Название | Sonnenkaiser |
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Автор произведения | Dirk Meinhard |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754172469 |
Die geplanten Änderungen der gesetzlichen Regelungen zum Betrieb von autonomen regionalen Energieerzeugern werden im nächsten Monat im Bundesrat verabschiedet. Es ist noch nicht bekannt, welche Änderungen tatsächlich angenommen werden, aber es gilt als wahrscheinlich, dass auch bestehende Kleinanlagen zukünftig deutlich höhere Sicherheitsstandards erfüllen müssen, was vermutlich für mindestens die Hälfte der betriebenen Anlagen das Aus bedeuten wird.
Arbeitslosenquote in Deutschland wieder bei sechzehn Prozent. Das ist der niedrigste Stand seit mehr als zehn Jahren. Die Armutsquote bleibt unverändert bei achtundzwanzig Prozent aller registrierten Bundesbürger. Als arm gilt, wer weniger als vierzig Prozent des durchschnittlichen Lohns aller Arbeiter und Angestellten verdient oder in einem Haushalt lebt, auf den diese Messgröße zutrifft.
GlobSecure verhinderte in der Nacht von Samstag auf Sonntag zwei Anschläge auf Residenzen bei Frankfurt und Berlin. Die Täter wurden gefasst. Die Polizei geht davon aus, dass sie keiner terroristischen Organisation angehören, sondern Einzeltäter sind.
Die Ermittlungen zu der Ermordung des Ehepaars Neidert, Hauptanteilseigner der Firma Hydrogen Supply, und dreier Passanten in einer Tiefgarage nahe der Frankfurter Oper vor zwei Wochen, verlaufen bisher ohne Fortschritte.
Ein Sprengstoffanschlag auf die Nordsüdtrasse Eins in der Nähe von Münster ist fehlgeschlagen. Die an einem der Strommasten angebrachten Sprengladungen richteten nur geringfügigen Schaden an. Die Polizei wertet die Videoaufzeichnungen der nahe gelegenen Autobahn A1 aus. Ein Bekennerschreiben von FreePeople wird aktuell geprüft.
Lokales: Bereits seit fünfzig Tagen ist die Stromversorgung im Stadtgebiet dank des neuen Speicherwerks deutlich stabiler. Die Ausfallrate liegt damit im Schnitt über alle Stadtteile bei weniger als zehn Prozent.
Die Grüne Tafel meldet einen neuen Versorgungsrekord. Sie verteilt nun täglich sechstausend Mahlzeiten aus Spendenmitteln an vier Ausgabeplätzen in der Stadt…<<
Die Hand erreichte endlich das laut tönende Gerät. Die Finger berührten die Oberfläche. Augenblicklich verstummte die Stimme der Nachrichtensprecherin. Die Hand krallte sich in das Kopfkissen und zog es zur Seite. Der Mann hob blinzelnd seinen Kopf. Gemächlich fuhr die Hand über dunkelblonde Haare. Der Mann drehte sich langsam unter der Decke auf den Rücken und gähnte. Blinzelnd schaute er zum Fenster. Dann drehte er seinen Kopf und blickte zur Uhr. Es vergingen einige Sekunden, als benötigte die Information, die er aufnahm, einen Moment bis zur Verarbeitung.
Endlich schien er zu einem Ergebnis gekommen zu sein. Die Bettdecke flog zur Seite, rutschte auf den Boden und der Mann sprang aus dem Bett. Hektisch riss er sich sein T-Shirt runter, warf es der Bettdecke hinterher und stürzte mit einem kaum merklichen Hinken durch die Tür hinaus. Seine nackten Füße klatschten leise auf dem hellgrauen Fußboden. Ein paar daumengroße Staubklumpen rollten gemächlich zur Seite.
>>Mist! Der Termin mit der Job-Vermittlung!<<
Der Mann eilte durch einen kleinen dunklen Flur in ein nur geringfügig größeres Bad und blieb vor einem schwach beleuchteten Display stehen, das neben der Tür hing. Mit schnellen Bewegungen tippte der Mann darauf. Das Ergebnis war offensichtlich nicht wie erwartet und er schlug mit der flachen Hand wütend auf das Gerät. Prompt wurde die Bedienoberfläche des Smart Meter schwarz. Das Gerät, mit dem sich Heizung und elektrische Verbraucher der Wohnung steuern ließen, verfiel als Folge der rüpelhaften Handbewegung in den Stand-By-Modus.
>>Was für ein Mist! Stromversorgung stabil seit fünfzig Tagen! Von wegen!<<
Der Mann schob den an nur noch einigen seiner Befestigungsösen hängenden Vorhang der kleinen Duschkabine hinter der Tür zur Seite, zog seine Unterhose aus und warf sie in den Flur, bevor er in die Dusche stieg und das Wasser aufdrehte. Er zog den Duschkopf aus der Halterung und hielt ihn weit genug von sich weg, um nicht mit dem Wasser in Berührung zu kommen. Er beugte sich vor und ließ die kalten Schauer kurz ein paar Mal über seinen Kopf schwenken, wobei er leise vor sich hin fluchte und sich schüttelte.
