Messias Elias. Matthias Grau

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Название Messias Elias
Автор произведения Matthias Grau
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752925630



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      Matthias Grau

      Messias Elias

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Vorwort

       Abbruch

       Aufbruch

       Ausbruch

       Einbruch

       Durchbruch

       Tagesanbruch

       Wolkenbruch

       Umbruch

       Impressum neobooks

      Vorwort

      „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde.“

      1. Genesis 1,27

      Wir sind wie er.

      Und er … ist wie wir.

      Abbruch

      „Sie verstehen doch sicher, oder?“ Elias Young verstand. Abteilungsleiter Williams hatte ihm alles genau erklärt. Die Umsatzzahlen seien besorgniserregend. Daran sei er – Elias – nicht ganz unschuldig. Nicht abschlusssicher. Ein Verkäufer im Außendienst müsse abschlusssicher sein. Er dürfe den Kunden nicht aus den Klauen lassen. Wenn er schon im Büro eines potentiellen Interessenten sitze, dürfe er nicht eher gehen, bevor dieser seine Unterschrift unter den Vertrag gesetzt habe.

      Als wenn das so einfach wäre. Elias hatte diverse Verkäuferschulungen besucht. Dort brachten zwielichtige Dozenten den Lehrgangsteilnehmern fragwürdige Praktiken bei. Zum Beispiel W-Fragen. Man solle den Kunden nicht fragen – kann ich etwas für Sie tun? Nein, man solle stattdessen fragen – was kann ich für Sie tun? Das sei nämlich viel konkreter, darauf könne der Angesprochene nicht einfach mit ,nein, danke!‘ antworten.

      Die Kunden antworteten trotzdem mit ,nein, danke!‘

      Oder Einwandbehandlungslisten: Ein weißes Blatt, bekritzelt mit einer Skizze, die mehrere Rechtecke enthielt, welche durch Pfeile miteinander verbunden waren. Man rief einen potentiellen Interessenten an und stellte ihm die Frage, die im ersten Rechteck eingetragen war. Von der Antwort hing ab, ob man anschließend dem Pfeil nach unten oder dem nach rechts folgte.

      ,Nein, danke! Kein Interesse!‘ Elias hasste diese Antwort! Denn dann folgte er dem Pfeil nach rechts zum nächsten Rechteck, von dem sich wieder zwei Pfeile gabelten, die wiederum zu weiteren Rechtecken mit Fragen führten und die allesamt dazu dienten, den Angerufenen argumentativ in die Enge zu treiben, bis er keinen anderen Ausweg sah, als einzuwilligen und das beworbene Produkt zu bestellen.

      Sie können sich das Produkt nicht leisten? Pfeil nach rechts: Kein Problem, wir bieten auch Finanzierung an! Über wie viele Monate soll ihre Finanzierung gehen?

      Doch auch die Listen funktionierten nicht. Die Angerufenen am anderen Ende der Leitung fingen entweder an zu schimpfen, oder sie legten einfach auf.

      Ein ehemaliger Kollege von Elias war besonders dreist: Er wählte die Nummer erneut und behauptete frech, die Verbindung sei unterbrochen worden, und ob er, der Angerufene, als Auserwählter nicht das besonders günstige Sonderangebot nutzen wolle.

      Keine 24 Stunden später kam ein Anwalt vorbei und deponierte unter den Augen eines mitgebrachten Zeugen eine gerichtliche Vorladung. Der Angerufene hatte eine Unterlassungsklage gegen das Unternehmen erhoben und forderte eine sechsstellige Summe.

      Vermutlich war das mit ein Grund für die ,Umstrukturierungsmaßnahmen‘, wie Abteilungsleiter Williams Elias’ Rauswurf so raffiniert verklausuliert hatte.

