“
„Was hat Maria damit zu tun?“
„Kümmert sie sich um dich?“
„Ja, natürlich.“
„Ich meine, du weißt schon, manchmal braucht ein Mann einen Tapetenwechsel.“
Brauser stellte sein Glas energisch auf den Schreibtisch. Sein Ton wurde angriffslustig. „Du meinst, so wie bei dir?“
Resigniert schnaufte sein Freund aus und griff nach seiner Pfeife, die er immer in Reichweite hatte, aber nie ansteckte. Sie beruhigte ihn einfach.
„Okay, okay.“ Abwehrend hob er die freie Hand. „Wir besprechen den Fall morgen in der großen Runde, vielleicht gibt es dann ja auch schon weitere Fakten. So und jetzt sag mir lieber mal, wie es in dem Automord weitergeht.“ Der Kommissar sah auf die Uhr. „Wenn du Zeit hast, sprechen wir den ganzen Fall einmal durch, ich komme ohnehin nicht weiter.“ Mit dem Themawechsel hatten beide rasch zum gewohnten Ton zurückgefunden. Schwertfeger nickte, stand auf und ging zu dem Sideboard aus Eichenholz, das neben der Tür stand, um die Whiskeyflasche herüberzuholen. Draußen wurde es langsam dämmrig und in den übrigen Dienstzimmern machten die Kollegen bereits Feierabend – wahrscheinlich verdientermaßen. Aber an solche Zeiten hatten sich in all den Jahren weder Brauser noch Schwertfeger gehalten. Großzügig schenkte der Staatsanwalt für beide ein, dann lehnte er sich zurück und hörte seinem Freund aufmerksam zu.
„Klaus Wallenstein, siebenundvierzig Jahre, wohnhaft in Frankfurt am Main, starb in der Nacht vom 16. auf den 17. August. Eine Streife fand ihn am Morgen auf dem Parkplatz in Ingling. Zunächst mussten wir davon ausgehen, er sei mit seinem Mercedes am Abend dorthin gefahren und von Unbekannten erschossen worden. Der oder die Schützen hatten ihn zweimal mit einem großkalibrigen Geschoss in den Kopf getroffen. Die Windschutzscheibe war zersprungen und auch die Karosserie wies mehrere Einschüsse auf. Insgesamt vier. Wir gehen von einem Revolver aus, da am ganzen Tatort keine Patronen gefunden wurden. Dafür fanden wir etwas anderes. Etwas sehr Interessantes: Die Haut des Toten wies an beiden Handgelenken und am Hals Vertrocknungsspuren auf, die daraufhin deuten, dass er vor seinem Tod gefesselt wurde. Wir glauben, man hat ihm die Schlinge um den Hals gelegt und ihn damit an seinen Sitz gebunden, ihn mit einer Waffe bedroht und gezwungen, auf den Parkplatz zu fahren. Dem Opfer wurden dann die Hände gefesselt, er wurde durch die Windschutzscheibe erschossen. Allerdings fanden wir nur einen Strick, der zu den Spuren am Hals passte. Dieser lag auf dem Rücksitz. Die Täter, wir gehen den Fußspuren nach von mehreren aus, haben ihn also nach der Tat wieder losgebunden und die Stricke mitgenommen.“
Der Kommissar nahm einen kleinen Schluck Whiskey und erwärmte in langsam im Mund, bevor er ihn hinunterschluckte und berichtete dann weiter. „Er trug einen Anzug von guter Wollqualität. Wir fanden seinen Ausweis, aber weder Kreditkarten noch Bargeld. Augenscheinlich wurde er durchsucht und alles von Wert wurde mitgenommen.“ Brauser sah seinen Freund an, ohne auf einen Einwand oder eine Frage zu warten.
„Sein Gesicht war durch die Einschüsse zwar völlig unkenntlich und wir mussten auf eine DNA-Untersuchung zurückgreifen, aber da ja der Ausweis noch in seiner Brieftasche steckte, und auch das Auto auf den Toten zugelassen war, konnte es wohl nicht Sinn der Täter sein, seine Identität zu verschleiern.“
„Was sehr gut zu einem Racheakt in Dealerkreisen passen würde“, warf Schwertfeger ein und ließ seinen Freund kopfschüttelnd weiterberichten.