>>Mann, ist das kalt! Warum muss diese verdammte Stromversorgung immer morgens ausfallen?<<
Er legte den Duschkopf auf den Boden der Duschwanne neben eine Shampooflasche. Dann begann er seine Haare einzuschäumen und wiederholte die Prozedur mit den kurzen Wasserschwenks, begleitet von weiteren leisen Kraftausdrücken und Zuckungen, die durch seinen Körper gingen, bis er das Gefühl hatte, das Shampoo zumindest gefühlt wieder ausgewaschen zu haben. Der Rest seiner Körperwäsche verlief noch schneller, was nicht nur der Wassertemperatur, sondern auch dem Umstand seiner Eile geschuldet war. Wenige Minuten später stand er mit nassen Haaren wieder im Schlafzimmer und kramte Boxershorts, eine Hose und ein Shirt aus dem Kleiderschrank, wobei mehrere Wäscheteile auf dem Boden landeten, die er nicht weiter beachtete. Immerhin fanden sie bereits Gesellschaft vor, die schon länger am Boden verweilte.
Hektisch zog er sich an und eilte in die Küche. Auch dieser Raum glänzte nicht durch eine luxuriöse Ausstattung. Ein einzelner stumpf polierter Spültisch, daneben ein Herd. Die Arbeitsplatte balancierte dazwischen mangels weiterer Unterschränke auf zwei Metallböcken. Ein kleiner Esstisch stand in einer Ecke, umringt von drei Stühlen, die einen abgenutzten Eindruck machten.
Über die Wandseite mit dem Fenster spannte sich, gestützt von ein paar Schränken, eine Ablage, auf der sich ein kleines Sammelsurium von Gewürzdosen, Kaffeetassen, einer Kaffeemaschine, einem Toaster und einem Brotkasten verteilte. Auf dem Toaster klebte ein Schild, auf dem Außer Betrieb stand.
Eilig nahm der Mann aus dem Brotkasten ein paar Toastscheiben. Er warf einen prüfenden Blick auf den Kühlschrank, dessen Tür mit kleinen runden Magneten und Zetteln großzügig bedeckt war. Kurz blieb sein Blick auf einem handflächengroßen Zettel hängen, auf den mit einem roten Stift ein Herz gemalt war, in dem ein Name stand, darunter ein paar Worte:
>>Daniel, mein Lover! Bis bald!<<
Daniel Neumann musste unwillkürlich lächeln. Der Zettel hing hier seit dem vorigen Morgen. Carina hatte sich zwar in der für einen One-Night-Stand üblichen Weise verabschiedet, heimlich und unbemerkt im Morgengrauen, aber immerhin etwas hinterlassen, das auf ein Wiedersehen hindeutete. Er war neugierig, wann sie sich wieder bei ihm melden würde. Viel wusste er nicht von ihr. Sie arbeitete bei einem Möbelhaus als Einkäuferin für Kindermöbel. Sie fuhr ein Motorrad, eine italienische Sportmaschine, was sie interessant machte. Er hatte vor seinem Arbeitsunfall selbst eine Maschine besessen. Und sie hatte einen atemberaubenden Körper. Ihr übriges Talent hatte ihn für die Nacht in einen rauschhaften Zustand versetzt. Sie hatte seine Telefonnummer, er aber dummerweise nicht ihre, was ihn total nervte. Ihm blieb so erst einmal nur abzuwarten.
Vorsichtig öffnete er die Kühlschranktür. Kühle Luft schlug ihm entgegen und das Licht im Innern brannte. Das Gerät war noch oder wieder in Betrieb. Damit standen die Chancen gut, dass das, was im Kühlschrank lagerte, noch genießbar war. Er ignorierte das unterste Fach, in dem sich Bierflaschen stapelten, ebenso das Fach in der Tür, in dem eine halb leere Wodkaflasche von zwei ähnlich geleerten Flaschen mit Whisky und einer dunkelblauen Flüssigkeit flankiert wurde. Während Daniel mit einer Hand ein paar aufeinandergestapelte Plastikbehälter herausnahm, tippte er mit der anderen Hand auf das Display seines Smartphones, das auf der Ablage neben dem Kühlschrank in einer Ladeschale lag, in trauter Zweisamkeit mit einer Commwatch, die sich stets in Verbindung mit dem Telefon befand und die neben der Uhrzeit hauptsächlich eine Bezahlfunktion, eine Mailschnellansicht und Identifikationsdienste bereitstellte.
Tatsächlich schaffte er es, den Zugriffscode einzugeben, ohne dass ihm einer der Behälter aus der anderen Hand rutschte.
Kurz darauf schaute Daniel kauend aus dem Fenster. Seine Wohnung befand sich im vierten Stock eines Mietshauses in einem Vorort der Stadt direkt an einer Hauptstraße. Von seinem Fenster aus konnte er gut mehrere Rent-to-drive Parkplätze auf der anderen Straßenseite vor einem Schuhgeschäft sehen, zwei davon belegt. Andere Fahrzeuge standen nicht auf der Straße. Der Besitz von eigenen Autos war an zwei Faktoren