      Marketing funktioniert nicht. Das hatte Elias in einem Onlineportal gelesen. Jährlich gaben Unternehmen Milliardensummen für Werbung aus, und im Gegensatz zu den Experten aus den Verkäuferschulungen gab es auch noch Experten, die genau das Gegenteil behaupteten. Wenn jemand ein Produkt partout nicht benötigte, dann könne man die Filmchen noch so bunt machen, könnten die Sprecher noch so hypnotisierende Stimmen haben, die sich lüstern räkelnden Models noch so sexy sein, der Umworbene würde das Produkt trotzdem ums Verrecken nicht kaufen.

      Elias’ Arbeitgeber hatte mit ihm ein Grundgehalt plus Umsatzbeteiligung vereinbart. Zu Beginn motivierte ihn diese Regelung tatsächlich, sich richtig reinzuknien, den Umsatz möglichst in die Höhe zu treiben. Doch beim Blick auf die Gehaltsabrechnungen folgte schnell die Ernüchterung. Spätestens nach einer netten Unterhaltung in einer Londoner Bar, als eine leicht angetrunkene Personalchefin ihm ein paar Geheimnisse aus den Führungsetagen verriet, war es mit der Motivation vorbei. Durch die Gehaltszusammensetzung aus Grundgehalt und Provision wälzten Arbeitgeber das Unternehmerrisiko gern auf ihre Angestellten ab. Ein Festgehalt müssten sie nämlich auch dann zahlen, wenn der Umsatz am Boden lag. Waren die Zahlen aber schlecht, bekam der Arbeitnehmer mit Provisionsanteil auch automatisch weniger Geld, egal ob er Schuld an der Misere hatte oder nicht.

      Elias war sich keiner Schuld bewusst. Abteilungsleiter Williams saß ihm gegenüber und schaute ihn mit seinen teilnahmslosen grauen Augen an. Der verschlissene Bürostuhl sah aus, als würde der leicht übergewichtige Mann mit der Glatze und den von rechts nach links hinübergekämmten und irgendwie angeklebten Haaren das Polster bereits seit Jahrzehnten mit seinem fetten Hintern platt sitzen. Auch der fleckige blaue Kittel mit den im Ellenbogenbereich abgestoßenen Ärmeln unterstrich diesen Eindruck.

      Das Unternehmen gab es seit gut 80 Jahren. Vermutlich hatte er schon häufiger Angestellte gefeuert. Es war sein Job, es gehörte mit dazu.

      „Haben Sie verstanden?“ wiederholte Williams seine Frage. „Jaja …“ Elias nickte. Er war nicht der Typ, der ein Fass aufmachte, wenn ihm irgendwas nicht passte. Kein typisches Alphamännchen. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb seine Umsätze stets im unteren Bereich lagen. Zum Verkäufer muss man berufen sein, so was kann man nicht erlernen. Es hatte zwölf Jahre gedauert, bis Elias das verstanden hatte.

      Eigentlich musste man für jeden Beruf berufen sein, daher die Bezeichnung. Ob Feuerwehrmann oder Polizist, ob Türsteher oder Opernsänger – jeder Mensch hatte seine Bestimmung. Doch was war seine?

      Elias Young, dreißig Jahre alt, eher still und zurückhaltend, ein freundlicher Mensch mit wenig Überzeugungskraft. Wenn er sprach, hörte niemand zu. Wenn er erklärte, fielen ihm die Gesprächspartner gern mal ins Wort. In solchen Situationen verstummte er.

      Ein Kunde, dem er eigentlich eine Menge zu erzählen gehabt hätte, redete ganze zweieinhalb Stunden auf ihn ein. Mit einem unbeschreiblichen Wortschwall erzählte er seine ganze Lebensgeschichte. Hinterher wusste Elias alles über die Vorlieben, die Familie und wie der gesprächige Mann sich den Rest seines Lebens vorstellte. Als Elias endlich zum Abschluss kommen wollte, hatte der Mann es plötzlich sehr eilig und komplimentierte ihn aus dem Büro hinaus.

      Nach diesem Vorfall, den er zu seinem Verdruss auch noch mit Abteilungsleiter Williams