„Du erinnerst dich richtig. In den ersten Ermittlungsansätzen sah es tatsächlich so aus, als habe er mit Drogen gehandelt, denn auf dem Anzug des Toten fanden wir Tabak und Ascheteilchen von Marihuana, außerdem einige Jointstummel am Tatort.“
Brauser trank sein Glas leer und ließ sich dann nachschenken. Eine Weile blieb es still im Raum. Die Dunkelheit, die draußen vor den Fenstern eine undurchdringliche Wand gebildet hatte, schien hereinzudrängen und das Licht der Schreibtischlampe aufzusaugen.
„Es hat tatsächlich alles für einen Mord im Milieu gesprochen. Das Auto, der Parkplatz, das Rauschgift und vor allem die Todesart, die stark an eine Hinrichtung erinnerte. Wir ließen den Wagen von Drogenspürhunden durchsuchen, aber die fanden keine weiteren Indizien und dann kam ja auch die Wende aus der Rechtsmedizin in München: Getötet hatten Klaus Wallenstein nicht die Schüsse, er war bereits Stunden vorher an einer Luftembolie in der rechten Herzkammer gestorben. Ihn Stunden nach seinem Tod noch zu erschießen, machte natürlich überhaupt keinen Sinn, es sei denn, der Täter war sich nicht sicher, ob Wallenstein überhaupt tot war, und wollte ihn mit dieser Ungewissheit nicht auf dem Parkplatz zurücklassen. Aber passte das zu unserer Theorie, dass es sich um Rache handelte? Die Einstichstelle befand sich in der linken Armbeuge. Der Tod trat gegen Mitternacht ein und auf dem Parkplatz war es dunkel. Kann man bei den schlechten Lichtverhältnissen eine Vene punktieren? Wir haben den Parkplatz überwacht und festgestellt, dass er um diese Zeit durchaus noch frequentiert wird. Das Risiko, entdeckt zu werden, war groß. Also suchten wir Zeugen. Tatsächlich meldeten sich einige und in einem Punkt deckten sich ihre Aussagen: Keiner hatte am späten Abend des 16. August einen silbergrauen Mercedes auf dem Parkplatz beobachtet.
Daraufhin ließ ich von der KTU das gesamte Auto noch einmal auseinandernehmen und das war ein Aufwand, der belohnt wurde. Wir fanden schwarze chemische Fasern, wie von billigem Satin auf beiden Sitzen und auch auf dem Hemd des Toten. Und es wird noch besser: Abriebspuren vom Strick an der Kopfstütze des Beifahrersitzes. Wallenstein war also auf dem Beifahrersitz festgebunden und dann erst auf den Fahrersitz gesetzt und dort erschossen worden. Der Befund der Rechtsmedizin brachte endgültig den Beweis. Er war angeschnallt, aber sein Kopf nicht mehr mit dem Strick fixiert, als ihn die Schüsse trafen.“
„Sonst wäre am Strick ja sicher auch Blut gefunden worden.“
„Nicht unbedingt, denn da er ja schon Stunden tot war, bluteten seine Wunden auch nicht mehr.“ Brauser war, erregt von seiner Zusammenfassung, immer weiter nach vorn gerutscht und lehnte sich jetzt, da alle Fakten auf dem Tisch lagen, wieder etwas entspannter zurück. „Sechs Wochen gute Arbeit und doch sind wir noch immer nicht wirklich weiter gekommen. Wir haben die Waffe nicht. Wissen nicht, wo Wallenstein starb, geschweige denn, wo er sich vor seinem Tod aufgehalten hat. Das Gesicht lässt sich durch die Schüsse nicht rekonstruieren und die Familie besitzt nur alte Fotos von ihm, auf denen ihn wohl selbst dann niemand mehr erkennen würde, wenn er ihn erst kürzlich gesehen hätte. Wir haben seinen Bruder befragt. Die beiden hatten ein sehr enges Verhältnis. Wallenstein war Geschäftsmann, handelte angeblich mit Systemküchen. Vielleicht war das ja nicht alles und vielleicht stand er jemandem im Weg und musste deshalb sterben. Seiner Sekretärin hat er nicht gesagt, wo er hinwollte, und im Auto fanden wir keinen Terminkalender. Ob er Gepäck dabei hatte, konnte